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Er hatte etwas recherchiert, um seinem Prinzip treu zu bleiben, möglichst gut vorbereitet zu sein. Bei der kurzen Vorbereitungszeit lag die Betonung auf möglichst. Der Name „Villa Steinfeld“ ging auf seine ehemaligen Eigentümer zurück. Jüdische Kaufleute, die bis zuletzt in Frankfurt mit ihrer großen lebendigen jüdischen Gemeinde ausharrten, um dann doch dem Naziterror in letzter Minute zu entfliehen. Wenn er richtig informiert war, war der Zufluchtshafen Nordamerika, was auf einen gewissen, zumindest gewesenen Vermögenshintergrund schließen ließ. Mehr war auf die Schnelle nicht aus dem Google-Gott herauszuholen. Es war also keineswegs notwendig ein vermintes Gelände hinsichtlich ethisch-politischer Einstellungen, oder aber genau das Gegenteil.

Glücklicherweise war im Moment keine Messe in Frankfurt und sie mussten für ein bezahlbares Quartier nicht in den Hintertaunus ausweichen. So kamen sie zu akzeptabler Taxe in einem Motel One im Messeviertel mit üblichem zweckmäßigem Ambiente unter, getrennte Zimmer inklusive. Ein weiterer Vorteil der zentralen Unterkunft war, dass man persönlich Ware vor dem Kauf begutachten und, wenn der Vorabend frei war, noch ein wenig in die Nacht abtauchen konnte.

Metzger war fast zeitgleich mit der Warenanlieferung vor Ort. Da er ohne eigenes Auto unterwegs war, nahm er das Angebot des Großhändlers, den Einkauf zur Villa zu transportieren, dankend an. Er selbst fuhr aber mit den Öffentlichen, um nicht wegen der Zwischenstationen warten und in dem muffig riechenden Lieferwagen mitfahren zu müssen. Das Haus war für eine Großstadt eindrucksvoll und in einer stillen Seitenstraße des Museumsviertel gelegen; Mauer, Eingang mit Überwachungskamera und der üblichen Wartezeremonie nach dem Klingeln inklusive. Sie wurden von der Dame des Hauses eingelassen. Frau Landweil war eine attraktive Mitdreißigerin mit blondierten Haaren, dem Antlitz von Geld und der Gewissheit, dass ihr äußerer Zustand exakt wie heute noch mindestens 10 Jahre erhalten bleiben wird, wenn auch unter Zuhilfenahme der modernen Fitness-, Ernährungs- und Schönheitsindustrie. Metzger stand darauf.

Während er sich die Räumlichkeiten zeigen lies, klingelte es ein weiteres Mal. „Das wird meine Assistentin sein“, warf Randolf Metzger ein und Frau Landweil zeigte sich überrascht, und mutmaßte wohl, dass ihr Gatte wohl gleich zwei Personen geplant hatte und mal wieder sein Budget erheblich überschreiten würde. Ihre etwas spitze Bemerkung: „so, darüber bin ich gar nicht informiert worden“, bestätigte seine Einschätzung. Klarer Fall von: das Geld kommt zwar nicht aus meiner Familie, aber mein lieber Mann schmeißt es mit vollen Händen raus. Damit die Stimmung nicht von vornherein zu kippen drohte, konterte Metzger fast ein wenig zu lässig: „Rebecca von Siebenreif geht auf meinen Deckel und wird den Rahmen des Budgets nicht belasten.“ Ob das die Stimmung nun rettete, war nicht zu klären. Mit Sicherheit jedoch hinterließ das „von“ im Namen der „Assistentin“ eine gute Stimmung. Die Eitelkeit der Menschen zu stimulieren, hat ja bisher selten geschadet, dachte Randolf, und war mit sich bis jetzt sichtlich zufrieden.

Nach einer kurzen Vorstellung setzten sie den kleinen Rundgang durch die Villa nun als Dreier und das recht flott fort. Eigentlich sollten Sie auf dem schnellsten Weg zur Küche und vorher noch durch das Esszimmer geleitet werden. Der schnellste Weg war offensichtlich durch die Bibliothek und dies verschaffte zumindest für zwei der drei Personen ein besonderes „Aha-Erlebnis“. Sowohl Rebeccas als auch Metzgers Blick blieb kurz an einem außerordentlichen Bild hängen: ein Impressionist voller Leuchtkraft, nur das Motiv verstörte sie ein wenig. Noch als sie in Küche und Esszimmer in alles Wesentliche eingeführt wurden, hing es ihnen nach, was ihre Konzentration ein wenig störte.

Kaum waren sie unter sich, platzte es zeitgleich aus ihnen heraus: „Hast Du das Bild gesehen?“ Metzger antwortete als Erster: „Ja, sicher, aber irgendetwas stimmt daran nicht. Das Bild von Max Liebermann, das im Frankfurter Städel hängt, zeigt ein Waisenhaus und zwar für Mädchen!“ Rebecca nickte zustimmend und fügte gleich noch ein paar Details hinzu, die das Gesamtwerk des Malers und dessen Wert betrafen.

Es klingelte erneut. Wahrscheinlich wurde das Geschirr angeliefert.

Das Gegenteil der Wirklichkeit

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