Читать книгу Alte Hausmärchen - Humorvoll, spannend und zeitgemäß für Erwachsene neu erzählt, Band 1 - Jörn Kolder - Страница 14

Stiefmütter können nerven

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Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Frau an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich ‚hätt ich ein Kind so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen.’ Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Und wie das Kind geboren war, starb die Königin. (18)

Bettina Hauswald hatte schon immer Interesse am Sticken gehabt. Wenn der Arbeitstag allzu stressig gewesen war setzte sie sich gern ans Fenster und bewegte die Nadel flink und geschickt und die Deckchen, die sie anfertigte, fanden auf dem Wochenmarkt immer schnell ihre Käufer. Diese entspannende Tätigkeit half ihr auch über die Schwangerschaftsbeschwerden hinweg zu kommen, sehr oft war ihr jetzt übel und nicht selten erbrach sie sich und von ihrer Gynäkologin wusste sie auch, dass die Geburt nicht einfach werden würde und sie als Risikopatientin galt. Diese Gedanken gingen ihr im Kopf herum als sie wieder einmal an einem Deckchen arbeitete. Sie stach sich mit der Nadel in den Finger, nicht tief, aber drei Tropfen Blut fielen auf ihre helle Jeans. Ach, wie wünsche ich mir ein Kind, das schöne helle und makellose Haut hat, schöne rote Wangen und schwarze Haare und gesund ist dachte sie sich und klebte ein Pflaster auf die winzige Wunde.

Olaf Hauswald fuhr seine Frau in die Klinik und ahnte nicht, dass er diese wenige Stunden später zwar als Vater einer Tochter, aber auch als Witwer verlassen sollte. Die Ärztin im Praktikum war total überfordert gewesen und die erfahrene Hebamme traute sich nicht, die junge Frau auf die drohenden Anzeichen einer Gefährdung der Gebärenden hinzuweisen. Bettina Hauswald starb, nachdem Anja, ihre Tochter auf der Welt war, an inneren Blutungen. Olaf Hauswald haderte mit seinem Schicksal und die ersten Tage kam er nur mit viel Alkohol über die Runden, seine Freunde indes fingen ihn auf und nach drei Monaten hatte er diese Krise überstanden und widmete sich neben seiner Arbeit ganz der kleinen Anja, die jetzt den Mittelpunkt seines Lebens bildete. Das Mädchen wuchs heran und Olaf wollte nicht mit Mitte Zwanzig ohne Frau bleiben, so dass er sich umsah.

Seine Eltern nahmen Anja an den Wochenenden zu sich, so dass er Zeit hatte, zum Tanz zu gehen. Er war groß gewachsen und schlank, die runde Brille gab ihm etwas Intellektuelles und seine Umgangsformen waren ordentlich, so dass er sich nie einen Korb holte. Da er immer das gleiche Lokal besuchte fiel ihm bald eine zierliche und sehr gut aussehende Frau mit blonden Haaren auf, die er nach dem Tanz gern zu einem Cocktail einlud. Sie kamen sich schnell näher. Heidrun, wie die junge Frau hieß, übernachtete nach kurzer Zeit bei ihm und auch im Bett harmonierten sie, so dass sie ein gutes Jahr nach dem Tod von Bettina Hauswald bei ihm einzog. Heidrun hatte die Angewohnheit, bevor sie mit ihm schlief, sich nackt vor den großen Spiegel im Schlafzimmer zu stellen und sich darin zu betrachten, sie drehte sich davor und begutachtete sich.

Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine schöne Frau, aber sie war stolz und übermütig, und konnte nicht leiden, daß sie an Schönheit von jemand sollte übertroffen werden.

Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie: (19)

„Meinst du nicht auch, dass meine Titten sensationell sind und der Hintern perfekt ist, mein schönes Haar passt doch wunderbar zu meinem symmetrischen Gesicht. Das ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen mit so einem Gesicht attraktiver wirken, also ich finde mich selbst sehr anziehend. Da haben die anderen Weiber doch keine Chance, oder?“

Olaf Hauswald war extrem scharf auf sie weil sie neben ihrem tollen Aussehen im Bett auch noch experimentierfreudig war und ihn in den verschiedensten Stellungen zur Weißglut trieb.

„Komm her, du bist die schönste Frau die ich jemals gesehen habe, ich will dich jetzt haben! Keine andere könnte neben dir bestehen, komm zu mir“ sagte er erregt und sie tat, was er wollte. Ihr Liebesleben war berauschend und lenkte ihn von einigen unschönen Angewohnheiten Heidruns ab. Die Frau trat anderen gegenüber gern überheblich auf (weil sie sich auf ihren Job bei einer Klatschzeitung eine Menge einbildete), hielt sich für prädestiniert, Schönheitskönigin zu werden (leider scheiterte sie mehrmals bei diesem Wettbewerb) und war ständig damit beschäftigt, immer neue Kosmetika auszuprobieren, was mächtig ins Geld ging. Ihre Besuche im Solarium führten anfangs dazu, dass sie noch attraktiver wirkte aber mit der Zeit übertrieb sie es, so dass ihre Haut nach und nach geschädigt wurde.

Auch bei Olaf und Heidrun hielt der Alltag Einzug und die anfängliche Leidenschaft flaute ab. Zwar hielt er sie immer noch für sehr anziehend aber für seine Tochter, die jetzt elf geworden war, fand er immer mehr Zeit und unternahm mit ihr in seiner Freizeit viele Dinge, während Heidrun sich im Solarium oder in der Sauna aufhielt. Er stellte fest, dass das Mädchen die lieblichen Züge ihre Mutter trug und obwohl sie dünn wie ein Stock war wusste er, dass sie später mit ihren schon zu erkennenden langen Beinen und dem lockigen Haar die Kerle um den Verstand bringen würde. An Heidrun waren die Jahre indes nicht spurlos vorbei gegangen und als sie sich eines Abend wieder nackt vor dem Spiegel drehte stellte sie verärgert fest, dass ihre Brüste zwar noch schön anzusehen waren, aber ein ganzes Stück tiefer hingen als noch vor einigen Jahren. Die Cellulite schritt auch fort und die ständigen Besuche im Solarium hatten erste Falten in ihr Gesicht eingegraben.

„Wie sehe ich aus“ wollte sie von Olaf wissen.

„Klasse“ sagte er (denn er wollte sie ins Bett bekommen).

„Mehr fällt dir nicht ein“ fragte sie lauernd.

„Na ja, du bist keine achtzehn mehr, aber für dein Alter sehr attraktiv. Da kann man eben nicht mehr so eine Haut haben wie Anja“ antwortete er unvorsichtiger weise.

„Was“ fuhr ihn Heidrun an „du vergleichst mich mit deiner Tochter, so ein Schwachsinn! Die Weiber, die so alt sind wie ich, können mit mir doch gar nicht mithalten, oder?“

„Natürlich“ beeilte sich Olaf ihr zu versichern „du bist eine scharfe Tussi, komm jetzt, du machst mich an.“

„Vergiss’ es“ sagte Heidrun kalt „ich habe Kopfschmerzen.“

Mit diesen Worten kam sie ins Bett, drehte ihm jedoch den Rücken zu und tat so, als würde sie schlafen. Olaf lag grübelnd (und mit einer mächtigen Erektion) neben ihr und versuchte einen Weg zu finden, wie er sie sich wieder gewogen machen konnte.

Das Verhältnis zwischen Heidrun und Anja war nicht das Beste, deswegen hatte die Frau auch so gereizt reagiert. Anja hatte die ersten Schuljahre mit Bravour absolviert und ihrer Klassenleiterin war ihre besondere Begabung in Mathematik nicht verborgen geblieben, zum letzten Elternabend nahm sie Olaf zur Seite und sprach mit ihm.

„Herr Hauswald, Anja ist überdurchschnittlich intelligent, ich würde es gern sehen, dass man ihre Begabung noch mehr fördert, das ist bei uns an der Schule leider nicht möglich, so was geht nur in einem Internat für Hochbegabte. Denken Sie mal drüber nach.“

Olaf Hauswald dachte in dieser Nacht darüber nach.

Alte Hausmärchen - Humorvoll, spannend und zeitgemäß für Erwachsene neu erzählt, Band 1

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