Читать книгу Gespräche mit dem Henker. Ein Buch nach Tatsachen über den SS-General Jürgen Stroop, den Henker des Warschauer Ghettos - Kazimierz Moczarski - Страница 9

VI.

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Als im September 1939 der Krieg ausbrach, war Moczarski Jurist und Journalist. Wahrscheinlich unterschied er sich damals überhaupt nicht von seinen Mitbürgern, denn in jener Welt, die keine schweren Heimsuchungen kannte, lebte man jahrelang dahin, ohne eine Ahnung von der Existenz der Hölle zu haben.

Sicherlich war Moczarski schon damals ein aufrechter Mann mit klar umrissenen Ansichten. Er gehörte in Warschau zu den Gründern des Demokratischen Klubs, einer seit 1937 bestehenden betont fortschrittlichen, überparteilichen Organisation.

Schon in jenen Jahren stand er den Idealen des Sozialismus nahe, obwohl er niemals ein Marxist wurde. Er hatte überhaupt ein sehr skeptisches Verhältnis zur Theorie und vertraute mehr den praktischen Erfahrungen. Sicherlich besaß er schon vor dem Krieg feste Grundsätze und hasste jegliche Verschwommenheit. Er war unabhängig in seinem Denken, was jedoch damals keine ungewöhnliche Tugend war.

Hier stellt sich die Frage: Was versteht man unter einer moralischen Ordnung? Moczarski musste sein Gewissen in Anfechtungen stählen, von denen ein gegenwärtig im Westen lebender Mensch keine Vorstellung haben kann. Geholfen hat ihm das Festhalten an bestimmten Grundsätzen des Humanismus, seine persönliche Würde und sein ausgeprägtes Ehrgefühl. Irgendwann schrieb ich, wahrscheinlich unter dem Einfluss meiner Freundschaft mit dem Verfasser dieses Buches, dass man »ein Gewissen weder kaufen noch verkaufen, es auch nicht auf den Staat, die Nation, eine Klasse übertragen kann – oder wir hören auf, als Menschen zu existieren«. Diese Formulierung könnte gemischte Gefühle hervorrufen, unter Lesern, die gewohnt sind, mit einem ruhigen, zeitweilig eingeschläferten Gewissen zu leben, weil das Schicksal ihnen große Prüfungen erspart hat. Meine Stimme, wie auch Moczarskis Buch, hat einen fremden und fernen Klang, und man sollte wohl keine andere Reaktion erwarten als ein etwas melancholisches, höfliches und nicht sehr dauerhaftes Mitgefühl, das ein ausgeglichenes Gemüt angesichts einer weit entfernt stattgefundenen Katastrophe überkommt.

Hier aber handelt es sich nicht um ein Unglück, sondern um Heldentum. Wahrscheinlich stellt Heldentum für eine wohlgeordnete westliche Welt eine noch ferner liegende Erfahrung dar als ein Unglück. Denn ein Unglück kann jedem passieren, das ist menschlich. Aber Heldentum?

Kehren wir zum Verfasser dieses Buches zurück.

Gespräche mit dem Henker. Ein Buch nach Tatsachen über den SS-General Jürgen Stroop, den Henker des Warschauer Ghettos

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