Читать книгу Das Lachen im alten Rom - Mary Beard - Страница 10
Hahahae, 161 v. Chr.
ОглавлениеMein zweites Beispiel für ein Lachen war ebenfalls nicht weit vom Kolosseum entfernt zu hören, allerdings mehr als 350 Jahre früher, im Jahr 161 v. Chr. Es geht um ein ganz anderes Lachen auf einer römischen Komödienbühne. Die Aufführung fand nicht unter den Augen eines bedrohlichen Kaisers statt, sondern gehörte zu einem dieser Feste voll Spiel und Spaß, den Göttern zu Ehren, die Teil der römischen Stadtkultur waren, soweit wir zurückblicken können.23 Dabei handelte |19|es sich nicht um ein Theater, wie wir es heute kennen, und es gab nicht mal eine „Bühne“ in unserem Sinne. Im zweiten Jahrhundert v. Chr. existierten in Rom immer noch keine dauerhaften Theaterbauten. Vorstellungen fanden unter freiem Himmel statt, auf Holzkonstruktionen, die für die Gelegenheit und manchmal um die Stufen zu einem Tempel errichtet wurden, um eine hinreichende Zahl von Sitzplätzen fürs Publikum zu schaffen, das nicht mehr als ein paar Tausend gezählt haben dürfte. In dem Fall, den ich jetzt untersuchen möchte, war das Theater wahrscheinlich auf dem Kapitol aufgebaut worden, vor dem Tempel der Magna Mater.24
Es muss eine fröhliche und leichtlebige – vielleicht sogar derbe – Atmosphäre geherrscht haben, denn römische Komödien handelten zumeist von vertrackten Junge-will-Mädchen-Geschichten mit mehr oder weniger klar umrissenen Typen (dem schlauen Sklaven, dem gemeinen Bordellbesitzer, dem angeberischen, aber eher dummen Soldaten und so weiter). Jeder Typ war dabei an seiner eigenen Theatermaske zu erkennen.25 In welches Gelächter auch immer das Publikum ausbrach – hier geht es zunächst um jenes Lachen, das auf der Bühne zwischen den Schauspielern stattfand und mit dem Komödientext überliefert ist. Dies führt uns zu noch feinsinnigeren Verwendungen von Lachen als Dios Bericht vom Kichern im Kolosseum und zeigt, wie kundig römische Schriftsteller ausloteten, was ein Lachen alles bedeuten kann.
Zwei Beispiele für in Texten überliefertes Lachen stammen aus der Komödie Eunuchus von Publius Terentius Afer (Terenz), die im Jahr 161 v. Chr. erstmalig aufgeführt wurde. Der Eunuchus war und blieb Terenz’ beliebtestes Stück, wurde sofort ein zweites Mal gegeben und soll dem Autor vonseiten offizieller Sponsoren die nie zuvor gezahlte Summe von 8000 Sesterzen eingebracht haben.26 Die denkwürdige Handlung umfasst alle üblichen romantischen Verstrickungen, erhält jedoch besondere Würze durch ein haarsträubendes Szenario inklusive Versteckspiel und Travestie. Ein liebeskranker junger Mann voller Begierde (Chaerea) gibt vor, Eunuch zu sein, um in die Nähe des Sklavenmädchens seiner Träume (Pamphila) zu gelangen. Diese gehört einer |20|Kurtisane mit Namen Thais. Der unüberbrückbare Unterschied zwischen antiker und heutiger Sexualmoral zeigt sich auch darin, dass Chaerea und Pamphila einander noch in einem Happy End das Ja-Wort geben können, nachdem er sie als Eunuch verkleidet vergewaltigt hat.27 Eine Anmerkung in den Handschriften besagt, das Stück sei aus Anlass des römischen Festes der Megalesia uraufgeführt worden, das zu Ehren der Magna Mater stattfand – daher auch die Vermutung, das Ganze habe auf den Stufen ihres Tempels stattgefunden. Wenn das stimmt, wird der Aufführungsort die Handlung noch pikanter gemacht haben, denn die Priester der Magna Mater, die sogenannten Galli, lebten im Tempelbezirk, waren selbst Eunuchen und kastrierten sich angeblich – wie römische Schriftsteller nur zu gern ausführten und anprangerten – mit einem geschliffenen Feuerstein selbst. Eunuchen und ihre Ebenbilder wären also in diesem Fall auf und neben der Bühne zu bewundern gewesen.28
An zwei Stellen des Stücks verfällt Gnatho (der „Zähneknirscher“), eine typische Figur der antiken Komödie und eine Kombination aus Possenreißer, Schnorrer und Schmeichler, in dröhnendes Gelächter: „hahahae.“ Diese Stellen sind zwei von rund einem Dutzend in der lateinischen Literatur, wo der Text das Geräusch des Lachens lautmalerisch nachempfindet. Schon deswegen lohnt es sich, diese genauer zu betrachten. Wir brauchen uns nicht wie sonst das Lachen als Teil eines komischen Schlagabtausches hinzuzudenken, erfahren wir doch ausdrücklich, wann und wo es ertönt. Wieder schallt also ein römisches Lachen zu uns herüber, und es lohnt sich, genauer hinzuhören. Die Komplexität, die vielfältigen Perspektiven, das Hin und Her zwischen Witzemacher, Rezipient und Zuschauer (auf und vor der Bühne) und schlicht die Schwierigkeit, den Witz überhaupt zu verstehen, all das macht den besonderen Reiz dabei aus.
Das Lachen ist Teil einer Reihe von Rededuellen zwischen dem Schnorrer Gnatho und Thraso, einem lärmenden Soldaten im Dienste irgendeines nicht näher genannten östlichen Monarchen, der bei einer der verwickelten Nebenhandlungen des Stücks eine Rolle spielt. Wobei |21|jene Nebenhandlungen möglicherweise für das antike Publikum genauso schwierig nachzuvollziehen waren wie für uns – schließlich machte erst das Durcheinander den Spaß perfekt. Der Soldat ist nicht nur Gnathos Weg zur nächsten Mahlzeit, sondern er ist auch in Thais verliebt und war obendrein früher der Besitzer von Pamphila, bis er diese der angebeteten Thais als Liebesgeschenk vermachte. In der Szene, um die es hier geht, gibt Thraso mit verschiedenen Heldentaten vor Gnatho an, der, wie es seine Rolle als berufsmäßiger Schnorrer verlangt, den Schmeichler gibt und über die Witze lacht, in der Hoffnung auf ein freies Abendessen – wobei der Autor klarmacht, wie unaufrichtig seine Vorstellung ist.29 Ihre Unterhaltung wird von Parmeno belauscht, einem tölpelhaften Sklaven, dessen Herr – natürlich – ebenfalls in Thais verliebt und somit Thrasos Rivale ist. Ungesehen und ungehört von den anderen Figuren gibt er seine Kommentare ins Publikum ab.
Der angeberische Soldat beginnt, sich über seine enge Beziehung zum königlichen Chef auszulassen, der ihm „seine ganze Armee und alle seine Vorhaben“ anvertraut habe. „Erstaunlich“ ist Gnathos zugleich anbiedernder und ätzender Kommentar (402 – 403). Thraso fährt fort und rühmt sich, einen Offizierskollegen, den Kommandeur der Elefantentruppe, ausgestochen zu haben, der neidisch auf seinen Einfluss beim König gewesen sei. „Sag mir, Strato“, behauptet Thraso, zu diesem gesagt zu haben, „bist du selbst so wild, weil du die wilden Tiere kommandierst?“ „Was für ein schöner und weiser Ausspruch, bei Herkules“, pflichtet ihm Gnatho mit offensichtlicher Unaufrichtigkeit bei (415 – 416). Auf eine weitere Prahlgeschichte von Thraso folgt dann das dröhnende Gelächter.30
Thraso: Mit mir auf dem Gelage war dieser junge Rhodier, von dem ich dir erzählt habe. Zu der Zeit hatte ich gerade ein Schätzchen im Schlepptau. Da beginnt der, Anspielungen zu machen und mich zu verhöhnen. „Was“, antworte ich dem Typen, „sagst du da, Unverschämter? Selbst bist du ein Hase und verlangst nach Fleischstückchen?“
|22|Gnatho: Hahahae!
Thraso: Was ist los?
Gnatho: Witzig, leichthin, köstlich. Da geht nichts drüber. Aber sag. Hast du den Witz erfunden? Ich dachte, der sei alt.
Thraso: Hast’n schon mal gehört?
Gnatho: Oft, ist einer der Besten.
Thraso: Ist von mir.
Gnatho: Mir tut’s leid für den unverschämten Jüngling.31
Parmeno (beiseite): Die Götter mögen dich verderben.
Gnatho: Was hat er gemacht, frage ich dich.
Thraso: Er war erledigt. Alle, die da waren, haben sich über ihn totgelacht. Am Ende hatten sie alle Respekt vor mir.
Gnatho: Und das nicht zu Unrecht. (422 – 433)32
Keine 100 Verse später kommt der zweite Lachanfall. Thraso hat die Nase voll davon, darauf zu warten, dass Thais ihr Haus verlässt. Er beschließt, fortzugehen und Gnatho nach ihr Ausschau halten zu lassen. Parmeno äußerst sich diesmal für alle hörbar:
Thraso: Ich hau ab. Du bleibst hier und hältst den Posten.
Parmeno: Gehört sich ja auch nicht für einen Feldherrn, mit einer Freundin auf der Straße herumzuspazieren.
Thraso: Was soll ich dir groß sagen? Du bist wie dein Herr.
Gnatho: Hahahae!
Thraso: Worüber lachst du?
Gnatho: Na, über das, was du gerade gesagt hast. Und jenen Spruch über den Rhodier, der mir gerade in den Sinn gekommen ist. (494 – 498)33
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass das wiederholte „hahahae“ Gnathos Lachen anzeigen soll. Zum einen informiert uns Terenz selbst mit seinem „Quid rides?“(„Worüber lachst du?“, 497) darüber. Zum anderen liefern auch antike Kommentatoren diese Erklärung. |23|(„Hier lässt der Schnorrer das Geräusch von Lachen [‚risus‘] hören.“)34 Und an etlichen anderen Stellen beziehen sich römische Gelehrte in der Spätantike in allgemeinen Formulierungen auf diese Art, Lachen wiederzugeben („Hahahae ist der Klang von Freude und Lachen [‚risus‘]“35). Aber auch ohne diese direkten Hinweise würden wir das Geräusch kaum missverstehen. Während die verschiedenen Sprachen das Bellen von Hunden, das Grunzen von Schweinen und das Quaken von Fröschen verwirrend unterschiedlich wiedergeben – „oink, oink“ macht das anglo-amerikanische Schwein, „röf röf röf“ oder „ui ui“ das ungarische, „soch, soch“ das walisische –, wird das Lachen in allen Sprachen der Welt, ganz gleich aus welcher Sprachfamilie, mit einer Variante von „haha“, „hehe“ oder „tee hee“ beschrieben.36 Samuel Johnson brachte es auf den Punkt: „Menschen waren auf sehr unterschiedliche Weise klug, aber gelacht haben sie immer gleich.“37
Aber warum lacht Gnatho? Das Geräusch des Lachens zu identifizieren, ist noch einfach. Den Grund für das Lachen zu begreifen, ist hingegen – wie schon bei Dios Anekdote – um einiges schwieriger. Der erste Ausbruch folgt auf Thrasos Geschichte über den Rhodier, dem Thraso mit dem Spruch zum Schweigen bringt: „Was“, antworte ich dem Typen, „sagst du da, Unverschämter? Selbst bist du ein Hase und verlangst nach Fleischstückchen?“ („Lepu’ tute’s, pulpamentum quaeris?“, 426). Was findet Gnatho so komisch an diesen Worten? Antike wie moderne Kommentatoren waren sich nicht einig darüber, auch weil es für die Stelle im Lateinischen unterschiedliche Lesarten gibt.38 Aber neuere Interpreten folgen meist der Erläuterung des Aelius Donatus aus dem vierten Jahrhundert. Der Hase wird demnach als bekannte Delikatesse auf dem Speiseplan der Römer verstanden. „Ein Hase, der selbst eine Delikatesse ist, sollte nicht ‚pulpamenta‘ verlangen – schmackhafte Fleischstückchen, die als Vorspeise dienten“, wie Donatus’ Text erklärt (zu Eun. 426). Gemeint ist: „Du suchst in anderen, was du in dir selbst hast.“39 Die Anspielung ist natürlich erotisch, wie der Kontext klarmacht: Der junge Rhodier flirtet mit Thrasos „Schätzchen“, während er doch selbst Objekt erotischer Begierde ist. |24|Dafür liefert Donatus’ ausführliche, aber von Wissenschaftlern der Moderne wesentlich seltener beachtete Anmerkung weitere Belege, wo er Beispiele für die sexuellen Konnotationen des Hasen aufführt. Dazu gehört die wunderbar auf den Eunuchus verweisende Ansicht, der Hase sei ein Tier, „das mal männlich, mal weiblich (sei), also von unsicherer Geschlechtszugehörigkeit.“40
Derart seziert verliert Thrasos Witz noch die geringste Chance auf einen Lacher. Ganz nach der eisernen Regel, die ebenfalls auf die Antike zurückgeht, dass ein erklärter Witz ein verlorener sei.41 Wobei die bloße Machart dieses Witzes bestens zu unterschiedlichen modernen Theorien über die Technik des Witzemachens passt, von Sigmund Freuds Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten bis zu den zahlreichen modernen und antiken Überlegungen dazu, dass eine Inkongruenz (und/oder ihre Auflösung) im Kern das Komische ausmache. Die unmögliche, unsinnige Inkongruenz, mit welcher der Witz anhebt – der junge Rhodier ist kein Hase –, wird aufgelöst, wenn wir verstehen, dass „Hase“ und „Fleischstückchen“ angesichts der erotischen Begegnung auf einem abendlichen Gelage unterschiedliche Bedeutungen haben, oder, um es in den Begriffen einer der führenden Theorien zu sagen, wenn der Widerspruch zwischen kulinarischem und erotischem „Skript“ schrittweise zugunsten des Letzteren aufgelöst wird.42
Warum in aller Welt die Auflösung einer Inkongruenz oder, was auch immer im Freud’schen Unbewussten vor sich gehen mag, diese besondere stimmliche und körperliche Reaktion hervorruft, die wir als Lachen kennen, kann keine moderne Theorie – nicht einmal Freud – hinreichend erklären.43 Aber in unserem Fall ist das ohnehin ein Nebenproblem, denn wir vermuten nur allzu bald, dass es gar nicht der Witz ist, über den Gnatho lacht. Gnatho lacht, weil er ein Schmarotzer ist, und das antike Klischee lautet, dass Schmarotzer sich bei ihren Patronen einschmeicheln, indem sie über deren Witze lachen, egal ob diese witzig sind oder – erwartungsgemäß – eher nicht. Das „hahahae“ ist keine spontane Reaktion auf einen lustigen Einzeiler, sondern eine wohlüberlegte Antwort, die sich als spontane Reaktion |25|auf die Pose des Patrons ausgibt. Gnatho lacht, um zu gefallen. Das ist ein weiterer Aspekt der komplexen Beziehung zwischen Lachen und Macht, um die es bereits ging.
Thrasos sofortige Gegenfrage – „Was ist los?“ („Quid est?“, 427) – könnte bedeuten, dass nicht mal er auf Gnatho hereinfällt. Donatus war der Meinung, der dumme Soldat würde mit dieser Frage einfach nach weiterer Anerkennung für sein Bonmot heischen, die er auch tatsächlich erhält: „Witzig, leichthin, köstlich. Da geht nichts drüber.“ – „Facete lepide laute, nil supra.“ Aber Thrasos Rückfrage könnte auch nahelegen, dass Gnathos Pseudo-Spontaneität nur allzu leicht zu durchschauen war. Sein Lachen hat niemanden überzeugt, nicht mal den einfältigen Typen, den es täuschen sollte.
Als wollte er die peinliche Konfrontation vermeiden, wechselt Gnatho rasch das Thema und geht zum Angriff über. War der Witz überhaupt von Thraso? Hat er nicht vielmehr gerade einen alten Witz aufgewärmt und als seinen eigenen verkauft? War dieser also, mit anderen Worten, genauso einstudiert wie Gnathos begeisterte Antwort? Der Schmarotzer behauptet, er habe den Witz schon „oft“ („saepe“) gehört, und vielleicht sollten wir ihm das glauben, denn der Witz ist auch an anderen Stellen in der lateinischen Literatur zu finden. So wird er in einem spätantiken Text zitiert und dort einem Autor zugeschrieben, der noch vor Terenz gelebt hat.
Am Ende der merkwürdigen Sammlung von Kaiserbiografien, die unter dem Namen Historia Augusta bekannt ist und unter verschiedenen Pseudonymen vermutlich gegen Ende des vierten Jahrhunderts n. Chr. zusammengestellt wurde, hält der Autor inne und wundert sich über den neuen Kaiser Diokletian, der 284 einen Vers von Vergil zitiert, unmittelbar nachdem er vor den Augen der ganzen Armee den Prätorianerpräfekten Aper getötet hat, seinen potenziellen Rivalen. War das nicht eine ganz untypisch poetische Anwandlung für einen gestandenen Soldaten wie Diokletian? Vielleicht nicht gar so untypisch, räumt der Biograf ein. Schließlich hätten Soldaten durchaus die Gewohnheit, allseits bekannte Poesiestückchen zu zitieren, und |26|zwar auch auf der Bühne. „Denn tatsächlich: ‚Selbst bist du ein Hase und verlangst nach saftigen Stückchen?‘ ist ein Ausspruch von Livius Andronicus.“ Thrasos Witz ist also ein klassisches Zitat von Roms Dramatiker Nummer eins, der schon gut 70 Jahre vor Terenz tätig war.44
Natürlich kann der Biograf durcheinander gekommen sein. Aus der Sicht des vierten Jahrhunderts n. Chr. konnte es leicht unterkommen, zwei ehrwürdige frühlateinische Schriftsteller zu verwechseln und einen Terenz-Vers fälschlich dem Livius Andronicus zuzuschreiben. Wenn es aber stimmt, lässt Terenz seinen Thraso einen Witz machen und als eigenen ausgeben, der 161 v. Chr. bereits uralt war.45 Das machte für das Publikum zweifelsohne einen Gutteil des Komischen aus: dass der angeberische Soldat einen Einzeiler als cleveren eigenen Spruch reklamiert, den die meisten von ihnen längst kannten.
Neu oder alt, der Witz war auf jeden Fall ein Schlag ins Gesicht des jungen Rhodiers auf dem Gelage. Das wenigstens behauptet Thraso und führt uns damit in einen anderen altbekannten Themenkreis der antiken wie modernen Theorie über das Lachen, den wir bereits im Zusammenhang mit Dio abgeschritten haben: das Lachen als Hohngelächter.46 Thraso gab den Jungen so aggressiv der Lächerlichkeit preis, dass Gnatho vorgibt, Mitleid mit dem Opfer zu haben – wiederum ein Kompliment für den ach so geistreichen Thraso, was mehr ist, als der lauschende Parmeno ertragen kann. Die Wirkung auf die anderen Festgäste ist dramatisch: „Alle, die da waren, haben sich totgelacht über ihn.“ – 432: „Risu omnes qui aderant emoriri.“ Ein Lachanfall kann, wie wir alle wissen, schmerzhaft sein, man ist ihm hilflos ausgeliefert. „Sich totlachen“ ist eine gängige Metapher – in der Antike wie bei uns. Ja, sie wurde sogar literarisch in einer Reihe von Geschichten ausgeschlachtet, bei denen Menschen tatsächlich vor Lachen sterben: Der Maler Zeuxis aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. zum Beispiel hatte einem römischen Autor zufolge dran glauben müssen, weil er über sein eigenes Bild einer alten Frau in Lachen ausbrach, und am Ende des |27|dritten Jahrhunderts v. Chr. soll der Anblick eines Esels, der Feigen aß und Wein trank, dem Philosophen Chrysippos den Rest gegeben haben, wie Diogenes Laertius einige Jahrhunderte später berichtet.47 Ein „Tod“, wie ihn Thrasos Trinkkumpanen erleiden, hatte also damals schon Tradition.
Der zweite Ausbruch von „hahahae“ gibt uns weitere Fragen auf: Da Thraso das Warten satt hat, beauftragt er Gnatho, auf Thais’ Rückkehr zu harren. Das zieht eine ironische Bemerkung von Parmeno nach sich, der sich jetzt gänzlich in die Unterhaltung einmischt: Natürlich solle Thraso hier nicht länger herumhängen, stimmt er diesem scheinbar zu. Schließlich gehöre es sich nicht für einen kommandierenden Offizier, sich mit einer Geliebten auf der Straße sehen zu lassen. Thraso, der sich etliche Ränge unter dem eines „kommandierenden Offiziers“ befindet, kriegt mit, dass er hochgenommen wird, und wendet sich direkt an den Sklaven („Was soll ich dir groß sagen? Du bist wie dein Herr.“ „Quid tibi ego multa dicam? Domini similis es.“, 496), worauf Gnatho erneut lacht.
Was, fragt Thraso ihn, ist diesmal so komisch? Etwa sein Konter gegen Parmeno? Oder ist es, wie Gnatho sich zu behaupten beeilt, immer noch jener „Spruch über den Rhodier, der (ihm) gerade in den Sinn gekommen ist“ („ … ilud de Rhodio dictum quom in mentem venit.“, 498)? Gnatho selbst zweifelt wohl daran, dass Thraso einfältig genug ist zu glauben, mit seinem lahmen Spruch – „Du bist wie dein Herr“ – könne er auch nur ein müdes Lachen für sich verbuchen. Oder ist es Parmenos Hinweis auf den „kommandierenden Offizier“ („imperator“), weshalb Gnatho Thraso gegenüber, dem Opfer der Schmähung, schlecht zugeben kann, warum er in Lachen ausgebrochen ist, und seinerseits die Geschichte über den Rhodier vorschützt. Zusammengefasst haben wir ein einziges „hahahae“ und mindestens drei mögliche Gründe dafür. Ein Teil des Spaßes mag daher rühren, dass die Zuschauer oder Leser wie auch die Figuren selbst einen Grund gegen den anderen abwägen müssen, um herauszubekommen, wie der Lacher am besten zu erklären ist.48