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A. Entwicklung in der Weimarer Republik
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In der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (im Folgenden: WRV) erfuhr die Justiz zumindest äußerlich eine Aufwertung, indem die Grundgedanken des GVG, insbesondere die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Richter sowie das Recht auf den gesetzlichen Richter, in einem eigenen Abschnitt verfassungsrechtlich verankert wurden. Im Übrigen galt das Strafverfahrensrecht gem. Art 178 Abs. 2 S. 1 WRV fort, soweit die neue Verfassung nicht entgegen stand. Für die Zulassung zum Richteramt waren gem. Art. 128 Abs. 1 und 2, 136 Abs. 2 WRV künftig nur noch Befähigung und Leistung, nicht aber Geschlechts- oder Religionszugehörigkeit maßgeblich.[1] Für Mitglieder des Reichstages oder eines Landtages regelte Art. 37 WRV nun reichseinheitlich die Immunität vor Strafverfolgung während der Sitzungsperiode. Weiterhin stand den Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 WRV in Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, soweit die Befragung im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Parlamentstätigkeit stand. Durchsuchungen oder Beschlagnahmen in den Räumen des Reichstages oder eines Landtages bedurften gem. Art. 38 Abs. 2 WRV der Zustimmung des jeweiligen Präsidenten. Art. 49 WRV übertrug das Begnadigungsrecht auf den Reichspräsidenten und machte damit das entsprechende Recht des Kaisers gem. § 484 RStPO obsolet. Der Grundrechtsteil der Reichsverfassung sicherte einige Verfahrensregeln zum Schutze des Beschuldigten verfassungsrechtlich ab. Gem. Art. 114 Abs. 2 WRV mussten Verhaftete die Gründe der Freiheitsentziehung erfahren und ihnen sollte Gelegenheit gegeben werden, unverzüglich Einwendungen gegen die Verhaftung vorzubringen.[2] Art. 115, 117 WRV regelten die Unverletzlichkeit der Wohnung und des Post- und Fernsprechgeheimnisses. Die Funktion, die Bürger vor staatlichen Eingriffen zu schützen, konnten die Grundrechte der WRV allerdings nur unzureichend erfüllen, zumal sie durch Notverordnungen (im Folgenden: NotVO) des Reichspräsidenten zunehmend ausgehöhlt wurden.[3]