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cc) Übertragung durch Erwerb von Todes wegen (S 2 Nr 1, 2. Alt)
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Durch die iRd SEStEG erfolgte Erweiterung des § 6 Abs 1 S 2 Nr 1 auf Erwerbe von Todes wegen, hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die iRd Unternehmensnachfolgeplanung insb wegen der hohen Mobilität der gegenwärtigen Erbengeneration erhebliche Bedeutung erlangt.[155] Erschwerend tritt hinzu, dass § 6 Abs 1 S 2, 2. Alt handwerklich misslungen ist und sich hieraus – insb im Hinblick auf die vielfältigen erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten – verschiedene Rechtsunsicherheiten ergeben.[156]
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Zunächst enthält der Tatbestand eine verunglückte Formulierung, da eine „Übertragung durch Erwerb“ einen rechtlich in sich widersprüchlichen kausalen Zusammenhang herstellt.[157] Die Formulierung ist dahin zu verstehen, dass der Tatbestand verwirklicht sein soll, wenn Anteile von einer nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Person von Todes wegen erworben werden. Da der Wortlaut sowohl die Perspektive des Erblassers („Übertragung“) als auch die seines Rechtsnachfolgers („Erwerb“) beinhaltet, ist dem Tatbestand nicht eindeutig zu entnehmen, wer von beiden „StPfl“ hinsichtlich der Vermögenszuwachsteuer sein soll. Die Entsch ist nicht von bloß theoretischer Bedeutung. Nur wenn man den Erblasser als StPfl ansieht, kann grds die auf den Erben gem § 45 AO übergehende Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer (§ 10 Abs 5 Nr 1 ErbStG) mindern.[158] Hierdurch ließe sich die Doppelbelastung von Vermögenszuwachs- und Erbschaftsteuer bereits auf diesem Wege mildern. Soweit dies nicht möglich ist, bietet § 35b EStG in der Fassung des ErbStRG[159] eine Ermäßigung der Einkommensteuer. Stellte man auf den Erben als StPfl ab, so könnte sich dieser – bei Ansässigkeit in einem DBA-Staat – auf einen etwaigen DBA-Schutz gegenüber einer Besteuerung berufen.[160] Unter Hinweis darauf, dass die Gesamtrechtsnachfolge des Erben weniger eine „Übertragung“, sondern vielmehr ein Vonselbsterwerb in Form des gesetzlichen Vermögensübergangs sei, wird zT auf den Erben als StPfl abgestellt.[161] Systematisch überzeugender erscheint es jedoch, auf den Erblasser als StPfl abzustellen.[162] Der Gesetzgeber hat offenbar zur Erfassung der Erbfälle durch § 6 den erbschaftsteuerlichen Begriff des „Erwerb von Todes wegen“ ohne weitere Überlegungen in § 6 Abs 1 S 2 Nr 1 eingefügt und den Widerspruch einer „Übertragung durch Erwerb“ nicht erkannt. Daher ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber wie bei der Schenkung davon ausgeht, dass der bisherige Anteilseigner (Schenker bzw Erblasser) Steuerschuldner sein soll. Zudem kann § 6 Abs 3 S 3 und § 6 Abs 7 S 1 entnommen werden, dass der Gesetzgeber den Erblasser als StPfl betrachtet, da dort ausdrücklich zwischen dem (Gesamt-)Rechtsnachfolger (Erben) und dem StPfl unterschieden wird. In der Konsequenz besteuert § 6 Abs 1 S 2 Nr 1 die stillen Reserven in der letzten logischen Sekunde vor dem Ableben des Erblassers, die Verpflichtung aus dem Steueranspruch geht mit der Vererbung auf die Erben über.[163]
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Die für unentgeltliche Übertragungen erörterte mögliche Gesetzeslücke (vgl Rn 80) im Falle des Doppelwohnsitzes des Schenkers gilt entspr auch bei Erbfällen. Nach dem klaren Wortlaut kann man das Merkmal des Übergangs auf „nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen“ auch nicht einfach durch das Erfordernis eines Ausschlusses oder einer Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts ersetzen.[164] In der Praxis dürfte die FinVerw sich jedoch zurecht auf den Auffangtatbestand des § 6 Abs 1 S 2 Nr 4 stützen können,[165] auch wenn die Wortlautkonformität dieser Auslegung („anderes Ereignis“) zweifelhaft ist (vgl Rn 80).
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Der Begriff „Erwerb von Todes wegen“ ist offenbar § 3 Abs 1 ErbStG entnommen.[166] Von § 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 2. Alt werden danach nicht nur Erwerbe durch Erbanfall (§ 1922 BGB), sondern auch solche durch Vermächtnis (§§ 2147 ff BGB), ein geltend gemachter Pflichtteilsanspruch (§ 2303 ff BGB) oder der Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB) umfasst. Es sollten also offenbar nicht nur Erwerbe durch Erbanfall, sondern auch solche des Nachlasses erfasst werden. Tatbestandsmäßig sind damit nicht nur Vermögensübertragungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) sondern auch der Erwerb von schuldrechtlichen Ansprüchen (zB Vermächtnis) gegen den oder die Erben.[167]
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Auch wenn der Begriff „Erwerb von Todes wegen“ dem Erbschaftsteuerrecht zu entnehmen ist, welches grds an zivilrechtliche Begrifflichkeiten anknüpft, erfordert § 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 2. Alt eine dem Sinn und Zweck des § 6 entspr ertragsteuerrechtliche Auslegung, mithin eine Anwendung nur auf Sachverhalte die keine Veräußerungen sind.[168]
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Die Übernahme des erbschaftsteuerlichen Begriffs des „Erwerb von Todes wegen“ führt zT zu Rechtsunsicherheiten bzw sachwidrigen Ergebnissen, wie folgende Beispiele zeigen.
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Beispiel:[169]
Der allein im Inland unbeschränkt steuerpflichtige X vererbt testamentarisch seinem allein in den USA seit 12 Jahren unbeschränkt steuerpflichtigen Sohn Y sein Vermögen, in dem sich auch eine wesentliche Beteiligung an einer dt KapGes befindet, die wertmäßig die Hälfte des Nachlasses ausmacht. Das Testament sieht jedoch ein Vermächtnis hinsichtlich der Kapitalgesellschaftsbeteiligung zugunsten des allein in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Z vor.
Lösung:
Das Vermögen des X geht zunächst im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) auf den Y über, der Nachlass ist aber mit dem schuldrechtlichen Vermächtnisanspruch des Z belastet. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1, 2. Alt ist durch den Vermögensübergang auf Y erfüllt, auch wenn dieser seiner Verpflichtung aus dem Vermächtnisanspruch umgehend nachkommt und das Besteuerungsrecht Deutschlands an den Gewinnen aus einer Veräußerung der Beteiligung wieder begründet wird. Die Festsetzung der Vermögenszuwachssteuer widerspricht in diesem Fall dem Zweck der Norm und produziert nur unnötigen Verwaltungsaufwand. Da iF des Vermächtnisses auch einkommensteuerlich grds von einem Durchgangserwerb des Erben ausgegangen wird,[170] wird man in der Praxis davon ausgehen müssen, dass die Annahme eines Direkterwerbs des Vermächtnisnehmers im Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 2. HS ausscheidet. Sachgerecht ist diese Lösung nicht. Auch ließe sich im Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 S 2 Nr 1 ein solcher Direkterwerb durchaus begründen, da der Gesetzgeber den Begriff „Erwerb von Todes wegen“ dem Erbschaftsteuerrecht entnommen hat (s Rn 84) und man dort – wie im Zivilrecht – von einem Erwerb des Vermächtnisnehmers vom Erblasser ausgeht.[171] Die FinVerw ist angehalten, zumindest eine Billigkeitslösung bereitzustellen, wonach im vorliegenden Fall jedenfalls bei Erfüllung des Vermächtnisanspruchs innerhalb einer bestimmten Frist (zB 6 Monate)[172] keine Vermögenszuwachsteuer festgesetzt wird.
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Zu sachwidrigen Ergebnissen kann es auch bei einem Erwerb einer Beteiligung iSv § 17 Abs 1 EStG durch eine Erbengemeinschaft kommen. Erwirbt eine Erbengemeinschaft einen Anteil, so ist ein Erwerb von Todes wegen iSv § 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 2. HS grds gegeben, soweit nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen Miterben sind[173] und – nach der hier vertretenen Auffassung (dazu Rn 5 ff, 56 ff) – das dt Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerungsgewinne insoweit ausgeschlossen oder beschränkt wird.
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Beispiel:
Im og Bsp (Rn 87) ist Z nicht Vermächtnisnehmer, sondern Miterbe des Y mit einem Erbanteil von 50 %. Die zeitlich unmittelbar nachfolgende tatsächliche Erbauseinandersetzung findet dergestalt statt, dass Z die Kapitalgesellschaftsbeteiligung erhält und Y die übrigen Nachlassgegenstände.
Lösung:
Zunächst ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1, 2. HS bzgl der hälftigen Beteiligung erfüllt, da insoweit eine gesamthänderische Mitberechtigung des Y an dem Kapitalgesellschaftsanteil besteht.[174] Insoweit wird wegen der einkommensteuerlich vorzunehmenden Trennung zwischen Erbanfall und Erbauseinandersetzung[175] die tatsächliche Erbauseinandersetzung ignoriert. Fraglich ist, wie die tatsächliche Auseinandersetzung, bei der der Kapitalgesellschaftsanteil vollständig in die dt Steuerhoheit zurückkehrt, zu behandeln ist. War Y – abw vom Bsp – in einem EU-Staat ansässig und die Steuer gestundet, entfällt der Steueranspruch rückwirkend gem § 6 Abs 3 S 4 Nr 2, da die tatsächliche Erbauseinandersetzung als „anderes Ereignis“ anzusehen ist.[176] In den übrigen Fällen erscheint eine analoge Anwendung des § 6 Abs 3 S 3 nach dem Schluss a maiore ad minus sachgerecht.[177] Jedenfalls ist auch hier von der FinVerw Klarheit zu schaffen und sachgerecht eine Vermögenszuwachsbesteuerung nicht festzusetzen, wenn die Erbauseinandersetzung innerhalb einer bestimmten Frist (zB 6 Monate) erfolgt.[178] Setzen sich danach die Erben innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall derart auseinander, dass der im Ausland ansässige Miterbe die Beteiligung nicht übernimmt, sollte von Beginn an von einer Festsetzung der Wegzugsteuer abgesehen werden. Ansonsten sollte – soweit nicht eine Stundung nach § 6 Abs 5 in Betracht kommt – die FinVerw von der Stundungsmöglichkeit gem § 222 AO Gebrauch machen, da bei einer Erbengemeinschaft die Anwendung von § 6 zu einer sachlichen Härte führte, wenn nicht entspr ein zeitlicher Spielraum zur Auseinandersetzung verbliebe.[179]
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Beispiel:
Im og Beispiel (Rn 87) ist Z nicht Vermächtnisnehmer, sondern Miterbe des Y mit einem Erbanteil von 50 %. X hat jedoch eine Teilungsanordnung vorgesehen, wonach Z die gesamte Kapitalgesellschaftsbeteiligung erhalten soll und Y die übrigen Nachlassgegenstände.
Lösung:
Auch insoweit ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1, 2. HS bzgl der hälftigen Beteiligung erfüllt, da insoweit eine gesamthänderische Mitberechtigung des Y besteht. Auch insoweit wird wegen der einkommensteuerlich vorzunehmenden Trennung zwischen Erbanfall und Erbauseinandersetzung[180] die Teilungsanordnung ignoriert. Dies ist ebenso wenig sachgerecht wie eine entspr Behandlung des Vermächtnisnehmers. Die im og Bsp aufgezeigten Lösungsvorschläge gelten auch hier.
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Beispiel:
Im og Bsp (Rn 89) wird die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt, indem der im Ausland ansässige Y die gesamte Kapitalgesellschaftsbeteiligung erhält.
Lösung:
Die Beteiligung des Y an der Erbengemeinschaft hat bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bzgl einer Hälfte der Kapitalgesellschaftsbeteiligung die Vermögenszuwachsteuer gem § 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 2. HS ausgelöst. Durch die hier vorgenommene Auseinandersetzung erwirbt er nun auch die andere Hälfte. Fraglich ist nun, ob dieser Hinzuerwerb eine unentgeltliche Übertragung unter Lebenden (§ 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 1. HS) von Z oder einen Erwerb von Todes wegen (§ 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 2. HS) von X darstellt.[181] Dies hat nicht nur Bedeutung für die Frage, wem gegenüber die Steuer festzusetzen ist (Z als Schenker oder Y und Z als Rechtsnachfolger des X), sondern auch, ob bei einem späteren Zuzug des Y nach Deutschland innerhalb von fünf Jahren die Vermögenszuwachssteuer entfällt oder nicht, da § 6 Abs 3 S 3 grds nur die Fälle des § 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 2. HS erfasst (s Rn 155). Da der Erbe bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht vom Erblasser, sondern von der Erbengemeinschaft unentgeltlich erwirbt (§ 2042 Abs 2 iVm § 752 BGB), scheint die für den Erben ungünstigere Auslegung der Erbauseinandersetzung als unentgeltliche Übertragung unter Lebenden nahe zu liegen, unabhängig davon, ob die Auseinandersetzung aufgrund einer Teilungsanordnung oder freiwillig erfolgt.[182] Auch insoweit ist von der FinVerw eine sachgerechte Lösung zu fordern.
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Besonders deutlich wird die Unzulänglichkeit des Gesetzes auch in den Fällen der Vor- und Nacherbschaft unter Beteiligung eines nicht unbeschränkt StPfl. Insb die Frage, wie der Nacherbfall und der Nacherbe im Anwendungsbereich des § 6 zu behandeln sind, ist ungeklärt.[183]