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2. Sanktionen nach allgemeinen Strafgesetzen

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Das in Art. 103 Abs. 3 GG verankerte Verbot der Doppelbestrafung betrifft lediglich die wiederholte Bestrafung aufgrund „allgemeiner Strafgesetze“. Mit dieser Formulierung zielte der historische Verfassungsgeber ausschließlich auf das Kriminalstrafrecht – d.h. das Kern- und Nebenstrafrecht – ab,[233] nicht hingegen auf das Berufsstraf- und Standesrecht[234] sowie das Dienst-, Ordnungs- und Polizeistrafrecht.[235] Auch die Verhängung von Jugendarrest wegen Verstoßes gegen eine Bewährungsauflage ist danach keine Sanktion aufgrund eines „allgemeinen Strafgesetzes“ i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG.[236] Präventive Maßnahmen der Verwaltung wie der Entzug der Fahrerlaubnis mögen zwar unter Umständen ähnlich intensiv in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreifen wie die Kriminalstrafe, verfolgen jedoch andere Zwecke und unterfallen infolgedessen ebenfalls nicht dem Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 3 GG.[237]

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Keine „Strafgesetze“ i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG sind nach der Rechtsprechung des BVerfG auch die Tatbestände des Ordnungswidrigkeitenrechts.[238] Eine verbreitete Schrifttumsansicht hält dem zu Recht entgegen, dass die Zuordnung zum Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht durch den Gesetzgeber häufig eher zufällig erfolgt, und dass viele Tatbestände des Ordnungswidrigkeitenrechts bei der Entstehung des Grundgesetzes noch Strafgesetze waren; Art. 103 Abs. 3 GG soll daher zumindest analog auch im Ordnungswidrigkeitenrecht anzuwenden sein (vgl. einfachgesetzlich auch §§ 56 Abs. 4, 84, 85 OWiG).[239] Grundsätzliche Zustimmung verdient die Feststellung, dass disziplinarrechtliche Sanktionen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 3 GG fallen;[240] zu beachten ist jedoch, dass sich auch aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) allgemeine Grenzen einer doppelten Sanktionierung ergeben können.[241] Nach zutreffender Ansicht ist daher eine wegen „derselben Tat“ bereits verhängte Disziplinarmaßnahme im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.[242]

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Nicht erfasst werden von Art. 103 Abs. 3 GG schließlich nach herrschender Meinung auch die Maßregeln der Besserung und Sicherung.[243] Über die Einordnung der Sicherungsverwahrung ist allerdings zuletzt aus Anlass des nachträglichen Wegfalls der 10-Jahres-Höchstgrenze bei erstmalig angeordneter Sicherungsverwahrung und der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung Streit entstanden. Während der EGMR mit Blick auf die Garantien des Gesetzlichkeitsprinzips aus Art. 7 Abs. 1 EMRK einen autonomen, nicht an die Wertungen des mitgliedsstaatlichen Rechts gebundenen Strafbegriff vertritt,[244] hält das BVerfG an der formalen Zweispurigkeit des deutschen Sanktionensystems fest und spricht der Sicherungsverwahrung konsequent den Strafcharakter i.S.d. Art. 103 GG ab.[245] Unter dem Eindruck der Rechtsprechung des EGMR hat das Gericht jedoch Maßnahmen zur Sicherung des Abstandsgebotes angemahnt und dem Gesetzgeber das Programm eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzuges diktiert (vgl. dazu nunmehr § 66c Abs. 1 StGB).[246]

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