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4. Körperliche Untersuchung des Unverdächtigen
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Den Gegenstand einer weiteren Auslegungskontroverse bildete die Zulässigkeit zwangsweiser körperlicher Untersuchungen von unverdächtigen Personen. Praktische Bedeutung erlangte die Frage vor allem für die Spurensicherung beim Verletzten. In der drastischen Zuspitzung durch v. Liszt: Musste es das Opfer eines Sexualdelikts, welches seinen „nackten Körper nicht freiwillig darbietet“, erdulden, dass ihm „die Kleider vom Leibe gerissen und alle sonst erforderlichen Gewaltmaßregeln angewendet werden“[141]? Die körperliche Untersuchung des Beschuldigten fiel unstrittig unter den Wortlaut des § 102 RStPO (Durchsuchung beim Verdächtigen). Die Untersuchung Unverdächtiger wurde vom Reichsgericht in denkbar weiter Auslegung auf § 103 Abs. 1 RStPO gestützt.[142] Die überwiegende Literatur kritisierte die offenkundig ergebnisorientierte Judikatur vehement als „unhaltbar“.[143] Ins Feld geführt wurde ein Verstoß gegen den eindeutigen, auf Hausdurchsuchungen beschränkten Gesetzeswortlaut[144], das Fehlen einer ausdrücklichen Befugnisnorm sowie das Unterlaufen von Zeugnisverweigerungsrechten. Zudem habe während des Gesetzgebungsverfahrens „keine Seele an die Möglichkeit einer (derartigen) Interpretation gedacht“[145]. Der gescheiterte Entwurf einer RStPO von 1904/1905 enthielt eine ausdrückliche Ermächtigungsnorm (§ 82 Abs. 2).[146] Rechtsklarheit im Sinne extensiver Eingriffsbefugnisse schaffte indes erst der nationalsozialistische Gesetzgeber im Jahre 1933.[147]