Читать книгу Alte Hausmärchen - Humorvoll, spannend und zeitgemäß für Erwachsene neu erzählt, Band 1 - Jörn Kolder - Страница 22
Der zweite Auftrag
ОглавлениеDer Graf mußte lachen, dann sprach er: »Einmal ist dirs gelungen, aber das zweitemal wirds nicht so glücklich ablaufen. Und ich warne dich, wenn du mir als Dieb begegnest, so behandle ich dich auch wie einen Dieb.« Als die Gräfin abends zu Bette gegangen war, schloß sie die Hand mit dem Trauring fest zu, und der Graf sagte: »Alle Türen sind verschlossen und verriegelt, ich bleibe wach und will den Dieb erwarten; steigt er aber zum Fenster ein, so schieße ich ihn nieder.« Der Dieb aber ging in der Dunkelheit hinaus zu dem Galgen, schnitt einen armen Sünder, der da hing, von dem Strick ab und trug ihn auf dem Rücken nach dem Schloß. Dort stellte er eine Leiter an das Schlafgemach, setzte den Toten auf seine Schultern und fing an hinaufzusteigen.
Als er so hoch gekommen war, daß der Kopf des Toten in dem Fenster erschien, drückte der Graf, der in seinem Bett lauerte, eine Pistole auf ihn los: alsbald ließ der Meister den armen Sünder herabfallen, sprang selbst die Leiter herab und versteckte sich in eine Ecke. (26)
Dr. Manfred Wallmann, der Polizeipräsident, lächelte seinen Besucher an und sagte:
„Saubere Leistung, ich will gar nicht erst wissen wie du das angestellt hast, aber wir haben Keller schon verhaftet, dank der Abhöreinrichtung wussten wir genau wann er die Ware übernehmen wollte. Du scheinst wirklich was auf dem Kasten zu haben aber ich habe eine Sache die unlösbar ist, allerdings mit der Polizeiarbeit nicht viel zu tun hat. Interessiert?“
„Klar“ erwiderte Dietmar Dietrich.
„Ich betrachte das mehr als Gag“ fuhr Dr. Manfred Wallmann fort „und als Test, um deine Fähigkeiten festzustellen. Hör zu: wenn es dir gelingt, mir und meiner Frau das Bettlaken unter dem Körper wegzustehlen ohne dass wir es verhindern können, werde ich mich ein bisschen um deine Akte kümmern, diskret natürlich, da sind Dinge aus der Vergangenheit drin die sich längst erledigt haben und so würdest du auch die Chance für einen Neubeginn haben.“
Das war ein verlockendes Angebot und Dietmar Dietrich begann, einen Plan zu entwickeln. Zunächst inspizierte er das Haus des Polizeipräsidenten. Das Schlafzimmer lag Hochparterre und damit war schon das erste Problem verbunden überhaupt dort hinauf zu kommen, in einem Geräteschuppen entdeckte er eine Leiter, die würde er nutzen, denn durch die Tür konnte er nicht in das Haus eindringen.
Die Frau in dem Erotikladen sah ihn regungslos an als er fragte, ob man diese Gummipuppe (eine männliche) auch mit einer Flüssigkeit füllen könnte, sie war schließlich die ausgefallensten Wünsche ihrer Kunden gewöhnt und nickte, ja, das wäre möglich, warmes Wasser etwa. Dietmar Dietrich kaufte noch eine kurze schwarze Perücke und im Baumarkt etwas rote Farbe, mehr brauchte er nicht.
Ulrike und Dr. Manfred Wallmann lagen im Bett und sahen fern. Das Gerät stand auf einer Kommode am Fußteil des Bettes, das dahinter liegende Fenster war wegen der Wärme noch geöffnet, obwohl es schon nach 22 Uhr war und bereits allmählich dunkelte. Ulrike Wallmann war recht furchtsam, aber ihr Mann (schon von Berufs wegen) scharf auf jegliche Art von Filmen in denen es richtig zur Sache ging und ein Mord nach dem anderen passierte. Auch jetzt kam es wieder zu einem Feuerwechsel zwischen den Ganoven und der Polizei und sie kuschelte sich Schutz suchend an ihren Mann. Der Polizeipräsident hatte es sich angewöhnt, seine Dienstwaffe immer geladen im Nachttisch aufzubewahren, obwohl er damit gegen die Vorschriften verstieß.
Als es auf dem Bildschirm wieder heftig zuging schob sich langsam eine schwarzhaarige Gestalt in das Fenster, die gegen den Abendhimmel deutlich zu erkennen war und offensichtlich versuchte, gerade in die Wohnung einzudringen.
Dr. Manfred Wallmann fackelte nicht lange, zog die Pistole und drückte nach einem lauten Warnruf (auf den der Fremde nicht reagierte, sondern sich provozierend noch höher schob) ab, der Kopf des Einbrechers zerplatzte mit einer heftigen Explosion. Blut spritzte in Fontänen aus dem demolierten Schädel und Ulrike Wallmann wurde ohnmächtig. Mit einem Satz war Dr. Manfred Wallmann aus dem Bett, mit der rauchenden Pistole in der Hand rannte er aus der Wohnung (die Tür ließ er offen) und raste um das Haus herum, um sein Vernichtungswerk zu begutachten. Ein dunkel gekleideter Mann schlüpfte durch die offene Tür, zog der bewusstlosen Ulrike Wallmann das Laken unter dem Körper weg und verschwand augenblicklich wieder.
Dr. Manfred Wallmann hatte schon einige Tote (Mordopfer) gesehen, aber dieser Mann war anders. Er sah aus, als wäre er nur noch die Hülle eines Körpers, der wahrscheinlich durch den Blutverlust auf gerade einmal zwei Zentimeter Höhe geschrumpft war. Als er mit der gezogenen Waffe vorsichtig näher kam stellte er überrascht fest, dass der Erschossene eine Gummipuppe, und das Blut, welches sich über seinen Körper verteilt hatte, Farbe war. Mit einem unguten Gefühl eilte er ins Schlafzimmer zurück, das Bettlaken war weg.
Dietmar Dietrich hatte vorher die Leiter an die Wand unter dem Fenster gelehnt, sich die mit Farbe gefüllte Gummipupe auf die Schultern gesetzt und war langsam hoch gestiegen, als der Schuss fiel sprang er zu Boden und versteckte sich hinter einem Gebüsch, als Dr. Manfred Wallmann aus dem Haus stürmte war der Weg für ihn frei.