Читать книгу Das System zurückerobern - Lisa Herzog - Страница 15
2.5. Schluss
ОглавлениеIn diesem Kapitel habe ich für einen Ansatz moralischen Denkens argumentiert, der die Grenzen menschlicher Kognition und Willenskraft sowie die durch die sozialpsychologische Forschung umfassend dokumentierte Abhängigkeit von Kontexten ernst nimmt. Ich habe dafür argumentiert, menschliches Handeln als in Kontexte eingebettet zu verstehen, insbesondere in soziale Kontexte. Wie unsere kognitiven und volitionalen sind auch unsere moralischen Fähigkeiten auf externe »Gerüste« angewiesen, um gut zu funktionieren. Aus diesem Grund muss individuelles moralisches Handeln im Zusammenhang mit der moralischen Verantwortung anderer verstanden werden: Das Versagen anderer Personen, ihrer moralischen Verantwortung gerecht zu werden, kann Individuen entschuldigen, während sie selbst wiederum Verantwortung dafür tragen, das moralische Handeln anderer zu unterstützen.
An dieser Stelle kann ich das Thema dieser Arbeit anhand der in diesem Kapitel entwickelten Begriffe neu formulieren: Sie fragt danach, wie Organisationen in Kontexte verwandelt werden können, in denen die individuelle Fähigkeit zu moralischem Handeln unterstützt statt untergraben wird und in denen menschliche Wesen aus Fleisch und Blut, die für gewöhnlich gute Intentionen verfolgen, aber auch zu typischen Fehlern neigen, es vermeiden können, gravierende moralische Fehler zu begehen. Im zweiten Teil dieser Arbeit werde ich besprechen, wie ein solcher Ansatz auf eine Reihe von Herausforderungen antworten kann, die innerhalb von Organisationen entstehen: Herausforderungen, die der moralischen Ambivalenz von Regeln, der Verteilung von Wissen innerhalb von Organisationen, dem Einfluss und der Formbarkeit von Organisationskulturen sowie der Art und Weise entspringen, auf die von Individuen erwartet wird, ihren organisationalen Rollen zu folgen. Bevor ich mich jedoch dieser Aufgabe zuwende, müssen noch zwei weitere Bestandteile meines Ansatzes erläutert werden: Die Idee »grundlegender moralischer Normen« als der normativen Grundlagen meines Arguments, sowie der von mir verwendete Ansatz organisationaler Strukturen und der aus ihnen resultierenden spezifischen Herausforderungen. Kapitel 3 und 4 wenden sich diesen Aufgaben zu.