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II Bibelwissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse – Zur Frage entsprechender Annäherungen an koranisches Textgut 1 Alttestamentliche Prophetenbücher und die Frage ihrer Genese 1.1 Grundzüge der älteren wissenschaftlichen Forschung

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Lässt man die Forschungsgeschichte Revue passieren, so wird deutlich, dass man, solange man weiterhin Vorgaben der Tradition wie auch theologisch-dogmatische Kriterien berücksichtigte, kaum wissenschaftlich haltbare Aussagen zu den Hintergründen der komplizierten Textverhältnisse in den Prophetenbüchern erreichen konnte.

Wie oben bereits dargelegt, galten die alttestamentlichen Schriften bis ins 18. Jh. generell als „inspiriert“ und somit als „Wort Gottes“, und zwar in der kanonisch überlieferten Version. Schließlich konnte man sich von diesem Dogma freimachen, weil nach genauen Analysen der Textverhältnisse diese Auffassung nicht mehr haltbar war; denn man stieß immer mehr auch auf Textgut, das nicht dem jeweiligen Propheten zugewiesen werden konnte. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jh.s gingen jedoch die wichtigsten Repräsentanten der Erforschung der alttestamentlichen Prophetenbücher davon aus, dass immer noch die größeren Textanteile eines Prophetenbuches aus der Hand des betreffenden Propheten oder zumindest aus dessen Schülerkreis stammen mussten.

Nachdem man z.B. für das Jesaja-Buch (Kap. 1–66) feststellen musste, dass die Kapitelfolge 40–66 nicht aus der Hand des im letzten Drittel des 8. Jh.s v.Chr. wirkenden Propheten Jesaja stammen konnte, war klar, dass authentisches Textgut nur noch in Kap. 1–39 enthalten sein konnte. Hier stand man alsbald vor der Problematik, dass selbst nach Abzug eindeutig erst sekundär eingeschalteter Texteinheiten weiterhin auffällige Spannungen und Widersprüche die Herleitung des verbliebenen Textguts gänzlich aus der Hand ein und desselben Jesaja nicht gerade plausibel erscheinen ließen. Da nun das Jesaja-Buch selbst in der Einleitung 1, 1 auf eine äußerst lange Wirkungszeit verweist, meinte man als plausible Erklärung für divergierende Aussageausrichtungen in den Texten auf unterschiedliche sukzessive Verkündigungsphasen Jesajas verweisen zu können.

Danach wäre der Prophet seiner Grundauffassung vom Gericht Gottes „Zeit seines Lebens treu geblieben, wenn auch die Vorstellungen von der Art des Gerichts bei ihm wechseln. Das planvolle Walten des lebendigen Gottes läßt sich eben nicht in rationale menschliche Begriffe einspannen 28, 23ff. Aus diesem Grunde sind auch die Vorstellungen vom Heil bei Jesaja nicht immer die gleichen. Neben Worten von der völligen Vernichtung hat er doch schon in der Frühzeit die Rettung eines Restes verkündigt …; im syrisch-ephraimitischen Krieg scheint er den Restgedanken auf ganz Juda … bezogen zu haben, später hat er die Trennung zwischen Nation und Religion vollzogen und in dem Rest eine Gemeinde der Gläubigen gesehen 28, 16, ohne die Hoffnung auf die Rettung Jerusalems aufzugeben“117.

Im Falle des Ezechiel-Buches, meinte Zimmerli118, werde man „schon beim Propheten selber neben der mündlichen Verkündigung rhythmisch geformter Worte … mit der Zweitform der lehrhaften Kommentierung und weiteren Ausführung seines Wortes, d.h. mit einer Art ‚Lehrhaus-Betrieb‘, rechnen müssen“. Im Einzelfall sei es allerdings oft unmöglich, „die Grenzlinie festzustellen, an der des Propheten eigene Arbeit in die der Schule übergeht“. Aus der Hand der Schule Ezechiels stamme zweifellos das vorliegende Ezechielbuch. Dabei sei der Prozess der Gesamtredaktion von dem der Fortschreibung nicht mehr säuberlich zu isolieren. Bei der sukzessiven Entstehung des Buches seien zum Teil schon fest abgeschlossene Teilgrößen wie z.B. 1, 1–3, 16a.22–17, 24; 19, 1–24, 27; 33, 21–39, 29∗ zusammengefügt und Zusammenhänge störende Nachträge eingefügt worden (vgl. 113f.∗). Der Endredaktor habe „lieber Störungen der geordneten Reihenfolge der Daten in Kauf genommen, als daß er vorgefundene Textaussagen geändert hätte“ (114∗).

Auch im Fall des Jeremia-Buches blieb die Forschung lange Zeit bei dem Ergebnis, dass das Textgut des Buches überwiegend von Jeremia oder Jeremias „Schreiber“ Baruch herzuleiten sei, obwohl man zugeben musste, dass weder der Prophet noch seine zeitgenössischen Tradentenkreise für die jetzt vorliegenden Buchversionen119 verantwortlich zeichnen können.

Die Prophetenbücher galten in erster Linie als Primärquellen für die Rekonstruktion von Auftreten und Verkündigung der jeweiligen Propheten. Das Interesse konzentrierte sich auf die religiös-politisch wirksame, prophetische Individualität. Das von einem Propheten herleitbare Wort erschien als besonders gewichtig und wertvoll.

Die oben angesprochenen Sicht- und Erklärungsweisen mit dem Ziel, zahlreiches Textgut trotz Spannungen und theologisch divergierender Reflexionshorizonte weiterhin den historischen Propheten zuzuweisen, werden erst seit den 70er Jahren intensiver hinterfragt. Bis dahin war man überwiegend darauf konzentriert bzw. fixiert, möglichst umfangreiches Textgut dem Namengeber des jeweiligen Prophetenbuches zuzuweisen. Offensichtlich herrschte anders als bei den Forschungen zur Genese des Pentateuchs und der alttestamentlichen Geschichtswerke „gerade in der Propheteninterpretation eine besonders starke Hemmung, eine wechselseitige Durchdringung von angeblich authentischer Prophetenbotschaft und nachfolgender redaktioneller Neugestaltung auch nur in Gedanken zuzulassen“120.

Die Entstehung des Korans

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