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dd) Originär eigene Aufgaben des Pflegedienstes

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Ebenso wie es ausschließlich ärztliche Aufgaben gibt, sind originär eigene Aufgaben der nichtärztlichen Mitarbeiter (des Pflegedienstes) zu konstatieren. Eine exakte gesetzliche Beschreibung des beruflichen Tätigkeitsfeldes für das Krankenpflegepersonal gibt es leider nicht, doch enthält das Krankenpflegegesetz vom 16.7.2003 (BGBl. I, 1442)[329] eine verbindliche, wenngleich nicht abschließende Beschreibung des krankenpflegerischen Berufsbildes. Danach gehört zum Aufgabenbereich des Krankenpflegepersonals die Grund- und Behandlungspflege, auch „allgemeine“ und „spezielle“ Pflege genannt, sowie Vorbereitung, Assistenz und Nachbereitung bei Maßnahmen der Diagnostik und Therapie. Die Grundpflege umfasst z.B. das Betten und Lagern, präventive Maßnahmen wie die Dekubitusprophylaxe, Thromboseprophylaxe und Ähnliches, die Körperpflege, Ernährung, Überwachung von Puls und Temperatur, Verabfolgung der Medikamente, Tabletten, Zäpfchen usw. Die Anordnungskompetenz liegt hierfür aber unstreitig beim Arzt.[330] Die Grundpflege umfasst ferner die menschlich-psychologische Betreuung des Patienten und die damit verbundene, außerordentlich wichtige „allgemeine Krankenbeobachtung, d.h. das Erfassen und Erkennen von Veränderungen im Gesamtzustand des Patienten und im Krankheitsverlauf“, sowie die Pflicht, bei Zustandsveränderungen den Arzt zu rufen.[331]

Der Auffassung, bei der Grundpflege handle es sich um „originäre, nicht aus dem ärztlichen Tätigkeitsbereich abgeleitete Aufgaben[332], und daher sei in diesem Bereich das Pflegepersonal „ausschließlich verantwortlich“[333], ist zu widersprechen. Auch bei der allgemeinen Pflege kann es nämlich zu Problemen und gar Zwischenfällen kommen, die ein ärztliches Eingreifen notwendig machen. Solches Eingreifen mag aus Hinzuziehung seitens des Pflegepersonals resultieren, weil von dort aus zutreffend – und d.h. auch: sorgfaltspflichtgerecht – erkannt wird, dass die Grenze einer Aufgabenerledigung in eigener Kompetenz erreicht ist. Allerdings obliegt dem Arzt auch die Sorgfaltspflicht, nötigenfalls von sich aus in den Pflegeprozess einzugreifen, was aus der Kontroll- bzw. Überwachungsverpflichtung im Rahmen der Aufgabendelegation resultiert.[334] Und genau dergestalt erhellt rechtssystematisch, dass es vorbehaltlich expliziter normativer Maßgaben bei der Klinikbehandlung keinen „arztfreien“ Bereich geben kann.[335] Dem entspricht, dass die Behandlung von Krankheitszuständen kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers (§ 2 BÄO) ausschließlich approbierten Ärzten vorbehalten ist, so dass auch im Bereich der allgemeinen Pflege die Anordnungskompetenz des Chefarztes und seiner ärztlichen Mitarbeiter gilt. Ein gänzlich arztfreier Bereich im Rahmen der Heilbehandlung ist aus Rechtsgründen abzulehnen.[336] Ein pflegerischer „Freiraum“ ohne ärztliche Weisungsrechte und Überwachungsverantwortung widerspricht dem Gesetz und den vertraglichen Beziehungen zwischen Chefarzt und Krankenhaus auf der einen sowie Chefarzt und Privatpatient auf der anderen Seite. Auch der Bereich der Grundpflege steht unter der ärztlichen Gesamtverantwortung, die sich hier aber auf die Rechtsaufsicht beschränkt, während die Fachaufsicht der Pflegedienst- bzw. der Stationsleitung obliegt.[337]

Unstreitig gilt die ärztliche Aufsichts- und Weisungspflicht auf dem gesamten Feld der speziellen Pflege. Da die Pflegekräfte vom Krankenhaus eingestellt werden, entfällt in der Regel ein Auswahlverschulden des Leitenden Arztes einer Abteilung und ebenso auch eine Aus- und Fortbildungspflicht. Dass der Vertrauensgrundsatz auch im Rahmen der originär eigenen Aufgaben des Pflegedienstes seine volle, haftungsbegrenzende Wirkung entfaltet, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Zur strafrechtlichen Problematik bei Kompetenzüberschreitungen nichtärztlicher medizinischer Mitarbeiter in Notsituationen siehe das gleichnamige Buch von Boll.[338]

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