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Reichspostminister Höfle auf Abwegen

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Ein anderer Handlungsstrang in Bezug auf die Barmat’schen Kreditgeschäfte führte zur Reichspost und von dort über andere öffentliche Kreditinstitute wieder zurück zur Preußischen Staatsbank. Es ist eine vertrackt-komplizierte Geschichte mit einer Reihe von Akteuren: Dazu zählt der aus dem Rheinland stammende 57-jährige Zentrumspolitiker und Reichstagsabgeordnete Hermann Lange-Hegermann, den Barmat offenbar im April 1924 im Zusammenhang mit dem Erwerb der Berliner Merkurbank kennengelernt hatte. Der Sohn eines Bottroper Schneidermeisters war zunächst in die Fußstapfen seines Vaters getreten, baute noch vor dem Krieg dessen Geschäft zu einem Großhandel für Baumwollwaren aus und verlegte sich im Krieg erfolgreich auf die Kriegsproduktion von Bekleidungsstücken und Zündern. Nach 1918 stieg er ins Verlagsgeschäft ein und kaufte die Recklinghauser Volkszeitung, ein Zentrums-Blatt. In seiner Partei hatte er sich über die Jahre hinweg langsam hochgearbeitet. 1920 rückte er für das Zentrum in den Reichstag ein, wo er als Sachverständiger für Finanz- und Wirtschaftsfragen sowie für die besetzten Gebiete galt. Mit seinen farbigen Halbschuhen und Seidenstrümpfen stach der gewiefte, elegant auftretende »Bottroper Schneidergeselle«, der, wie ein kritischer Beobachter meinte, den Anschluss an die »Inflations- und Deflationsgewinnler« gefunden habe, nicht zuletzt auch in seiner eigenen Partei hervor.42

Lange-Hegermann saß seit der Gründung der Merkurbank 1922 in deren Aufsichtsrat. Die Bank wurde zur Zentralstelle des gesamten Barmat’schen Unternehmens in Deutschland, wobei, wie schon gezeigt, nicht klar war, ob der neue Besitzer, Barmat bzw. die Amexima, auch den Kurs bestimmen konnte. Die Merkurbank war ebenfalls bereits im Besitz maroder Firmen, darunter die niederschlesische Westerwälder Braunkohle A. G. Als sich 1924 ihre Verbindung mit Julius Barmat und die Kapitalerhöhung herumsprachen, wurde die Bank mit Anfragen Not leidender Firmen wegen Darlehen und Übernahmen von Aktienpaketen überhäuft. Lange-Hegermann orchestrierte nun offenbar in vielen Fällen sehr weitgehend den Ankauf solcher Firmen, deren Besitzer einmal mehr Julius Barmat die Kreditbeschaffung überließen, und zwar gegen Überschreibung von Anteilen oder Aktien der jeweiligen Gesellschaft.43

Von mindestens ebenso großer Bedeutung war Lange-Hegermann bei der Erschließung von neuen Geldquellen. Frisches Geld brauchte der Konzern dringend, da die Preußische Staatsbank im Sommer ja auf eine Abzahlung der Schulden drängte. Hier zahlten sich Lange-Hegermanns Verbindungen zum Reichspostminister Anton Höfle (Zentrum) aus. Beide kannten sich aus Vorkriegstagen im Volksverein für das katholische Deutschland in Mönchengladbach, einer Massenorganisation des politischen Katholizismus. Außerdem entstammten beide Politiker demselben Wahlkreis. Es besteht kein Zweifel daran, dass Lange-Hegermann nicht zuletzt aus Eigennutz Höfle für Barmat einzunehmen vermochte (auch wenn das Gericht später diese von der Staatsanwaltschaft gelegte Spur nicht verfolgen sollte).

Kapitalismus und politische Moral in der Zwischenkriegszeit oder: Wer war Julius Barmat?

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