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1.3.2.6 Redaktionelle Einschaltungen vorgegebener Texteinheiten – Ihr ursprünglicher „Sitz im Leben“ und ihr „Sitz im Prophetenbuch“

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Dass auch mit Textergänzungen dieser Art zu rechnen ist, ergeben z.B. Sondierungen im Jeremia-Buch. Als Beispiel für redaktionelle Verklammerung von vorgegebenen Texteinheiten können die sog. „Konfessionen“ Jeremias140 dienen. Es sind Texte (in üblicher Abgrenzung: Jer 11, 18–12, 6; 15, 10–20; 17, 14–18; 18, 18–23; 20, 7–18), wie sie in den übrigen prophetischen Schriften des ATs nicht auftauchen. Sie können zudem, obwohl in der Ich-Rede gefasst, keinesfalls unter die sonst üblichen prophetischen Redeformen gezählt werden. Es sind Texte, die als Gebete formuliert und an Jahwe als Adressaten gerichtet sind. Insofern erinnern sie an die sog. Klagegebete des Einzelnen im Psalter. Im Kontext des Jeremia-Buches muss sich der Leser natürlich den Propheten Jeremia als den Sprecher dieser Gebete vorstellen141.

In diesen an Jahwe gerichteten Gebeten und Appellen setzt der wegen seiner Jahwetreue angefeindete Beter seine Hoffnung auf ein künftiges Unheilsgeschehen, das Jahwe als Strafgericht an den Feinden des Beters zu einem bestimmten Zeitpunkt herbeiführen möge. Dieser Zeitpunkt steht als „Jahr der Heimsuchung“ (Jer 11, 23), „Tag des Mordens“ (Jer 12, 3), „Tag des Unheils“ (Jer 17, 17f.), „Zeit des Zorns“ Jahwes (Jer 18, 23) vor Augen. Gleiche oder zumindest ähnliche Charakterisierungen eines für die Zukunft erwarteten Unheilsgeschehens lassen sich nur in sehr späten, vorwiegend spätnachexilischen Textschichten der Prophetenbücher nachweisen142. Die sich in diesen Texten äußernde eschatologisch orientierte Frömmigkeit weiß sich ebenso wie der Beter in den „Konfessionen“ durchweg in einem Konflikt mit anderen Richtungen innerhalb des eigenen Volkes. Auch hier stehen im Hintergrund weithin Auseinandersetzungen um den wahren Jahweglauben. Dem Gegeneinander von „Frommen“ und „ Gottlosen“ scheint ein Gegeneinander von Angehörigen der Führungs- bzw. Oberschicht im Volk und solchen Kreisen zu entsprechen, die sich an den Rand gedrängt fühlen. Entsprechend konzentriert sich die Zukunftshoffnung bzw. Gerichtserwartung auf ein künftiges, umfassendes und endgültiges Gerichtshandeln Jahwes, in dem allein die „Frommen“ (die Demütigen, die Armen, die Gerechten etc.), aber nicht die „Gottlosen“ (die Sünder, die Stolzen, die Tyrannen etc.) bestehen werden. Die offensichtliche Nähe der „Konfessionen“ zu diesen spätnachexilischen Texten (spätes 4. Jh. v.Chr.) spricht eindeutig dafür, dass diese „Gebete Jeremias“ erst in einem späten Stadium der Genese des Jeremia-Buches eingeschaltet wurden. Der für die Konzipierung der „Konfessionen“ maßgebliche Erwartungshorizont, nämlich die in den Appellen an Jahwe deutliche eschatologische Orientierung, lässt sich also nicht mit jeremianischer Herkunft vereinbaren.

Für die buchkonzeptionell durchdachte Verklammerung dieser Gebetstexte ist eine eschatologisch orientierte Frömmigkeitsrichtung in spätnachexilischer, wahrscheinlich hellenistischer Zeit verantwortlich. Sie will auf diesem Wege zeigen, dass bereits ein Jeremia die gleichen Nöte und Anfechtungen durchzustehen hatte wie sie selbst und in Gebeten vor Jahwe artikuliert, dass er aber am Ende anders als seine Feinde doch von Jahwe erhört und in seiner Haltung bestätigt worden war. Jeremia wird als Identifikationsfigur in Anspruch genommen143.

Die Entstehung des Korans

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