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Die Aufnahmeprüfung
ОглавлениеAnfang Juli waren die »Aufnahmeprüfungen« an der Pädagogischen Hochschule zu absolvieren. Am ersten Tag ging es darum, innerhalb einer kleinen Gruppe von Studenten glaubhaft die Motive für die getroffene Berufswahl zu präsentieren. Dabei wurde jeweils folgender Ablauf gewählt: Von einem Professor wurde kurz das Thema erklärt, welches die Präsentation behandeln sollte. Dann hatte man zehn Minuten Zeit, um sich auf das Thema vorzubereiten, und schließlich sollte das Ergebnis in einer etwa drei Minuten dauernden, möglichst freien Rede dem Publikum übermittelt werden. Meine armen, jungen Mitprüflinge schrieben sich in der zur Verfügung stehenden Zeit fast die Finger wund, um dann – sich krampfhaft an ihren Zettelchen festhaltend – die Stichworte abzulesen und in der verbleibenden Zeit stakkatoartig zu beteuern, wie gut man doch für diesen Beruf geeignet sei und wie viel Freude man denn an Kindern habe. Dazu kam, dass jene gestrenge Professorin, welche uns am ersten Vormittag begleitete, die Stoppfunktion ihres iPhones aktivierte und exakt die Einhaltung der vorgegebenen Redezeit kontrollierte. Ich hatte beschlossen, mir keine Notizen zu machen. Aus etlichen Erfahrungen, die ich in den von mir absolvierten Kursen gemacht hatte, wusste ich, dass es mir möglich wäre, eine dreiminütige Präsentation auch ohne Stichwortzettel zu halten. Nach meinem Ermessen gelang das auch ganz gut.
Die Vorgangsweise blieb die gleiche, als es darum ging, sich für seine fiktiven Schüler ein Schulprojekt auszudenken und dieses dann auf einem fiktiven Elternabend den staunenden Eltern zu präsentieren. Während meine künftigen Kommilitonen Skikurse und gesunde Jause präsentierten, also Projekte, die sie als Schüler soeben noch selbst erlebt hatten, entschloss ich mich, eine fächerübergreifende »Zukunftswoche« an der Schule einzuführen. In dieser Woche sollten die Schüler aufgefordert werden, ihre Vorstellungen von ihrer eigenen Zukunft zu präsentieren, anstatt ein fertiges Konzept der Erwachsenenwelt vorgesetzt zu bekommen. Mit viel Verve präsentierte ich dieses Projekt, sprach neben den fiktiven Eltern auch mein fiktives Kollegium an, schrieb in Riesenlettern an die Tafel und pries den Nutzen, den die ganze Gesellschaft aus einem solchen Projekt ziehen könne. Gott sei Dank hatte inzwischen ein Professorenwechsel stattgefunden, denn die drei Minuten werde ich bei dieser Präsentation wohl nicht ganz eingehalten haben.
Am letzten Prüfungstag war ein Rechtschreibtest angesetzt. Dankenswerterweise hatte jemand in den Hinweisen zur Anmeldung einen Link zu einem ähnlichen Test gesetzt, so konnte ich einige Tage zuvor bereits nachsehen, wie dieser Test so abläuft. Da ich an meinem Rechner die Lautsprecher nicht angeschlossen hatte, bekam ich nicht mit, dass der Test auch akustische Anweisungen gab. So wunderte ich mich sehr, dass ich beim Ausfüllen von Leerfeldern, für welche mehrere Begriffe möglich waren, immer null Punkte bekam. Erst später bemerkte ich, dass hier genau jene Wörter zu ergänzen waren, welche eine sonore elektronische Stimme vorgab. Bei meinem ersten Testlauf hatte ich etwa 85 %, damit war ich einigermaßen zufrieden. Am Vorabend des Rechtschreibtests entschloss ich mich, den Beispieltest nochmals zu absolvieren, dabei hatte ich die Lautsprecher angeschlossen. Mit einer Quote von diesmal 93 % war ich durchaus zufrieden und ging am nächsten Tag voller Zuversicht zum Test. Die gnädigen Professoren und der Computer dürften meine Leistungen allesamt recht positiv beurteilt haben. Als etwa eine Woche später die Ergebnisse veröffentlicht wurden, stellte sich Folgendes heraus: Von etwa 140 Bewerbern konnten insgesamt 110 die Aufnahmeprüfung erfolgreich ablegen. Die anonymisierte Reihung zeigte mir zu meiner großen Überraschung aber auch, dass ich unter den 110 zukünftigen Studenten meiner Sparte an die 28. Stelle gereiht worden war. Ich schien also doch nicht ganz so unfähig zu sein, wie ich dies aufgrund meiner erfolglosen Bewerbungen inzwischen hatte annehmen müssen.