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Randolf Metzger saß noch etwas verschlafen in einem Café im Hauptbahnhof, auch wenn man sich die Frage stellen konnte, wie bei diesen geringen Ausmaßen des Haupt- ein Nebenbahnhof aussehen könnte. Der Kaffee entsprach, wie sollte es an diesem Ort auch anders sein, nicht seiner Beziehung zu „Cafe“. Was sollte er auch von einem Café erwarten, das überwiegend mit Bestellungen belästigt wurde, die als Ergebnis eine schwarze Brühe in Pappbechern mit Vanillegeschmack oder ähnlichen Abscheulichkeiten hervorbrachte. Er suchte in seinem Gedächtnis nach den wesentlichen Teilchen, die es wert waren, in seine gedankliche Zukunftsdatenbank in die Rubriken „Chance“ und „Just for fun“ abgelegt zu werden. Um den Zug nicht zu verpassen, stellte er auf seinem Smartphone die Weckfunktion mit einem Vorlauf von 15 Minuten vor Abfahrt ein.

Die gestrige Veranstaltung war erfolgreich verlaufen, was er an den vielen persönlichen Handreichungen und Vorstellungen der Gäste maß. Für diesen Abend hatte er es geschafft, der Bühnenstar zu sein. Die Geographieprobe durch die interessierte Mitvierzigerin konnte er durch geschickte Ablenkungsmanöver und Komplimente ihrer perfekten Ortskenntnisse und vor allem ihres exzellenten Geschmacks in allen Lebensbereichen umschiffen. Die heftige Windböe bei der Frage nach dem Namen der Patronin des besagten Restaurants an der Atlantikküste, manövrierte er durch ein lässiges aus dem Wind gehen mit „in der Küche nennt man sich nur beim Vornamen“ aus. Die Frage nach dem Vornamen blieb aus und hier war klar, dass er die Prüfung bestanden hatte beziehungsweise Frau Detektivin wohl auch etwas auf den Busch geklopft hatte. Danach schaffte er es noch rechtzeitig, mit der ihm bekannten jungen Dame in Kontakt zu treten, deren Begleiter er anscheinend doch durch eine kreative Unverträglichkeit aus dem Rennen geworfen hatte. Sie hatte eine besondere Klasse. Das homöopathische Zunicken in einer Dosis von, sagen wir in der Potenz C-200, signalisierte ihm die stille Übereinkunft zweier Verschwörer, die beide etwas zu verbergen hatten. Sie stellten sich einander wie bisher unbekannt vor. Und siehe da, auch sie nutzte anscheinend unterschiedliche Identitäten, soweit man die Beschreibung seiner beruflichen Tätigkeiten oder privaten Vorlieben, die man Fremden erzählt, als Identität bezeichnen konnte. Kurzum, jeder hatte nach dieser erneuten Kontaktanbahnung eine Telefonnummer mehr im Verzeichnis und er musste sich eingestehen, dass er insgeheim hoffte, dass sie darunter für ihn auch erreichbar war. Als sehr interessant erwies sich der Herr mit dem skandinavischen Akzent, dem er zu schnell anbot, ihn anstatt Herr Metzger Olof in Abwandlung von Randolf zu nennen. Dieser stellte sich mit Finn Magnusson vor und unterlies es, ihn aufzufordern, ihn zur Herstellung der Augenhöhe ebenfalls beim Vornamen zu nennen. Auch hier war die Distanz aktiv hergestellt. In diesem Fall von Finn, also Herrn Magnusson. Herr Magnusson war einer dieser superschlauen, eloquenten und dazu noch gutaussehenden Entrepreneure, die aus einer vermeintlich einfachen Idee mit Hilfe des Internets schon in jungen Jahren viel, viel Geld gemacht hatten. Und er war immer noch jung. Er war kein offensichtlicher Aufschneider und man musste ihm schon ein paar Details aus der Nase ziehen. Sein Interesse an der Kochkunst und deren Inszenierung war ausreichend motivierend, einige Anekdoten zum Besten zu geben und er konnte einen Visitenkartentausch recht unaufdringlich mit der üblichen Vereinbarung der gegenseitigen Wertschätzung über die Bühne bringen. Jenes Teil wurde in der Rubrik „Chance“ abgelegt. Die Gastgeber zahlten ihm, wie vereinbart, den zweiten Teil seines Honorars in Bar aus und er fasste sich bei diesem Erinnerungsteilchen automatisch an die Brusttasche.

Sein Smartphone machte sich bemerkbar. Er hatte für Erinnerungsmeldungen das Soundschnipsel mit dem Namen „Spielstunde“ gewählt, in der Hoffnung, dass kein anderer auf die Idee kommen könnte, so einen Blödsinn auszuwählen. Mit einem Lächeln erinnerte er sich, welch gymnastische Performance auf Bahnhöfen früher bei dem millionenfach genutzten Nokiaklingeln vonstattenging. Jetzt bewegte sich nur Randolf Metzger. Und zwar zügig zu Bahnsteig 2.

Das Gegenteil der Wirklichkeit

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