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Adele muss gehen

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Wirklich gedankt hat man Adele ihre Loyalität jedoch nicht: Nach einem Mitarbeitergespräch Adeles mit der Chefin, über dessen Inhalt man bis heute nichts Genaueres weiß, kühlte die Beziehung schlagartig ab. Die Chefin würdigte ihre einstige Geheimdienstoffizierin keines Blickes mehr. Hatte sie ihr etwas mitzuteilen, betrat sie das Büro und beauftragte Suuus, Adele dieses und jenes auszurichten, obgleich die Angesprochene nur fünf Meter entfernt an ihrem Arbeitsplatz saß. An einem frühen Winternachmittag vor einigen Jahren sah ich Adele – hochrot im Gesicht und begleitet von Albrecht, dem allerengsten Vertrauensmann der Geschäftsleitung – die Treppen hinuntersteigen. Obwohl mitten während der Arbeitszeit, trug sie ihre rote Daunenjacke und ihre Handtasche unter dem Arm. 15 Minuten später rief der Chef zu einer »Mitarbeiterbesprechung«, wie sie nur alle paar Jahre einmal stattfand. In einem großen Büro im Erdgeschoß standen die etwa 20 Angestellten der Firma in einem großen Halbkreis, während der Chef mit Leidensmiene verkündete, er habe Adele soeben fristlos entlassen müssen. Nicht dass sie in irgendeiner Weise kriminell gewesen oder der Firma auf andere Weise in den Rücken gefallen sei, aber ihr sei bereits zum zweiten Mal ein Fehler unterlaufen, der die Firma viel Geld koste, er müsse diese Konsequenz daher also ziehen.

Ich bin heute mit Adele in losem Kontakt. Nach ihrem Ausscheiden aus der Firma veränderte sie sich Gott sei Dank um 180 Grad. Obwohl sie große Scheu davor hatte, irgendwelche kompromittierenden Interna preiszugeben, teilte sie einigen von uns bei einem späteren Treffen mit, was ihre fristlose Entlassung bewirkt hatte: In ihrer versperrbaren Schreibtischlade hatte sie eine Mappe, darin, nach Tagen geordnet und fein säuberlich durch Zwischenblätter getrennt, jene Zahlungen, welche zum jeweiligen Zeitpunkt getätigt werden mussten. So brauchte sie nur das aktuelle Blatt aufzuschlagen und hatte alle anstehenden Erledigungen parat. Eines Tages wurde ihr mitgeteilt, dass irgendetwas nicht termingerecht erledigt worden sei, dadurch sei der Firma ein Schaden von etwa 16.000 Euro entstanden, zufällig etwas mehr, als die Firma ihr an Abfertigung zu bezahlen gehabt hätte. Natürlich nahm sie unverzüglich ihre Mappe zur Hand und schlug jenes Blatt auf, wo sich die angeblich vergessene Aufgabe befinden hätte müssen. Und siehe da: Wie durch ein Wunder befand sich unter all den leeren Blättern jene verhängnisvolle Seite, wo ein einziges Blatt zurückgeblieben war: die unerledigte Finanztransaktion, welche angeblich den Schaden für die Firma verursacht hatte. Ich brauche an dieser Stelle wohl kaum zu erwähnen, wer außer Adele noch einen Schlüssel für diese Schreibtischlade hatte.

Man bot Adele an, auf eine Klage wegen der 16.000 Euro zu verzichten, wenn sie im Gegenzug dafür darauf verzichte, in ihrer Angelegenheit die Arbeiterkammer oder gar das Arbeitsgericht zu bemühen. Die Geschäftsleitung wusste wohl, dass sie dieses Angebot annehmen würde. Eine elegante Lösung für die Firma. »Drei zu null für die Chefin«, möchte man da fast sagen.

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