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Glücklicherweise gab es einen Bäcker an der nächsten Ecke und der Erwerb der Brötchen und Croissants nahm nicht allzu viel Zeit in Anspruch. Als er die Tür wieder aufschloss, saß sein Überraschungsübernachtungsgast schon am Tisch und hatte sich nützlich gemacht. Er bereitete zwei Café zu und stellte noch ganz unprätentiös eine Karaffe Leitungswasser dazu. Es hatte schon seinen Grund, dass Elania bei ihm übernachtete. Es lag weniger an ihm, als an Urs Gärtner, mit dem sich seine Nachbarin gestern bestens amüsiert hatte und der ihrer ziemlich besten Freundin die versprochene Betthälfte nicht mehr anbieten konnte oder besser wollte.

Elania war, wie sollte es auch anders sein, nicht Elania, sondern Rebecca von Siebenreif, ein adliger Name mit gesundem wirtschaftlichem und familiärem Hintergrund. Der Tarnname war unter den Freundinnen bekannt und so war es kein Wunder, dass seine Nachbarin Judith so locker mitspielte.

Da er seine schnelle Abreise vorbereiten musste, erzählte er ihr in Kurzform, womit er aktuell sein Geld verdiente und dass er sich nun um eine Zugverbindung kümmern müsste. Sie bot sich postwendend als Praktikantin ohne Verdienst an, um die Gelegenheit zu erhalten, einem guten Koch über die Schulter zu schauen und, das dachte sie sich still, Zugang zur Villa Steinfeld in Frankfurt zu erhalten. Für Randolf war das eine echte Win-win-Situation, da er Spesen und Hilfspersonal voll abrechnen konnte und zusätzlich eine attraktive Begleitung hatte, was sich eventuell zusätzlich positiv auf seine Reputation auswirken konnte. Sofern sie nicht zu sehr im Weg stand.

Als der ICE aus dem Bahnhof rollte, hatten sie zwei hektische, aber effiziente Stunden hinter sich: der immer fertige Kochutensilienkoffer plus zweimal kleine Garderobe, kurze Nachricht an die Nachbarin, aus deren Wohnung noch kein Ton zu vernehmen war, und dann per Tram zum Bahnhof. Das ging erfahrungsgemäß am schnellsten. Die nächsten gut vier Stunden boten Zeit, die schnellentschlossene Praktikantin für ihre Rolle als Assistentin zu instruieren. Im echten Leben arbeitete sie in einer Galerie und für Auktionshäuser, mit welchen sie den Traum teilte, eines Tages ein verschwundenes Meisterwerk zu entdecken.

Da Metzger es strikt ablehnte, fertig belegte Baguettes aus einem der immer zahlreicher werdenden Bahnhofsverkaufsständen zu kaufen, versorgten sie sich mit ausreichend gutem Roggenbrot, einem Pfund Sbrinz, Rebeccas Lieblingshartkäse, herrliche Mortadella mit Pistazien, Mayonnaise, den Umständen geschuldet aus der Tube und für den ordentlichen Rahmen eine weiß-rot karierte Tischdecke. Sie hatten noch zwei Plätze am Tisch im Großraum der zweiten Klasse ergattert und fingen schon kurz nach Freiburg an, den Hunger zu stillen.

Die Kontrolleurin, die kurz hinter Basel schon einmal die Karten kontrolliert hatte, blieb nun nochmals stehen und fragte, ob sie neu zugestiegen wären, mit einem anerkennenden Blick ob des für den Großraumwagen nahezu festlich gedeckten Tisch. Lediglich die Plastikwasserflaschen passten nicht ins Bild. Professionell schlug die junge Kontrolleurin mit dem nach anderen Berufsbildern klingenden Vornamen Monique die höffliche Einladung zu kosten aus.

Metzger fing an, begleitet von den interessierten Rückfragen seiner neuen Assistentin, das Menü zusammenzustellen.

In einem längeren Telefonat mit Hans, seinem direkten Auftraggeber, versuchte er anhand der Charakteristik der Gesellschafft, des Anlasses und der Gästezahl, ein geeignetes Szenario zu planen, das dem Essen genug Aufmerksamkeit verlieh, sich aber trotzdem nicht als Hauptanlass in den Vordergrund drängte.

18 bis 20 Personen waren gut zu zweit zu bewältigen und nach Aussage von Hans bot die Küche des Hauses einen sechsflammigen Herd mit übergroßem Backofen. Die Eventagentur musste nun noch das passende Geschirr, Besteck und Gläser anliefern. Die Getränke würde er morgen als Erstes anliefern lassen, damit sich der Wein beruhigen konnte und das Bier und der Champagner auch sicher gekühlt waren. Der heutige Abend würde noch reichen, den Menüplan semantisch aufzubereiten und die entsprechenden Informationen und Formulierungen an Hans zu mailen, damit dieser noch ein wenig zusätzliche Verpackung für das Gesamtpaket lieferte, das dann, wie meistens, zufriedene Gäste und damit den zufriedenen Auftraggeber zurückließ.

Das Gegenteil der Wirklichkeit

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