Читать книгу Gespräche mit dem Henker. Ein Buch nach Tatsachen über den SS-General Jürgen Stroop, den Henker des Warschauer Ghettos - Kazimierz Moczarski - Страница 14

XI.

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Als die Zeitschrift »Odra« die »Gespräche mit dem Henker« veröffentlichte, wurde Moczarski von vielen gefragt, wie es möglich sei, dass er nach fast 25 Jahren die Gespräche so genau wiedergeben könne? Viele unterstellten dem Verfasser eine Neigung zum Fantasieren, zu unangemessener Rekonstruktion. Dieser Verdacht ist im Licht der Einzelheiten, die mir Moczarski erzählte, völlig unbegründet. Der Autor übertrug mir die moralische Pflicht, diese Frage richtigzustellen. Denn er selbst war nicht fähig, entsprechende Erklärungen abzugeben, was wohl nicht verwunderlich ist.

Moczarski unterstrich häufig, dass er zu jener Zeit kein gewöhnlicher Mensch gewesen sei. »Vielleicht war ich eher ein Tier«, meinte er. Ich bin da anderer Ansicht: Er war damals ein Stück über das gewöhnliche Menschsein hinausgewachsen.

Ein Mensch, der jahrelang auf seinen Tod wartet, lebt in anderen Dimensionen von Zeit und Raum. Um zu überleben und in seiner Dimension existieren zu können, schafft sich ein Eingeschlossener und Verurteilter eine andere Wirklichkeit. Wir kennen Ähnliches aus den Erzählungen vieler Häftlinge. Damit aber diese neue Wirklichkeit unabhängig von den Realitäten funktionieren konnte, bedurfte es einer großen inneren Stärke, über die sich der Gefangene wahrscheinlich überhaupt keine Rechenschaft gab.

Moczarski erkannte die sich der Zelle nähernden Aufseher an ihrem Geruch. Er hörte das Flüstern der Vernehmungsoffiziere, die sich bei geschlossenen Türen in einem Nebenzimmer unterhielten. Während seiner Berufungsverhandlung setzte er die Anwesenden in Erstaunen, als er auswendig Auszüge aus Akten zitierte, die fast tausend Seiten umfassten und die er nur einige Stunden im Gefängnis einsehen durfte. Er hatte sich viele, in die Hundert gehende Seiten eingeprägt. Natürlich büßte er in den folgenden Jahren diese erschreckende Begabung ein; seine Sinne, die nun nicht mehr einer Bewährung auf Leben und Tod ausgesetzt waren, kehrten zu ihrer normalen Trägheit zurück. In den »Gesprächen mit dem Henker« hat er nichts erfunden. Jedes Wort von Stroop, jede seiner Gesten, jeden Blick trug er behutsam in sich wie einen Schatz. Und auch das nach der Erinnerung Rekonstruierte, auch das später Verifizierte ist und hat die historische Wahrhaftigkeit des zuverlässigen Zeugen, der um objektive Wiedergabe bemüht ist.

Eines Tages sagte er mir ein wenig betroffen: »In mir steckt wohl irgendeine Krankheit. Jeden Satz von Stroop höre ich so deutlich, sogar die Betonung, als würde ich das alles vom Tonband abschreiben. Und ich sehe ihn vor mir, jede seiner Bewegungen, seinen Ausdruck, das Verziehen der Lippen, wie auf einer Filmleinwand ...«Ich glaubte ihm. Und ich bitte den Leser, ihm ebenfalls zu glauben. Dabei ist sein Buch weder eine historische Monografie noch ein Tatsachenroman. Es ist keine archivalische Dokumentation, sondern Dokument, historisch wahrhaftig auch dort, wo es in Details irrt und dort wo es Irrtümer der »handelnden Personen« wiedergibt oder wo sich im Nachhinein Perspektiven des Erlebten mit dem »Verarbeiteten« verbinden.

Gespräche mit dem Henker. Ein Buch nach Tatsachen über den SS-General Jürgen Stroop, den Henker des Warschauer Ghettos

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