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b) Wechsel der abkommensrechtlichen Ansässigkeit (Nr 2)

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Der Ersatztatbestand des § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 findet Anwendung, wenn der Anteilsinhaber in einen DBA-Staat verzieht, im Inland – in Abgrenzung zu Abs 1 S 1 – weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig bleibt, jedoch auf Grund der Begründung eines Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts oder durch Erfüllung eines anderen ähnlichen Merkmals in dem anderen Vertragsstaat nach dem anwendbaren DBA als abkommensrechtlich ansässig gilt. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn die abkommensrechtliche Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat begründet ist. Dieser Zeitpunkt muss nicht notwendigerweise mit der Wohnsitznahme usw im anderen Vertragsstaat zusammenfallen.[184]

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Die Regelung zielt va auf die Fälle, in denen das dt Besteuerungsrecht trotz weiterhin bestehender unbeschränkter StPfl im Inland verlorengeht, wenn der StPfl nach der sog tie-breaker-rule (vgl Art 4 Abs 2 MA) als im anderen Vertragsstaat ansässig gilt und das Besteuerungsrecht hierdurch auf den anderen Vertragsstaat übergeht. Ist in dem jeweiligen DBA eine dem Art 13 Abs 5 MA vergleichbare Regelung enthalten, geht das dt Besteuerungsrecht idR verloren, da sich das Besteuerungsrecht insoweit nach der Ansässigkeit des StPfl iSv Art 4 MA richtet. In diesem Fall ist § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 unzweifelhaft erfüllt.

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Beispiel:

Die natürliche Person A, zu 100 % an der inländischen D-GmbH (kein Immobilienvermögen) beteiligt, verzieht – unter Beibehaltung eines Wohnsitzes und einer ständigen Wohnstätte in Deutschland – nach Kroatien und nimmt dort den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen ein.

Lösung:

A ist zwar weiterhin auf Grund seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, er gilt aber gem Art 4 Abs 2 DBA/Kroatien als abkommensrechtlich in Kroatien ansässig. Bei einer späteren Veräußerung der D-GmbH wird der Gewinn in Kroatien besteuert und in Deutschland unter Progressionsvorbehalt freigestellt (Art 13 Abs 5, Art 23 Abs 1 Buchstabe a DBA/Kroatien). § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 ist erfüllt.

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Die nach dem jeweiligen DBA zu beurteilende „Ansässigkeit“ im anderen Vertragsstaat kann auf Grund bes Regelungen ausgeschlossen sein und zu einer Nichtanwendung bzw zu einer verzögerten Verwirklichung des § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 führen.

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Beispiel:

Die natürliche Person A, zu 100 % an der inländischen D-GmbH beteiligt, verzieht – unter Beibehaltung eines Wohnsitzes und einer ständigen Wohnstätte in Deutschland – in die Schweiz und nimmt dort den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen ein. In der Schweiz unterwirft A sich der sog pauschalierten Besteuerung nach dem Aufwand.[185] Acht Jahre später wechselt A in der Schweiz in die sog modifizierte Aufwandssteuer.[186]

Lösung:

Solange A nach seinem Wegzug in die Schweiz der pauschalierten Aufwandssteuer unterliegt, gilt A gem Art 4 Abs 6 DBA/Schweiz als nicht in der Schweiz ansässig, dh die Abkommensregelungen entfalten insgesamt in diesem Zeitraum keine Schutzwirkung. Erst unmittelbar nach dem Wechsel zur modifizierten Aufwandssteuer begründet A seine abkommensrechtliche Ansässigkeit in der Schweiz. Ob hierdurch jedoch der Entstrickungstatbestand des § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 ausgelöst wird, bleibt zweifelhaft, da man streng genommen erst in dem Wechsel in die modifizierte Aufwandsbesteuerung das zur Begründung der Ansässigkeit kausale Ereignis („auf Grund dessen“) erblicken kann. Jedenfalls ist aber § 6 Abs 1 S 2 Nr 4 erfüllt („anderes Ereignis“).

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Wendet man § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 wortlautgetreu an, erfasste dessen Anwendungsbereich auch Fälle in denen es mangels Wechsels des Besteuerungsrechts zu keiner Entstrickung kommt.[187] In diesen Fällen ist § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 nach der hier vertretenen Auffassung (dazu Rn 5 ff, 56 ff) nicht erfüllt, da auch insoweit eine Beschränkung oder ein Ausschluss des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich der Veräußerungsgewinne erforderlich ist.[188] So können etwa besondere abkommensrechtliche Klauseln ein deutsches Besteuerungsrecht erhalten,[189] wie insb sog Sitzstaatklauseln (s Rn 24).

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Beispiel:

Die natürliche Person A, zu 100 % an der inländischen D-GmbH beteiligt, verzieht – unter Beibehaltung ihres Wohnsitzes und einer ständigen Wohnstätte in Deutschland – nach Mexiko und nimmt dort den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen ein.

Lösung:

A ist weiterhin auf Grund seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. A gilt zwar nach Art 4 Abs 2 DBA/Mexiko als abkommensrechtlich in Mexiko ansässig. Bei einer späteren Veräußerung der D-GmbH wird das dt Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerungsgewinne nicht durch das DBA/Mexiko entzogen, da Deutschland den Gewinn als Sitzstaat der D-GmbH weiter besteuern kann (Art 13 Abs 3 DBA/Mexiko). Mexiko rechnet die dt Steuer an (Art 23 Abs 2 DBA/Mexiko). Die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 sind dem Wortlaut nach gegeben, obwohl Deutschland den Veräußerungsgewinn uneingeschränkt besteuern kann. Nach der hier vertretenen Auffassung ist § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 hingegen nicht erfüllt.

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Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 erfüllt ist, wenn die Ansässigkeit des StPfl in dem anderen Vertragsstaat erst durch den Abschluss eines neuen DBA zwischen Deutschland und dem Zuzugsstaat nach dem Wegzug des StPfl eintritt und das Besteuerungsrecht durch eine Art 13 Abs 5 MA entspr Regelung ausgeschlossen wird. Bereits der Wortlaut spricht insoweit dagegen,[190] als die Ansässigkeit „auf Grund“ der Begründung eines Wohnsitzes, des gewöhnlichen Aufenthalts oder eines sonstigen Merkmals eingetreten sein muss. Dieser Zusammenhang besteht nicht, wenn die Ansässigkeit erst später durch den Abschluss eines neuen DBA begründet wird (zur Anwendung von § 6 Abs 1 S 2 Nr 4 s Rn 107).

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Nach dem Gesetzeswortlaut („eines anderen ähnlichen Merkmals“) kann eine Ansässigkeit iSv § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 neben der Wohnsitznahme oder dem gewöhnlichen Aufenthalt im anderen Vertragsstaat auch durch ein diesen Merkmalen ähnliches Merkmal begründet werden. Ein solches „ähnliches“ Merkmal dürfte zB in Fällen des Anknüpfens der unbeschränkten StPfl an die Staatsangehörigkeit, einen bestimmten Visa-Status oder die Arbeitserlaubnis zu verneinen sein, da diesen Merkmalen die notwendige Ortsbezogenheit fehlt.[191]

Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen

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