Читать книгу Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen - Kurt Schellhammer - Страница 68
2. Die Funktion des unmittelbaren Besitzes im System des BGB
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Im System des BGB steht der unmittelbare Besitz für das Eigentum, das er verkörpert und publik macht, denn die tatsächliche Sachherrschaft des Besitzers kann man sehen, die rechtliche Sachherrschaft des Eigentümers nicht. Wem ein Fotoapparat, ein Fahrrad oder ein Auto von Rechts wegen gehört, sieht man mit bloßem Auge nicht, wohl aber, wer es besitzt, nämlich derjenige, der den Fotoapparat um den Hals hängen hat, der auf dem Fahrrad sitzt oder das Auto steuert. Es ist deshalb kein Zufall, dass das Gesetz vom sichtbaren Besitz auf das unsichtbare Eigentum schließt, denn die Gleichsetzung des unmittelbaren Besitzes mit dem Eigentum entspricht lebendiger Anschauung und bezeichnet deshalb, wenn auch nur für bewegliche Sachen, den gesetzlichen Normalfall.
So vermutet § 1006 I 1, dass der unmittelbare Besitzer mit dem Besitz zugleich Eigentum erworben habe. Zwar gilt dies nur für den Erwerb des unmittelbaren Eigenbesitzes nach § 872, aber auch er wird folgerichtig vermutet. Wer etwas anderes behauptet, muss es im Streitfall beweisen (RN 1174).
Da der unmittelbare Besitz im Regelfall auf Eigentum verweist, wird eine bewegliche Sache nach § 929 S. 1 durch Einigung und Übergabe übereignet (RN 1104). Übergabe bedeutet Übertragung des unmittelbaren Besitzes, was voraussetzt, dass der Veräußerer nicht nur Eigentümer, sondern auch unmittelbarer Besitzer ist. Zwar kann man eine bewegliche Sache nach §§ 930, 931 auch ohne Übergabe übereignen, aber das sind bereits atypische Fälle, die vom System abweichen. Folgerichtig verpflichtet der Kaufvertrag, wenn nichts anderes vereinbart ist, nach § 433 I zur Übergabe und zur Übereignung.
Schließlich rechtfertigt der unmittelbare Besitz des Veräußerers nach § 932 I 1 den gutgläubigen Erwerb vom Nichteigentümer. Auf den unmittelbaren Besitz des Veräußerers darf man im Regelfall bauen (RN 1137).
Im Liegenschaftsrecht ist es nur deshalb anders, weil das Grundbuch, deutlicher noch als der Besitz, das Eigentum an Grundstücken ausweist und deshalb die Aufgaben der Rechtsvermutung, der Übertragung und des Gutglaubensschutzes übernimmt (§§ 891, 873, 892). § 433 I 1 verpflichtet aber auch den Grundstücksverkäufer nicht nur zur Übereignung sondern auch zur Übergabe.