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3. Richtervorbehalt

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Für die Freiheitsentziehung als schwersten Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem in Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG normierten Gesetzesvorbehalt den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht.[305] Nach Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG darf eine Freiheitsentziehung grundsätzlich nur auf der Grundlage einer vorherigen richterlichen Anordnung erfolgen. Liegt der Freiheitsentziehung ausnahmsweise keine solche Anordnung zugrunde, so ist die richterliche Anordnung gem. Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG unverzüglich – d.h. „ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt“[306] – herbeizuführen. Als unvermeidbar gelten beispielsweise „Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind“; hingegen wird die mangelnde Erreichbarkeit eines Richters nicht ohne Weiteres als unvermeidbares Hindernis für die unverzügliche Nachholung der richterlichen Entscheidung angesehen.[307] Die Inanspruchnahme der in Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG vorgesehenen Eilkompetenz muss nach den Art. 104 GG zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen Wertungen grundsätzlich der Ausnahmefall bleiben;[308] sie kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte Zweck anders nicht erreichbar wäre.[309] Letzteres wird allerdings – worauf das BVerfG in der bereits erwähnten (Rn. 56) Entscheidung zur Fixierung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung zu Recht hingewiesen hat, regelmäßig der Fall sein, wenn die Maßnahme zur Abwehr einer von dem Betroffenen ausgehenden akuten Selbst- oder Fremdgefährdung erfolgt.[310] Zum Begriff der Entscheidung i.S.d. Art. 104 Abs. 2 GG gehört, dass der Richter in vollem Umfang die Verantwortung für die Maßnahme zu übernehmen hat.[311] Hieraus ergeben sich im Wege der Vor- und Nachwirkung Ermittlungs-, Anhörungs- und Begründungspflichten,[312] deren Details Gegenstand einer ausgedehnten bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur sind (dazu für die Untersuchungshaft sogleich bei Rn. 67 f.).[313]

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Die staatlichen Organe trifft eine Pflicht zur Effektivierung des Richtervorbehalts. Sie haben die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters zu gewährleisten und diesem eine sachangemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgaben zu ermöglichen.[314] Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss ein Haftrichter „jedenfalls zur Tageszeit“ verfügbar sein;[315] darüber hinaus ist jedoch auch außerhalb der regelmäßigen Dienstzeiten – d.h. an Wochenenden und Feiertagen[316] sowie nach zutreffender Ansicht bei einem über den Ausnahmefall hinausgehenden praktischen Bedarf auch zur Nachtzeit[317] – ein richterlicher Bereitschaftsdienst einzurichten. Mit Blick auf die Einhaltung des Richtervorbehaltes gem. Art. 104 Abs. 2 GG bei Fixierungen hat der Zweite Senat des BVerfG jüngst die Einrichtung „eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes“ verlangt, „der – in Orientierung an § 758a Abs. 4 S. 2 ZPO – den Zeitraum von 6 bis 21 Uhr abdeckt“.[318] In Abweichung von § 104 Abs. 3 StPO ist dieser Zeitraum auch im Hinblick auf strafprozessuale Durchsuchungen als Tageszeit anzusehen.[319]

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Für polizeiliche Ingewahrsamnahmen „aus eigener Machtvollkommenheit“, die nicht zum Zwecke der Strafverfolgung erfolgen,[320] statuiert Art. 104 Abs. 2 S. 3 GG als Höchstgrenze das Ende des auf die Ergreifung folgenden Tages.[321] Die in Satz 2 normierte Pflicht, eine richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen, wird durch diese Frist allerdings nicht suspendiert.[322] Erfolgte die Freiheitsentziehung wegen des Verdachts einer Straftat, so ist der Betroffene nach Art. 104 Abs. 3 S. 1 GG spätestens am Tage nach der Festnahme[323] dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe für die Festnahme mitzuteilen und ihm rechtliches Gehör zu gewähren hat. Auch insofern besteht die Pflicht zur Einrichtung eines richterlichen Bereitschaftsdienstes.[324] Nach Art. 104 Abs. 3 S. 2 GG hat der Richter unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen. Eine unter Missachtung der Vorgaben aus Art. 104 Abs. 2, 3 GG durchgeführte Freiheitsentziehung ist rechtswidrig und daher geeignet, eine Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Akteure wegen Freiheitsberaubung zu begründen.[325]

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