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Bad Governance

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Von den Barmat-Krediten in Höhe von knapp 10 Mio. GM will die Generaldirektion der Staatsbank erst im Mai 1924 erfahren haben, alle seien »überrascht« gewesen. Tatsächlich hatte erst eine interne Revision, die in einem anderen Zusammenhang erfolgt war, gezeigt, dass Julius Barmat bzw. die Amexima mit zu den größten Schuldnern der Staatsbank gehörte. In einer wichtigen Sitzung schon am 19. Mai fasste das Direktorium den Beschluss, die Kredite der drei Großkunden Barmat, Kutisker und Michael nicht nur nicht weiter zu erhöhen, sondern abzubauen. Die Summe stünde in keinem Verhältnis weder zum massiv geschrumpften Eigenkapital der Bank noch überhaupt zu den eingelieferten Sicherheiten, hieß es. Die Konten sollten langsam verringert und auf keinen Fall mehr erhöht werden.36

Das hinderte die zuständigen Beamten in der Folgezeit jedoch nicht, weitere Kredite zu vergeben. Forderungen nach schneller Rückzahlung und Verstärkung der Sicherheiten gingen noch im Juni Hand in Hand mit neuen Krediten in Höhe von 3,5 Mio. GM, die die Merkurbank und die Handelsbank erhielten. Mit den Betrieben Roth und Burger kamen weitere Schulden hinzu. War darin ein Verstoß gegen die Dienstpflichten zu sehen, wie die Staatsbank vermutete? Die Beamten verteidigten sich damit, nicht an der Sitzung am 19. Mai teilgenommen und von dem Beschluss keine Kenntnis erhalten zu haben.37 Das sagt viel über die Kommunikations- und Führungsstrukturen im Haus am Gendarmenmarkt aus. Im Rückblick geißelte Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht die dilettantische Geschäftsführung und ließ kein gutes Wort weder an der Bankverfassung noch an den Beamten einschließlich ihrer Spitze, die »keine volkswirtschaftlich irgendwie nützlichen Kredite« vergeben hätten.38 Für die Staatsanwaltschaft (im Gegensatz zum sehr viel milderen Gericht) war das einmal mehr eine Verletzung der Dienstpflichten, da es die Aufgabe der Dezernenten gewesen wäre, Kreditgeschäfte dieses Umfangs in der Generaldirektion nach unten zu kommunizieren.39 Als die Staatsbank der Amexima schließlich die Pistole auf die Brust setzte und sie aufforderte, bis zum 15. Juli 1924 »mindestens einiges zurückzuzahlen«, erklärte sich Barmat dazu außerstande – die Staatsbank gewährte ihm daraufhin eine Stundung der Schulden.40

Wirtschaftliche Strategien der Staatsbank nach der Inflation und eine schlechte Unternehmensführung erklären nicht allein das grenzenlose Vertrauen der Beamten in die Geschäfte Barmats. Weder in den hitzigen öffentlichen Debatten noch in der Aufarbeitung durch die Justiz fand ein anderer Punkt Beachtung, der interessanterweise bei den Verhandlungen des preußischen Untersuchungsausschusses angesprochen, aber auch hier nicht weiter verfolgt wurde: Julius Barmat hatte sich schon im Oktober 1923 de facto voll und ganz der Preußischen Staatsbank ausgeliefert, indem er dieser seine deutschen und niederländischen Vermögensanteile in den Niederlanden in Form von Blankoakzepten in die Hände legte. Das war die entscheidende Voraussetzung für die schon genannten riskanten Kredite während und nach der Währungsstabilisierung. Seit dem Sommer 1924 bemühte sich Julius Barmat darum, diese Akzepte gegen eine Geldsumme auszulösen und gegen andere Sicherungen umzutauschen. Darauf wiederum ließ sich die Bank nicht ein, versicherte ihm in diesem Zusammenhang aber wiederholt, dass er ihr vertrauen könne.41 Das war ein Versprechen, das, wie im Folgenden noch zu sehen sein wird, nicht eingehalten wurde. Und das hat mit Ereignissen zu tun, die in die Reichspost führten.

Kapitalismus und politische Moral in der Zwischenkriegszeit oder: Wer war Julius Barmat?

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