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1. Vorbemerkung

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§ 6 Abs 3 legt die Voraussetzungen für einen rückwirkenden Entfall des Steueranspruchs iSv § 6 Abs 1 fest. Die in Folge des Wegzugs entstehende Steuer gem § 6 Abs 1 kann zwischenzeitlich gem § 6 Abs 4 (dazu Rn 168 ff) gestundet werden.

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Wurde der Steueranspruch nach § 6 Abs 5 (dazu Rn 185 ff) gestundet, ist ein rückwirkender Entfall des Steueranspruchs grds zeitlich unbegrenzt möglich (vgl § 6 Abs 3 S 4). Jenseits dessen ist dies nur möglich, wenn es sich um einen Fall der „vorübergehenden Abwesenheit“ des gem § 6 Abs 1 S 1 physisch weggezogenen StPfl handelt (§ 6 Abs 3 S 1 und S 2). Hierunter fallen die Sachverhalte, in denen der StPfl nur zeitlich begrenzt ins Ausland verzieht, es aber zu einer späteren Rückkehr nach Deutschland kommt. Hierfür sieht das Gesetz eine Befristung auf fünf Jahre vor, die auf höchstens zehn Jahre verlängert werden kann.[243]

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Beruht der Steueranspruch auf der Verwirklichung eines Ersatztatbestandes gem § 6 Abs 1 S 2 Nr 2–4 findet § 6 Abs 3 zugunsten der StPfl oder deren Rechtsnachfolger nach dem Wortlaut keine Anwendung. Es bliebe – neben der Stundungsmöglichkeiten gem § 6 Abs 4 – nur ein Antrag auf Stundung gem § 222 AO unter Darlegung einer dem § 6 Abs 3 vergleichbaren Situation.[244] Lediglich die Rückkehr des Rechtsnachfolgers des StPfl innerhalb von fünf Jahren nach einem entstrickenden Erwerb von Todes wegen (§ 6 Abs 1 S 2 Nr 1) führt nach dem Wortlaut ebenfalls zu einem rückwirkenden Entfall des Steueranspruchs (§ 6 Abs 3 S 3). Zumindest iF des § 6 Abs 1 S 2 Nr 1, 1. Alt (unentgeltliche Übertragung unter Lebenden) und Nr 2 (Wechsel der abkommensrechtlichen Ansässigkeit) stößt diese Beschränkung auf verfassungsrechtliche Bedenken. Warum der Stpfl, der abkommensrechtlich wieder in Deutschland ansässig wird, bzw der Beschenkte, der die unbeschränkte StPfl im Inland begründet, von § 6 Abs 3 nicht begünstigt wird, lässt sich nicht rechtfertigen.

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Steuersystematisch ist § 6 Abs 3 nach seinem Wortlaut wenig stringent. Es dürfte ohne Zweifel sein, dass § 6 Abs 3 teleologisch einen Entfall des Steueranspruchs nach § 6 Abs 1 nur dann herbeiführen will, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile wieder in dem Maße hergestellt wird, wie es vor der Entstrickung bestand (sog Wiederverstrickung). Der Gesetzgeber schwankt insoweit auf den ersten Blick zwischen der Wiederbegründung der unbeschränkten StPfl (§ 6 Abs 3 S 4 Nr 1), der Wiederbegründung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit (§ 6 Abs 3 S 1, S 3) und der Wiederbegründung des inländischen Besteuerungsrechts bzw dessen einschränkungsloser Wiederherstellung (§ 6 Abs 3 S 4 Nr 2). Nach Sinn und Zweck ist der Entfall des Steueranspruchs nur vorzusehen, wenn das ursprünglich dt Besteuerungsrecht wiederhergestellt wird.[245] Denn wie iRd Entstrickungstatbestände der Steueranspruch nach dem Wortlaut ansonsten sinnwidrig ausgelöst werden kann, wenn das inländische Besteuerungsrecht weder ausgeschlossen noch beschränkt wird, kann es zu einem Entfall des Besteuerungsrecht gem § 6 Abs 3 kommen, obwohl Deutschland sein Besteuerungsrecht nicht (vollständig) wiedererlangt hat.

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Nach der hier vertretenen Ansicht, nach der ein Entstrickungstatbestand iSv § 6 Abs 1 in jedem Fall nur bei einem Verlust oder einer Beschränkung des dt Besteuerungsrechts ausgelöst wird (dazu Rn 5 ff, 56 ff, 107), kommt es iRd § 6 Abs 3 in der Konsequenz allein darauf an, ob das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerungsgewinne wieder begründet wird oder nicht mehr beschränkt ist. Diese Ansicht lässt sich systematisch auf die Formulierung des § 6 Abs 3 S 4 Nr 2 („…auf Grund eines anderen Ereignisses…“) stützen, da diese Formulierung bei richtiger Lesart davon ausgeht, dass es in den übrigen Fällen des § 6 Abs 3 ebenfalls einer Wiederverstrickung der Anteile bedarf. Der Wortlaut verbietet diese Auslegung daher nicht.[246] Dass nur diese Ansicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen dürfte, zeigt folgendes Bsp:

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Beispiel:

Die natürliche Person A, zu 100 % an einer ausländischen KapGes mit Sitz im Staat B beteiligt, gibt in 2001 ihre unbeschränkte StPfl in Deutschland auf und verzieht nach B. Das DBA zwischen Deutschland und B weist Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der KapGes zu (vgl Art 13 Abs 5 OECD-MA). A kehrt innerhalb von fünf Jahren nach dem Wegzug in die unbeschränkte StPfl in Deutschland zurück und wird im Inland auch abkommensrechtlich ansässig. Vor der Rückkehr nach Deutschland wird das DBA zwischen Deutschland und B dahingehend geändert, dass der Sitzstaat der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, die Veräußerungsgewinne besteuern kann. Der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers kann die Veräußerungsgewinne zwar ebenfalls besteuern, muss die ausländische Steuer aber anrechnen.[247]

Lösung:

Durch den Wegzug in 2001 wird der Steueranspruch nach § 6 Abs 1 S 1 ausgelöst, da A aus der inländischen unbeschränkten StPfl ausscheidet. Durch die Rückkehr von A nach Deutschland würde nach dem Wortlaut der Steueranspruch rückwirkend gem § 6 Abs 3 S 1 entfallen, da A in Deutschland wieder unbeschränkt steuerpflichtig geworden und im Inland auch abkommensrechtlich ansässig geworden ist. Anders als vor dem Wegzug ist das deutsche Besteuerungsrecht jedoch nun abkommensrechtlich durch die Anrechnungsverpflichtung beschränkt, dh es wird durch die Rückkehr von A nicht vollumfänglich wiederhergestellt. Die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts war zwar nicht durch A beeinflussbar, eine Versagung des rückwirkenden Entfalls des Besteuerungsanspruchs erscheint nach der hier vertretenen Auffassung aber als gerechtfertigt.

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Vor diesem Hintergrund ist § 6 Abs 3 so auszulegen, dass ein Entfall des Steueranspruchs nach § 6 Abs 1 nur dann in Betracht kommt, wenn es zu einer Wiederverstrickung der Anteile kommt, dh, das vormals bestehende Besteuerungsrecht Deutschlands in gleichem Maße wiederhergestellt ist.

Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen

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