Читать книгу Das System zurückerobern - Lisa Herzog - Страница 9

1.4. Die Struktur des Buches

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In Teil I dieser Untersuchung werde ich die konzeptionellen Grundlagen meines Arguments, wie das »System zurückerobert« werden kann, darlegen: Ich bespreche die Bedeutung von Kontexten für menschliches Handeln, die moralischen Normen, auf die sich die späteren Diskussionen stützen, und die Konzeption von Organisationsstrukturen, auf die ich mich konzentriere.56

Kapitel 2, »Moralische Verantwortung, sozial eingebettet«, bespricht die Herausforderungen für die Idee moralisch verantwortlichen Handelns, die jüngeren – und einigen weniger jüngeren – empirischen Studien der Sozialpsychologie entstammen, die das uns bekannte verantwortliche Subjekt »aufzulösen« scheinen. Gegen diese Perspektive werde ich einwenden, dass wir zwar den starken Einfluss von Kontexten auf menschliches Handeln anerkennen sollten, daraus jedoch nicht folgt, dass wir die Idee verantwortlichen Handelns aufgeben müssen. Vielmehr sollten wir die Mitverantwortlichkeit von Individuen für die Kontexte, in denen sie handeln, anerkennen und reflektieren. Dieses allgemeine Argument gilt auch für Organisationen als spezifische Kontexte moralischen Handelns: Sie können ein solches Handeln unterstützen oder unterwandern, und es ist unsere geteilte Verantwortung, dass sie ersteres statt letzterem tun.

Kapitel 3, »Moralische Normen in sozialen Kontexten«, beginnt mit dem Argument für die »Allgegenwärtigkeit« der Moral: Es gibt demnach keine sozialen Sphären, die in irgendeinem Sinne »jenseits« der Moral liegen würden. Daran anschließend beschreibe ich detaillierter, von welchen moralischen Normen diese Untersuchung ausgeht: Der Norm, alle Individuen als moralisch gleich zu betrachten, sowie Normen hinsichtlich der Vermeidung individuellen sowie kollektiven Schadens. Ich verstehe diese Normen als innerhalb eines übergreifenden Konsenses verschiedener moralischer Weltanschauungen liegend und werde argumentieren, dass wir uns in einer pluralistischen Gesellschaft auf diesen Konsens konzentrieren sollten, wenn wir soziale Kontexte wie Organisationen untersuchen.

In Kapitel 4, »Organisationen: Hierarchien geteilter Arbeit«, bespreche ich den dieser Untersuchung zugrunde liegenden Begriff der »Organisation«. Dabei beziehe ich mich auf Einsichten der »Theorie der Firma«, um ein für Organisationen grundlegendes Prinzip nachzuvollziehen: Die Koordination von Arbeitsteilung anhand von Hierarchien. Ich werde zwischen verschiedenen Arten moralischen Fehlverhaltens unterscheiden, die innerhalb von Organisationen auftreten können, und erklären, warum ich mich auf eine von ihnen konzentrieren werde: Solches Fehlverhalten, das nicht bloß zufällig in Organisationen auftritt, sondern mit der Form der Organisation selbst verbunden ist.

Teil II dieser Studie, »Die moralischen Herausforderungen des Organisationslebens«, bespricht vier derartige moralische Herausforderungen. Dabei werde ich mich, um die Analyse dieser relevanten moralischen Dimensionen des Organisationslebens zu motivieren, jeweils auf reale Fälle aus den von mir geführten Interviews beziehen.

Kapitel 5, »Die Unzulänglichkeit von Regeln«, bespricht die Probleme, die daraus erwachsen, dass Organisationen regel-basierte Strukturen sind. Unter Bezug auf die philosophische Literatur über moralische Regeln werde ich den zweischneidigen Charakter von Regeln innerhalb von Organisationen untersuchen: Demnach kommt ihnen zwar oft moralisches Gewicht zu, in bestimmten Fällen können sie jedoch auch zu ungerechten Entscheidungen führen. Dabei werde ich auch die psychologischen Dimensionen regelbasierten Verhaltens einbeziehen, sowie die moralischen Gefahren, die mit regel- und anreizbasierten Systemen verbunden sind, in denen moralische Beweggründe »verdrängt« werden können. Um mit dem »Gehäuse« organisationaler Regeln leben zu können, müssen Individuen und Organisationen sich dieses zweischneidigen Charakters bewusst sein und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen einrichten, damit die Regeln in der ihnen zugrunde liegenden sozialen Realität nicht zu ungerechten Entscheidungen führen – ein Unterfangen, das unendlich feinkörniger und komplexer ist als das, was Regeln fassen können.

Kapitel 6, »Die Verwendung von Wissen in Organisationen«, nimmt die Themen des weiter oben bereits präsentierten Falls von Henry auf: Es bespricht, wie Organisationen als Orte der Arbeitsteilung verantwortlich mit geteiltem Wissen umgehen können. Das betrifft sowohl die Vermeidung moralisch relevanter Wissenslücken, als auch den Respekt, der Individuen als Trägern von Wissen geschuldet wird. Oftmals verhindern die hierarchischen Strukturen von Organisationen einen offenen und vorurteilsfreien Umgang mit Wissen. Nichtsdestotrotz können Organisationen versuchen, Strukturen und eine Kultur zu etablieren, in denen Individuen sich gegenseitig vertrauen und dadurch Wissen besser verwenden können. Wie Individuen als Trägerinnen von Wissen behandelt und moralisch gefährliche Wissenslücken verhindert werden können, ist dabei untrennbar miteinander verbunden, weshalb »Wissensmanagement« eine zutiefst moralische Angelegenheit ist.

Kapitel 7, »Die Verantwortung für die Organisationskultur«, zielt auf ein schwer zu greifendes Thema, nämlich die kulturellen Veränderungen, die innerhalb von Organisationen stattfinden können. Organisationskulturen sind moralisch von Bedeutung, da sie moralisches Handeln mehr oder weniger stark unterstützen können, zum Beispiel, indem sie die moralischen Dimensionen von Entscheidungen und Handlungen mehr oder weniger sichtbar machen. Allerdings sind Organisationskulturen nur schwer kontrollierbar und können sich verändern, wenn Individuen neue Signale senden, die dann in »Spiralen« wiederholter Handlungen verstärkt werden. Versuche, Organisationskulturen zu »managen«, sind nicht nur mit Steuerungsfragen konfrontiert, sondern auch mit moralischen Problemen:: Individuen dürfen nicht einfach »geopfert« werden, um Signale über die erwünschte Organisationskultur auszusenden. Daher kann in manchen Fällen ein stärker »deontologisch« orientierter Ansatz erforderlich sein, um einen Wandel der Organisationskultur zu verhindern. Allerdings verweist das Phänomen der Organisationskultur auch auf die Bedeutung von Möglichkeiten zu Dialog und Austausch: Um nicht nur Signale zu senden, sondern sich auch über Gründe auszutauschen.

Kapitel 8, »Selbst und Rolle: Transformatives Handeln in Organisationen«, wendet sich der Frage zu, wie Individuen sich auf ihre organisationalen Rollen beziehen können und sollten. Auf Basis von zwei Fallstudien, die die zwei Enden eines Spektrums illustrieren, beschreibe ich die Probleme einer vollständigen Identifikation mit der eigenen Rolle sowie einer vollständigen psychischen Trennung, um dann die Prozesse der moralischen Reflexion hinsichtlich der eigenen organisationalen Rolle zu beschreiben, die moralisch verantwortlichen Individuen durchlaufen müssen. Dabei werde ich die Idee des »transformativen Handelns« entwickeln, um die Strategien zu beschreiben, anhand derer Individuen die Resultate ihrer moralischen Reflexionen in die Praxis umsetzen können. Unter Bezug auf Albert Hirschmans Unterscheidung zwischen »Abwanderung« und »Widerspruch« werde ich die verschiedenen transformativen Strategien beschreiben, die zusammengenommen zu einer Einstellung kritischer Loyalität gegenüber Organisationen führen können: Einer Loyalität, die dazu verpflichtet, die eigene Organisation moralisch »in der Spur« zu halten. Das Kapitel schließt mit der Frage, was Organisationen tun können, um moralische Reflexion und transformatives Handeln auf Seiten der Individuen zu unterstützen.

Teil III der Arbeit, »Die gesellschaftliche Rolle von Organisationen«, erweitert den Fokus vom Innenleben der Organisationen auf den institutionellen Rahmen, innerhalb dessen sie operieren. Die Gründe für die Notwendigkeit dieses Schritts finden sich implizit bereits in dem weiter oben präsentierten Fallbeispiel von Monika: Wenn Organisationen schlecht ausgestaltet sind oder falschen Arten von Druck ausgesetzt werden, können die moralischen Anforderungen zu groß werden, sodass es nur allzu menschlich ist, dass moralische Fehler passieren. Anstatt aber solche Situationen als unvermeidlich zu akzeptieren, müssen wir fragen, wie die umfassenderen institutionellen Strukturen verändert werden könnten, um solche Fehler zu vermeiden.

Kapitel 9, »Organisationen innerhalb der Gesellschaft: Ein nicht-idealer Ansatz«, führt die Idee der »Bottom-Up«-Anforderungen einer gerechten gesellschaftlichen Grundstruktur ein: Die dem Innenleben von Organisationen entstammenden Voraussetzungen, die nötig sind, um die Verletzung grundlegender moralischer Normen zu verhindern. In diesem Kapitel werden einige »nicht-ideale« Vorschläge diskutiert: Ich frage danach, was im Hier und Jetzt getan werden könnte, um die moralische Bilanz von Organisationen zu verbessern. Dabei konzentriere ich mich auf den Schutz der Rechte von Individuen gegenüber Organisationen und auf die Notwendigkeit, die Frage neu zu denken, welche Organisationsformen für welche Art von Organisationen geeignet sind. So sollten bestimmte Organisationen beispielsweise vor finanziellem Druck geschützt werden, damit sie ihre Aufgaben ohne Überlastung der in ihnen arbeitenden Individuen erfüllen können.

Kapitel 10, »Organisationen innerhalb der Gesellschaft: Was ist möglich?«, wechselt von der Gegenwart hin zu einer ambitioniertere, wenn auch schwieriger zu realisierenden Vision dessen, wie Organisationen neu in die Gesellschaft eingebettet werden können. Auf der Basis jüngerer Debatten in der politischen Theorie fordere ich, die Form der Aktiengesellschaft neu zu denken, sowie Veränderungen hinsichtlich der Art und Weise herbeizuführen, wie der Zugang zu Wissen innerhalb der Gesellschaft verteilt wird. Dabei gehe ich auch auf Bedenken bezüglich der schädlichen Effekte der Arbeitsteilung auf Individuen ein und argumentiere, dass Arbeit auch dann sinnstiftend sein kann, wenn sie aufgeteilt ist, insbesondere dann, wenn Angestellte ein Mitspracherecht darüber haben, wie Arbeit organisiert wird. All dies führt zu einem Aufruf, den Raum der Organisationen zu demokratisieren: Obwohl wir immer noch wenig darüber wissen, wie demokratische Mechanismen in diesem Kontext angewendet werden könnten, gibt es gute Gründe für Demokratie am Arbeitsplatz. Den Schluss bildet eine Zusammenfassung dessen, wie diese verschiedenen Hebel dazu beitragen können, »das System zurückzuerobern«, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis.

Das System zurückerobern

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