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2. Reichweite von § 136 RStPO

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§ 136 RStPO bedeutete in mehrfacher Hinsicht einen Bruch mit dem tradierten Verfahren. Im Gegensatz zum gemeinrechtlichen Prozedere war dem Beschuldigten bei seiner ersten richterlichen Vernehmung zu eröffnen, welche Handlung ihm zur Last gelegt wird (§ 136 Abs. 1 S. 1 RStPO).[126] Auch verankerte die Norm den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 136 Abs. 2 RStPO). Für Kontroversen sorgte indes der rechtliche Gehalt des § 136 Abs. 1 S. 2 RStPO („Der Beschuldigte ist zu befragen, ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle“).[127] Die Literatur leitete hieraus das Nichtbestehen von Antwort- und Wahrheitspflichten für den Beschuldigten ab.[128] Ungeachtet des konzedierten Schweigerechts beharrten manche Autoren auf einer fortbestehenden moralischen Pflicht zur Wahrheit. Während die einen dem Richter schon das Recht absprachen, den Beschuldigten auf das Schweigerecht hinzuweisen, sahen andere ihn hierzu geradezu verpflichtet.[129] Ähnlich kontrovers waren die Ansichten über die Zulässigkeit einer richterlichen Ermahnung zur wahrheitsgemäßen Aussage.[130] Anfangs plädierten lediglich vereinzelte Autoren für die Einführung ausdrücklicher Belehrungspflichten.[131] In den Beratungen zur Reform des Strafprozesses der Jahre 1905/1906 fanden entsprechende Anträge kein Gehör. Den Beschuldigten über seine Rechte zu belehren, provoziere erst deren Missbrauch.[132] Nach Ende des Kaiserreichs forderte etwa Goldschmidt ebenso prononciert wie folgenlos die Normierung von Hinweispflichten.[133] Erst das StPÄG von 1964 brachte – wenngleich gegen erhebliche Widerstände – die Einführung unzweideutiger Belehrungspflichten über das Schweigerecht.[134]

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