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(b) Chefarzt – Stationsarzt

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Beispiel:

Bei den Aufnahmeuntersuchungen im Krankenhaus durch die Stationsärzte wurde die Mehrlingschwangerschaft der Patientin nicht bemerkt. Nach der Geburt eines gesunden Sohnes erhielt sie auf Anweisung eines Stationsarztes Methergin injiziert, das die Sauerstoffversorgung des noch im Mutterleib befindlichen zweiten Kindes beeinträchtigte, so dass dieses dadurch schwere, nicht mehr behebbare Hirnschäden erlitt.

Zur Frage des Schuldvorwurfs gegenüber dem Leitenden Arzt der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe führte der BGH aus, ihm könne ein Verschulden nur dann angelastet werden, wenn er entweder eigene Untersuchungen unsorgfältig ausgeführt oder eine Untersuchung, die zur Feststellung der Mehrlingschwangerschaft geführt hätte, pflichtwidrig unterlassen oder aber die notwendige Anleitung und Überwachung des Stationsarztes nicht vorgenommen hätte. Der Chefarzt hatte jedoch eine „sorgfältige Tastuntersuchung und eine vaginale Untersuchung“ durchgeführt und ferner darauf geachtet, dass zusätzlich Ultraschalluntersuchungen erfolgten. Es sei grundsätzlich nicht Aufgabe des Leitenden Arztes, bereits vorgenommene Untersuchungen stets durch eigene zu überprüfen. Denn sonst würde der Grundsatz der vertikalen Arbeitsteilung aufgegeben. Etwas anderes könne gelten, wenn der Leitende Arzt Anhaltspunkte dafür habe, dass die Untersuchungen unsorgfältig oder nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt worden seien.[241] Dafür bestanden im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte.

Der Chefarzt war auch berechtigt, die weitere Betreuung der Patientin dem Stationsarzt zu übertragen, da er davon ausgehen durfte, dass eine „unproblematische Einlingsgeburt aus Schädellage bevorstehe“. Die selbstständige Leitung einer solchen Geburt, die somit gerade keinen Problemfall darstellte und sich bis zur fehlerhaften Injektion von Methergin auch nicht zu einem solchen entwickelte, durfte er dem Stationsarzt überlassen, den er für „sehr zuverlässig“ hielt und der bereits „130 normale Geburten selbstständig betreut und beendet hatte, ohne dass es zu Komplikationen gekommen wäre“, der also kein reiner Berufsanfänger mehr war. Dass dieser Stationsarzt die Injektion von Methergin anordnen würde, ohne sich zuvor zu vergewissern, ob die Fruchthöhle leer war, konnte der Chefarzt nicht vorhersehen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen waren durch Abtasten des Mutterleibes leicht zu treffen, ihre Notwendigkeit drängte sich zudem dadurch auf, dass die Bauchdecke der Patientin nach der erfolgten Geburt des Kindes weiterhin gewölbt war.

Da der Stationsarzt durch den Chefarzt über die Wirkung des Mittels Methergin informiert war und Letzterer die Anweisung erteilt hatte, Methergin nur bei absoluter Gewissheit einer leeren Fruchthöhle zu injizieren, musste er ein derartiges Fehlverhalten seines für die Geburtsüberwachung zuständigen Mitarbeiters nicht in Rechnung stellen[242].

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