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(c) Oberarzt – Assistenzarzt

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Beispiel:

Im Rahmen eines gegen zwei Anästhesisten geführten Verfahrens wegen fahrlässiger Tötung war eine Patientin entweder infolge einer Fehlintubation oder infolge eines nicht mehr beherrschbaren Bronchospasmus gestorben, was trotz Einschaltung von fünf hochkompetenten Sachverständigen letztlich nicht exakt geklärt werden konnte. Bezüglich der von ihm als Anästhesisten zu treffenden Maßnahmen berief sich der Assistenzarzt auf den „überlegenen Sachverstand des von ihm zugezogenen Oberarztes“. Dennoch sah das Landgericht Marburg auch den Assistenzarzt als eigenverantwortlich für die Nichtausschöpfung aller Überprüfungsmöglichkeiten an und führte aus:

„Zum einen hatte er den Oberarzt jedenfalls nicht vollständig über die Schwierigkeiten bei der Intubation informiert, da er diesen nicht davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass er jeweils den Beatmungsschlauch ohne Einstellung der Stimmritze der Patientin eingeführt hatte. Daneben greifen die Grundsätze der sog. vertikalen Verantwortlichkeit der an einer Narkose beteiligten Ärzte zugunsten des Assistenzarztes hier jedenfalls nicht uneingeschränkt ein. Denn der Oberarzt war nicht der für die Überwachung des Assistenzarztes ‚zuständige Oberarzt‚. Verantwortlich für ihn war insoweit die Oberärztin… und, dieser übergeordnet, der Leiter der Abteilung für Anästhesie. Der Oberarzt befand sich dagegen nur zufällig im benachbarten OP-Saal und hatte sich unter den gegebenen Bedingungen bereit gefunden, den Assistenzarzt auf dessen Bitte hin zu beraten. Seine kurze Intervention im Einleitungsraum befreit deshalb den Assistenzarzt, dem diese Umstände bekannt waren, nicht von der ihm als für den OP-Saal … eingeteilten Anästhesisten obliegenden originären Verantwortlichkeit für die von ihm dort zu betreuende Narkose der Patientin, auch wenn den Oberarzt dadurch, dass er sich, ohne in der konkreten Situation dazu verpflichtet zu sein, in der dargestellten Weise in die Durchführung der Narkose einschaltete, eine Mitverantwortung an der Unterlassung der gebotenen Überprüfungsmöglichkeiten trifft“[243].

Die Differenzierung zwischen „formeller“ Zuständigkeit des Oberarztes und einer lediglich „materiellen“ Verantwortlichkeit „kraft Übernahme“ erachten wir nicht als tragfähig. Wenn ein Oberarzt einer Klinik, gleichgültig ob der gerade Dienst habende oder sonst erreichbare, von einem Assistenzarzt gerufen wird, weil dieser überfordert ist oder sich überfordert fühlt, geht kraft seines Erfahrungs- und Wissenvorsprungs sowie kraft seiner überlegenen Stellung die Verantwortlichkeit auf den Oberarzt über. Der in der Ausbildung befindliche Arzt darf sich, „sofern von ihm aufgrund seines Ausbildungsstandes nicht bessere Erkenntnisse und Einsichten zu erwarten sind, auf die Beurteilung des übergeordneten Facharztes verlassen“[244].

Arztstrafrecht in der Praxis

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