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Karriereknick

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Als ich mich seinerzeit bei den Bammers bewarb, war dort die Position eines »Marketing-Managers« ausgeschrieben. Zwar hatte ich keine fundierte Marketingausbildung, war jedoch immer im Bereich der Gestaltung, der Werbung, fallweise der Pressearbeit und auch im Randbereich des Marketings eingesetzt. Das war im Vorstellungsgespräch überhaupt kein Hindernis. Ich konnte sehr gelungene Arbeitsproben vorlegen. Meine Kreativität und die erkennbare Fähigkeit, Ideen in gelungener Weise umzusetzen, befähigten mich demnach, in diesem Unternehmen die Position des Marketingmanagers einzunehmen. Als bald darauf Visitenkarten produziert werden mussten, setzte ich diese Jobbezeichnung stolz unter meinen Namen.

Alle Angestellten der Firma absolvierten etwa einmal jährlich ein Gespräch bei der Chefin. »Novembergespräche« hatten diese Unterredungen ursprünglich geheißen, wohl in Anbetracht der Stimmung, welche deren Ankündigung alljährlich unter den betroffenen Mitarbeitern auszulösen vermochte. Später wurden sie in »Mitarbeitergespräche« umbenannt. Etwa fünf Jahre nach meinem Eintritt in die Firma absolvierte Stella ein solches Mitarbeitergespräch. Stella war die Freundin unseres Juniors und zu dieser Zeit in der Telefonzentrale beschäftigt. Leider war sie nach etwa einem Jahr mit dieser Tätigkeit nicht mehr recht glücklich und wollte ein interessanteres Betätigungsfeld. Natürlich hatte sie erkannt, dass mein Arbeitsbereich eines der interessantesten Beschäftigungsfelder im Unternehmen darstellte, daher deponierte sie bei der Chefin den Wunsch, mittelfristig in eine Tätigkeit im Marketingbereich wechseln zu wollen. Da dieses Ansinnen noch in der Zeit vor dem »Großen Zerwürfnis« geäußert wurde, sann man in der Geschäftsleitung darüber nach, wie der Schwiegertochter in spe dieser Wünsch erfüllt werden könne. Eines Tages rief mich der Chef zu sich: »Als wir Sie damals eingestellt haben, da haben wir ja eigentlich nicht genau gewusst, was dieser Marketingbereich alles umfasst.« Man habe nun festgestellt, dass ich ja fachlich leider nicht ausreichend qualifiziert sei, um weiterhin als Marketingmanager fungieren zu können. Herr Bammer schlug vor, ich solle künftig die Arbeitsbezeichnung »Werbe- und PR-Manager« erhalten, weil dies ja mein Betätigungsfeld optimal bezeichne. So weit hatte er ja recht. Nachdem Stella jedoch im Kollegenkreis keinen Hehl aus ihren Ambitionen gemacht hatte, wusste ich sehr wohl, wer in naher Zukunft »Marketingmanager« unserer Firma werden sollte. Immerhin hatte Stella eine Fachschule für Textiltechnik absolviert, konnte walken und stricken und war auch irgendwie kreativ. Daher fragte ich den Chef, ob denn jemand anderes für die Position des »Marketingmanagers« vorgesehen sei … dies wurde natürlich vehement in Abrede gestellt. So schrieb ich also – völlig vom Gegenteil überzeugt – ein Protokoll, das ich an Chef, Chefin und den Junior sandte und in welchem festgehalten war, dass mir niemand als Marketingmanager vor die Nase gesetzt würde. Das bereits erwähnte »Große Zerwürfnis« (auf das wir sicherlich noch kommen werden) verhinderte schließlich, dass Stella wirklich Marketingmanagerin wurde.

Vorsichtig war ich trotzdem. Unverzüglich begann ich mit einer berufsbegleitenden Ausbildung zum »ISO zertifizierten Marketingmanager«, welche ich zwei Jahre später erfolgreich abschließen sollte. Das Zertifikat darüber hinterlegte ich bei Suuus, welche die Personalakten verwaltete und von der ich mit Sicherheit wusste, dass sie ca. binnen einer Minute die Chefin von meinem provokanten Verhalten benachrichtigen würde. Schließlich würde es nun nicht mehr ganz so einfach sein, irgendeine nicht ausgebildete Person als »Marketingmanager« einzusetzen und mich dieser zu unterstellen. Die Strafe folgte auf dem Fuß: Es wurde daraufhin festgestellt, dass ich die Bezeichnung »Werbe- und PR-Manager« eigentlich ja auch zu Unrecht führen würde, weil ich ja doch kein Manager sei. Der Junior war es schließlich, der für mich eine neue, besser geeignete Dienststellenbeschreibung erfand: »Creative Activities« stand von da an unter meinem Namen auf den Visitenkarten. Gott sei Dank geschah dies bereits zu jener Zeit, da ich die Firma dienstlich kaum mehr verlassen durfte, daher konnte ich auch nicht allzu viele dieser peinlichen Visitenkarten unters Volk bringen.

Selbstverständlich war ich nicht der Einzige, dem solches widerfuhr. Bereits kurz nach meinem Eintritt in die Firma gab es ein kleines Fest: Tom, unser vom Chef über alles geschätzter Produktionsleiter, und Juppe, ein verdienter Kollege, der zudem weitschichtig mit dem Chef verwandt ist, wurden in Anwesenheit des Teams zu Prokuristen ernannt. Ich hatte damals die ehrenvolle Aufgabe, ansprechende Urkunden für diese Ernennung zu kreieren und auf besonders hochwertigem Papier auszudrucken. Der Chef überreichte den beiden die schön gerahmten Dokumente, welche von den neuen Prokuristen mit stolzgeschwellter Brust entgegengenommen wurden. Das Ganze hatte jedoch einen Pferdefuß: Im Kollektivvertrag des metallverarbeitenden Gewerbes ist für Prokuristen ganz eindeutig eine Gehaltsstufe vorgesehen, die den beiden Kollegen ein weitaus höheres Salär zugedacht hätte, als diese zum damaligen Zeitpunkt hatten – der Chef hätte also zusätzlich zu den Kosten für Urkunden, Bilderrahmen und Sekt auch noch die Bezüge der Ernannten erhöhen sollen. Damit war der Spaß auch gleich wieder vorbei. Als ich mich einige Wochen später mit Tom unterhielt und ihn scherzhaft »Herr Prokurist« nannte, verriet er mir hinter vorgehaltener Hand, dass ihm und Juppe dieser Titel mittlerweile aus pekuniären Gründen wieder aberkannt worden sei. Das solle aber niemand in der Belegschaft erfahren, nach außen solle dieser Schein gewahrt bleiben. Tom arbeitet heute als Leiter der US-Niederlassung eines deutschen Großunternehmens und wird sich vermutlich mit einigem Schaudern an die damaligen Ereignisse zurückerinnern.

Später Aufbruch

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