Читать книгу Später Aufbruch - Martin Ressagg - Страница 12
Wohin geht der Weg?
ОглавлениеGut. Das AMS hatte also nicht das allergeringste Interesse, mir eine Umschulung zum Pädagogen zu ermöglichen. Gott sei Dank strotzte das Internet geradezu von verlockenden Jobangeboten. Ich hatte bei der lokalen Einschränkung einen relativ großen Radius gewählt, denn ich würde mir ja ohnehin aussuchen können, wo meine Schmerzgrenze hinsichtlich Arbeitsweg dann liegen würde. Dies müsste man sicherlich im Bezug auf das zu erwartende Gehalt sehen, denn ich hatte keine Ambitionen, für ein Nettogehalt von 1500 Euro monatlich hundert Kilometer am Tag zu fahren.
Im Keller hatte ich ein kleines Fotostudio aufgebaut. Eine gute Spiegelreflexkamera, zwei synchronisierte Aufsteckblitze, ein großer, neutraler Hintergrundkarton und die Unterstützung meiner Frau – so entstanden einige sehr brauchbare Bewerbungsfotos. Da meine letzten Bewerbungsschreiben schon Jahre zurücklagen (natürlich hatte ich auch während meiner Tätigkeit bei den Bammers fallweise eine Testbewerbung abgeschickt), musste erst einmal alles auf den neuesten Stand gebracht werden. Die letzten absolvierten Kurse im Lebenslauf eintragen, Bestätigungen einscannen usw. – aber ich hatte ja Zeit. Insgesamt sandte ich in den folgenden Wochen gut 35 Bewerbungen aus. Teilweise auch für Positionen, bei denen das angegebene Gehalt mir bereits signalisierte, dass sie für mich wahrscheinlich nicht in Frage kommen würden. Teils auch auf ausgeschriebene Stellen, für welche ich wohl haushoch überqualifiziert sein würde. Aber einen Job wie bei der Firma Bammer würde ich wahrscheinlich ohnehin mein Lebtag lang nicht mehr erwischen. Ach ja, auch das sei noch erwähnt: Selbstverständlich erhielt auch die Frau Magister vom AMS eine Bewerbung von mir. Ein Pöstchen im Schoße unseres Staates mag vielleicht nicht ganz so gut bezahlt sein wie mein letzter Job in der Privatwirtschaft, aber sehr sicher ist er allemal.
Ich hatte mich in dieser Zeit gut eingeteilt: Ich nahm an Informationsveranstaltungen des WIFI teil und ließ mich auch in Einzelgesprächen detailliert über den Weg in die Selbstständigkeit informieren. Natürlich hatte ich nie im Sinn, die x-te Ein-Mann-Werbeagentur im Großraum Domstadt zu gründen, denn die meisten Agenturen leben leider nicht von ihren hervorragenden Leistungen, sondern von den Beziehungen zu Politik und Wirtschaft. Da sah es bei mir leider düster aus: Wohl kannte ich eine Vielzahl an Leuten, die man eben kennt – bis hinauf zum Landeshauptmann, mit dem ich vor Jahrzehnten einige Milizübungen beim Bundesheer absolvieren durfte. Es fehlte mir jedoch absolut am Talent des »Beziehungsmanagements«. Stets hatte ich meine Energie darin investiert, fachlich kompetent zu sein und aus meiner Kreativität das Maximum herauszuholen, hatte auch viel Schweiß und nächtliche Gedanken darin investiert, wie ich die mir anvertrauten Projekte so umsetzen konnte, dass ich selbst mit Stolz darauf würde blicken können – aber ob mich jemand aus der »oberen Gesellschaft« dafür mögen oder mich zum Freund haben wollen würde, das war mir immer herzlich egal. Daher mein Entschluss: Keine Werbeagentur! Aber ich hatte einige andere gute Ideen – Produkte, die in unserer Welt viel Sinn machen könnten und auch den entsprechenden Abnehmerkreis finden mochten. In diese Richtung gingen meine Überlegungen. In der Wirtschaftskammer gibt es eine Anlaufstelle für potentielle Unternehmensgründer. Dorthin wandte ich mich und hatte alsbald einen Termin bei einem sehr kompetent wirkenden Magister. Wir verstanden uns auf Anhieb, interessiert hörte er sich an, welche Projekte ich wälzte und in welcher Weise ich die Realisierung derselben in Angriff nehmen wollte. Dabei half mir meine Marketingausbildung, wir waren ja dort unter anderem darin gedrillt worden, welche Argumente etwa eine Bank hören möchte, bevor sie ein Wirtschaftsprojekt unterstützt. Der WK-Berater schien sehr positiv zu meinen Ideen zu stehen, auch die Art und Weise der von mir geplanten Umsetzung und die von mir angedachten Varianten der Markterschließung dürften ihn überzeugt haben. Er selbst brachte noch zwei oder drei Kontakte in das Gespräch ein, von welchen er annahm, dass diese eventuell Interesse an einer Zusammenarbeit haben bzw. mir Vertriebswege öffnen könnten. Nach einer Stunde sehr guten Gesprächs kam mir der Berater noch etwas mehr entgegen: Er würde mir einen für mich kostenlosen Gesprächstermin bei einem Unternehmensberater vermitteln, der in Fragen innovativer Produktideen für die WK tätig ist und mir also noch weitere wertvolle Tipps geben könnte. Mit einem überaus positiven Gefühl verließ ich das prachtvolle Gebäude der Domländer WK – hier fühlte ich mich wohl und verstanden, das könnte also mein künftiger Weg werden.