Читать книгу Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden - Kurt E. Böhme - Страница 98
e) Kettenunfälle
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Bei Serienunfällen[197], insbesondere auf der Autobahn, ist die Haftungsverteilung schwierig, insbesondere dann, wenn Fahrzeuge ineinander verkeilt und einige rundum beschädigt sind. Der Ansicht,[198] bei einem Kettenauffahrunfall könne der Schuldlose des vordersten Kfz von jedem Halter/Fahrer der nachfolgenden Unfallbeteiligten seinen vollen Schaden ersetzt verlangen, soweit sie nicht ein unabwendbares Ereignis bzw. höhere Gewalt nachweisen, kann nicht zugestimmt werden. Eine solche Zurechnung erscheint nur dann möglich, wenn der Verunglückte durch die nachfolgenden Unfallbeiträge betroffen wurde.[199] Nur dann wäre der Haftungs-/Zurechnungszusammenhang gegeben[200] (s. auch Rn. 109). Bei Kettenauffahrunfällen versagt jedenfalls hinsichtlich der Verursachung des Frontschadens an dem Fahrzeug, auf das das Fahrzeug des Hintermanns aufgefahren ist, der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis i.d.R., weil regelmäßig gerade kein ausreichend typischer Geschehensablauf feststellbar ist.[201]
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Der Halter des Kfz, das auf einen Vorderwagen aufgefahren ist und auf das andererseits ein weiteres Kfz auffährt, hat i.d.R. seinen Schaden am Vorderwagen selbst zu tragen,[202] hinsichtlich des Heckschadens steht ihm gegen den Auffahrenden ein Anspruch zu.[203] Wegen Verkürzung des Sicherheitsabstandes infolge des eigenen Auffahrens muss er u.U. eine Kürzung seines Anspruchs hinnehmen.[204] Wegen seines Frontschadens kann er u.U. gegen den von ihm angefahrenen mit gleicher Begründung Teilersatz begehren. Bei Serienauffahrunfällen wird daher regelmäßig die Differenzierung zwischen Front- und Heckschaden zur substantiierten Darlegung des Anspruchs erforderlich sein.
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Bleibt bei einem Kettenunfall ungewiss, ob der Vordermann selbst aufgefahren oder vom Nachfolgenden aufgeschoben worden ist, so bestehen hinsichtlich des Frontschadens drei Entscheidungsmöglichkeiten:
aa) | Wenn ursächliche Beteiligung des Nachfolgenden an dem Frontschaden zumindest deutlich wahrscheinlicher ist als das Gegenteil, haftet er für den Front- und Heckschaden. |
bb) | Wenn die Verursachung des Frontschadens durch den Nachfolgenden lediglich wahrscheinlicher ist als das Gegenteil, so haftet dieser nur für einen Teil des Gesamtschadens. Dabei wird der Haftungsbetrag nach dem Verhältnis der rechnerischen Reparaturkosten für den Heckschaden zu den übrigen Schäden bestimmt.[205] |
cc) | Ist die ursächliche Beteiligung des Nachfolgenden an dem Frontschaden weniger wahrscheinlich, so haftet der Nachfolgende nur für den ihm sicher zurechenbaren Heckschaden.[206] |
Sind drei Fahrzeuge an einer Aufschiebekollision beteiligt und behauptet der Aufgeschobene, er wäre rechtzeitig vor einer Kollision mit dem vorderen Fahrzeug zum Stehen gekommen, so muss er dies beweisen. I.d.R. ist eine Aufschiebekollision für den Fahrer des aufgeschobenen Fahrzeugs nur dann im Sine von § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar, wenn dieser den Beweis dafür führen kann, dass sein Fahrzeug ohne den Anstoß nicht auf das vordere Fahrzeug aufgefahren wäre.[207]
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Für Massenunfälle haben die Autoversicherer ein Regulierungssystem entwickelt, s. Rn. 408.
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 12. Autobahn