Читать книгу Jochen Klepper - Markus Baum - Страница 21
Neuland Radio
ОглавлениеDie »Schlesische Funkstunde A. G.«35 hat ihren Sendebetrieb 1924 aufgenommen; ihr Sendegebiet umfasst die Oberpostdirektionen Breslau, Liegnitz und Oppeln, und damit kann der Sender rein theoretisch 4,5 Millionen Menschen erreichen. Tatsächlich haben 1927 etwas mehr als 100 000 Haushalte im Sendegebiet ein Radiogerät, Tendenz stetig steigend. Noch muss man sich das Radio leisten können, ganz billig ist das Vergnügen nicht, aber deshalb umso erstrebenswerter. Die »Schlesische Funkstunde« ist ein Kultursender. Zweiter Mann nach dem Vorstandsdirektor ist bereits der künstlerische Leiter (und spätere Intendant) Fritz Walter Bischoff. Man hält sich eine dreizehnköpfige Funkkapelle, und auch das Schlesische Landesorchester mit seinen 75 Mitgliedern ist fest gebucht. Lesungen, Essays, Buchbesprechungen, Hörspiele und Konzerte machen den Großteil des Programms aus. Daneben gibt es Volkstümliches wie die Auftritte des schlesischen Komikers Ludwig Manfred Lommel, der mit seinen Sketchen das neue Medium ironisch auf die Schippe nimmt und vorgibt, für einen (natürlich rein fiktiven) »Sender Runxendorf« zu sprechen. Lommel ist damit der Urahn von Radio-Comedysendungen wie Peter Frankenfelds »Valsch verbunden« in den 60er-Jahren oder »Stenkelfeld« kurz vor und nach der Jahrtausendwende.
Zu besprechen gibt es also eine Menge, und das obliegt beim Evangelischen Presseverband nun Jochen Klepper. Den »Rundfunkpressedienst« wird er drei Jahre lang versehen. Diese berufliche Nähe zum Sender bringt es mit sich, dass er schon bald auch selbst der »Schlesischen Funkstunde« zuarbeitet. Sein Debüt im Radio gibt er am 12. Juni 1927 mit einem Beitrag zum 200. Todestag von August Hermann Francke. Und wer Hörfunksendungen rezensieren und selbst gestalten will, muss auch selber Radio hören. Also lässt er sich in seiner Wohnung in Kleinburg einen Empfänger installieren.
Die Arbeit beim EPS dient vor allem dem Broterwerb, aber zusammen mit seinen freien journalistischen Arbeiten füllt sie ihn aus und tut ihm auch körperlich gut. »Alle hässlichen Überreizungserscheinungen sind geschwunden und die Kopfschmerzen auf ein Maß zurückgegangen, wie sie schließlich fast jeder geistige Arbeiter hat«, berichtet er brieflich an Rudolf Hermann. »Erklären kann ich mir nur nicht, dass ich immer noch so viel abnehme.«36 Diese Selbstaussage deckt sich mit Kurt Ihlenfelds erstem Eindruck von Jochen Klepper: Er begegnete in den Büroräumen des Presseverbandes »einem schmächtigen, in etwas zu weiträumigem blauen Anzug steckenden jungen Mann, der sich zögernd, als fiele es ihm schwer, sich von seinen Gedanken zu trennen, von seinem Platz erhob.«37
Zumindest mit einer Gehirnwindung denkt der »junge Mann« gelegentlich noch an seine theologische Abschlussarbeit. Das Werk ist bis Ende 1926 bereits auf 500 Seiten angewachsen (viel zu viel, er müsste es drastisch herunterkürzen), aber mittlerweile hat er es zum Steinbruch für Artikel umfunktioniert. Von der Vollendung ist er weit entfernt. Die journalistische und literarische Arbeit nimmt ihn voll und ganz in Beschlag. Er macht sich also selbst etwas vor, wenn er im Oktober 1927 an Rudolf Hermann schreibt: »Die Lizenziatenarbeit muss doch auch endlich zu einem Abschluss geführt werden [...] Herrn Professor Kohlmeyer bin ich sehr dankbar, dass er mit meiner Arbeit solche Geduld hat. Habe ich promoviert, möchte ich dann am liebsten als ganz freier Literat leben. Dem Evangelischen Presseverband hoffe ich auch in nicht allzu langer Zeit kündigen zu können.« Nur um sofort einzuschränken: »Aber in Geldangelegenheiten bin ich vorsichtig [...] Die finanziellen Notwendigkeiten entheben einen aller beruflichen Entscheidungen.« Andererseits vermeldet er stolz: »Nun habe ich ununterbrochen Aufträge, nicht nur in Schlesien. Ab und zu steht jetzt auch manchmal schon nicht von mir, sondern über mich etwas in der Zeitung.«38
Ende des Jahres ist keine Rede mehr von Kündigung beim EPS, allerdings: »Das Niveau hat sich im Ganzen gehoben. Bessere Zeitungen und Zeitschriften, die Aufträge mehr nach meinen Wünschen, wesentlich höheres Einkommen (jetzt bekomme ich für einzelne Arbeiten schon 300 Mark) und im Evangelischen Presseverband nur noch täglich vier Stunden Dienst.«39