Читать книгу Der erste Brief an die Gemeinde in Korinth - Luise Schottroff - Страница 42
4,1–5
ОглавлениеAn den Lobpreis des Leibes Christi in 3,21b–23 schließt Paulus nüchterne Gedanken zu den Kompetenzen der Gemeinde in Rechtsfragen an. Die Gemeinde hat rechtliche Kompetenz (vgl. 2,15; s. zu 6,1; 5,1–13), die aber eine deutliche Grenze findet, wenn es um Entscheidungen geht, die allein Gott fällen wird. So kann die Gemeinde ein Urteil über Menschen abgeben, die von Gott zum Lehren, Prophezeien u.a. beauftragt sind, doch die Gemeinde muss sich der Begrenztheit ihres Urteilens bewusst bleiben. Die Deutungsgeschichte dieses Abschnittes ist wiederum durch die häufige Vorannahme belastet, Paulus habe es in Korinth mit Gegnern zu tun, denen er mit Schärfe gegenübertrete (z. B. in 4,3).
4,1 4,1 gibt das Thema für den kleinen Abschnitt (4,1–5) an: Es geht um die Bewertung der Arbeit von Leuten wie Paulus und Apollos durch die Gemeinde. Möglich ist, dass die Wortwahl: ein Mensch / anthropos soll bewerten … auf die Unterscheidung göttlichen und menschlichen Urteilens verweisen will; vgl. 4,3.5. In der obigen Übersetzung habe ich mich für die Deutung entschieden, dass Paulus hier die Gemeinde meint, und deshalb den Plural gewählt: „So sollt ihr uns einschätzen …“ Gegenstand des Bewertens kann nur die Arbeit im Auftrag des Messias sein. Darum verweist Paulus für sich und andere hier auf die Beauftragung: dem Messias zu dienen und mit Gottes Geheimnissen (s. dazu zu 2,7) verantwortlich umzugehen.
4,2 4,2 Das bedeutet: Bei der Beurteilung kann es nur um die Zuverlässigkeit bei der Erfüllung des messianischen Auftrags gehen.
4,3 4,3 Paulus möchte die Maßstäbe in Erinnerung bringen. Die Gemeinde hat ein Recht, ihn zu beurteilen, aber davon hängt sein Heil nicht ab, weil das Urteil durch ein Gremium von Menschen gesprochen wird. Der Begriff menschlicher Gerichtstag / anthropine hemera ist wohl eine ad-hoc-Wortschöpfung in Anlehnung an die biblische Rede vom (Gerichts-)Tag, die sich aber nicht auf Gerichtsverfahren vor städtischen oder römischen Behörden (wie Apg 18,12–17) bezieht. Der Begriff meint hier die Gemeindeversammlung und macht deren Differenz zum Gottesgericht deutlich. Ist 4,3 verächtlich gemeint? Man kann den Satz so lesen, aber auch ganz anders: Paulus will die Maßstäbe klarstellen: Es geht um Beurteilung durch Menschen, nicht durch Gott, sei es die Gemeinde oder ein anderes menschliches Gremium, sei es durch sich selbst in einer Selbstprüfung, die er ablehnt.
4,4 Was mandabei zu Tage fördert, sagt 4,4, ist der Eindruck, von keiner Schuld zu wissen. Das Ergebnis solcher vermeintlichen Selbstprüfung hat keine Relevanz für die Frage, ob er vor Gott gerecht ist. Darüber urteilt allein Gott.
4,5 In 4,5 wird Kritik an Vorgängen in der Gemeinde sichtbar. Dort könnte es Leute geben, die sich selbst ein vorweggenommenes Urteil im Sinne Gottes zutrauen im Blick auf Paulus, Apollos und vergleichbare Leute. Es könnte sein, dass auf diese Weise die Kompetenz der Gemeinde, Leute zu beurteilen (4,1.2), in die Konkurrenzkämpfe eingebunden wird; auf die Konkurrenzen kommt Paulus in 4,6.7 nämlich zurück.
4,5b beschreibt das Gottesgericht als Geschehen von Gerechtigkeit: Alles Verborgene wird sichtbar und Gott begegnet der Wahrheit eines jeden Menschen. Das „Wollen der Herzen“ steht für die Ganzheit eines Menschen, die Verstand, Entscheidungskraft, Sehnsucht und Vertrauen umfasst.172 Der ‚Lohn‘ für die Taten des Lebens (3,8.14) ist Anerkennung durch Gott. Auch hier wird – wie in 3,14.15 das Gottesgericht nicht als Strafgeschehen, sondern als Ort der endgültigen Heilserfahrung dargestellt. In den Formulierungen „das von der Finsternis Verborgene“ und die „Planungen / das Wollen / die Anliegen der Herzen“ variiert Paulus biblische Sprache.173
In 4,1–5 wird die Bedeutung der umfassenden Gerechtigkeit des Gottesgerichtes für das Zusammenleben in der Gegenwart deutlich: Wo Menschen ihre Maßstäbe verlieren, da setzt das zukünftige Gottesgericht notwendige Grenzen. 4,1–5 ist nicht allgemeine Belehrung, sondern ein Einspruch aus gegebenem Anlass: der Anpassung an Machtstrukturen der „Welt“ innerhalb der Gemeinde.