Читать книгу Das Lachen im alten Rom - Mary Beard - Страница 23
Lachen im Bild
ОглавлениеIn noch größere Bedrängnis gerät der moderne Forscher, wenn er sich dem römischen Lachen auf bildlichen Darstellungen der Antike zuwendet. Das erste Problem besteht darin, zu entscheiden, wann antike Malereien oder Skulpturen versuchen, ein Lachen oder Lächeln darzustellen. Oder präziser: Es ist schwer zu entscheiden, was als eine antike bildliche Darstellung von Lachen oder Lächeln gelten kann. Denn nur in wenigen Fällen ist das so eindeutig wie beim „hahahae“ von Terenz.18
Für unsere Augen sind offensichtliche Darstellungen eines Lachens im erhaltenen Fundus griechisch-römischer Kunst sehr selten, wobei völlig unklar ist, weshalb dem so ist. Noch in einer neueren Untersuchung |82|haben Wissenschaftler eher enttäuschende Antworten auf die Frage gegeben, warum antike Marmor- oder Bronzestatuen derart selten lachen. „Der Hauptgrund liegt im Genre. Die griechische Skulptur ist weitgehend religiös“, versucht es der eine. „Weil Lachen den Körper verzerrt“ oder „weil es als unanständig galt“, schlägt der andere vor. „Es hat mit einer begrenzten Bildhauertechnik zu tun“, vermutet schließlich ein Dritter eher hilflos.19 Bekanntermaßen wird der Gesichtsausdruck vieler früher griechischer Statuen, insbesondere der sogenannten „kouroi“ oder „korai“ aus dem siebten und sechsten Jahrhundert v. Chr., regelmäßig als „archaisches Lächeln“ bezeichnet, aber es ist längst nicht sicher, ob es ein Lächeln in unserem Sinne oder nicht eher, um nur einige Deutungen zu erwähnen, eine gewisse Beseeltheit oder eine aristokratische Haltung darstellt.20 Und nicht weniger ambivalent sind die scheinbar lachenden Gorgonen – schneiden sie wirklich Grimassen? –, die komischen Masken – sollen die nicht eher grotesk als lachend aussehen? – und Satyre, die eher ein unkontrolliertes, tierisches Grinsen zur Schau tragen als ein Lachen.21
Und diese Unsicherheiten beschränken sich keineswegs auf die Kunst der antiken Welt. Es mag uns heute überraschen, aber eines der bekanntesten Gemälde mit einem lachenden Menschen, Frans Hals’ Lachender Kavalier aus dem 17. Jahrhundert (Abb. 1), erhielt diesen Titel erst Ende des 19. Jahrhunderts und wurde auch erst ab diesem Zeitpunkt als Darstellung eines Lachens betrachtet. Woraus sich diese neue Sichtweise ergab oder warum sie sich so hartnäckig hielt, ist schwer zu bestimmen. Aber es liegt hauptsächlich an diesem nun allseits bekannten Titel, dass wir auf dem Gemälde so zweifelsfrei das Bild eines lachenden Mannes zu erkennen glauben und nicht von einem Mann sprechen, der „ein spöttisches provozierendes Lächeln andeutet“, oder einfach nur von einem Mann mit unbestimmbarer Miene und einem nach oben gezwirbelten Schnurrbart.22
Ist es also schon kniffelig genug, einen Lachenden in der Kunst zu identifizieren, so ist es noch kniffliger, Bilder zu bestimmen, die einen römischen Betrachter zum Lachen gebracht haben könnten. Doch |84|genau das hat John Clarke in seinem bedeutenden Werk Looking at Laughter versucht. Er hat eine außerordentliche Bandbreite römischer Kunst zusammengestellt, von Grotesken bis Karikaturen, von Parodien bis zur antiken Entsprechung heutiger Comicstrips, und hat versucht, uns die Welt des volkstümlichen, lustvollen, derben und manchmal unanständigen römischen Lachens zu eröffnen. Es ist eine sehr ambitionierte Untersuchung, und vor allem lenkt sie unsere Aufmerksamkeit auf einige faszinierende und weitgehend vergessene römische Bilder. Aber gleichzeitig konfrontiert sie uns mit einer anderen Spielart des bereits angesprochenen Problems. Woher wissen wir, dass die Römer, oder einige Römer, über diese Bilder gelacht haben? Oder anders gesagt: Wer lacht hier? Die Römer? Oder wir? Oder wir bei dem Versuch, uns Römer vorzustellen oder sie sogar selbst zu spielen?23
Abb. 1 Frans Hals, Der Lachende Kavalier (1624). Dieses Gemälde – das wir heute ganz selbstverständlich für das Bild eines lachenden Mannes halten – wirft die Frage auf, wie zuverlässig wir Lachen in der Kunst vergangener Jahrhunderte identifizieren können.
Nehmen wir eines von Clarkes Hauptbeispielen: in diesem Fall kein vergessenes Bild, sondern das berühmte Bodenmosaik in der Eingangshalle der Casa del Poeta Tragico in Pompeji, das dem Besucher zur Begrüßung einen grimmig dreinblickenden Hund mit der Bildunterschrift, CAVE CANEM – „Vorsicht Hund“, präsentiert (Abb. 2). Es handelt sich um eines von dreien solcher Eingangsmosaike, die offensichtlich den häuslichen Wachhund zeigen und über die der Besucher das Haus betritt. Tausende Touristensouvenirs, von Postkarten bis Magnetschildchen für den Kühlschrank, zeigen heute dieses Motiv. Clarke zufolge haben alle drei dieser Eingangsmosaike wegen ihres Spiels mit Illusion und Realität in der Antike zum Lachen gereizt, aber das Mosaik im Haus des tragischen Dichters habe wegen seiner Bildunterschrift noch mehr Gelächter hervorgerufen als die anderen. Gerade diese ausdrückliche Warnung vor dem nur illusionären Hund hätte „den Humor des Kunstwerks“ freigelegt und somit Lachen ausgelöst.24
Ich teile Clarkes Ansicht, was die Wirksamkeit von Illusion und Imitation angeht, wenn es darum ging, Römer zum Lachen zu bringen. Weniger überzeugend ist sein Versuch, die soziale Funktion des Lachens zu erklären, das angesichts dieser Hauseingänge ausgebrochen |85|sei, bemüht er dabei doch zu leichtfertig den überstrapazierten Begriff des Apotropäischen. Eingänge seien, so behauptet er, in der römischen Vorstellungswelt gefährliche Grenzbereiche, liminale Räume gewesen, ein Lachen im Eingangsbereich somit eine gute Verteidigung gegen den bösen Blick.25 Aber – apotropäisch oder nicht – keines dieser Argumente beeindruckte seinen Kollegen, den Kunsthistoriker Roger Ling. In einer sonst freundlichen Rezension bestand Ling darauf, das Mosaik sei überhaupt nicht lustig gemeint, sondern todernst gewesen. Seine Intention sei es gewesen, Besucher mit Wort und Bild vor „der Kreatur“ zu warnen, „die unwillkommene Eindringlinge erwartete.“ Will heißen: „Das war kein Witz!“26
Abb. 2 Mosaik aus der Casa del Poeta Tragico in Pompeji (1. Jh. n. Chr.). „Vorsicht vor dem Hund!“ Sollte dieses Bild den Besucher zum Lachen bringen?
|86|Welche dieser Alternativen richtig ist, lässt sich nicht entscheiden – Clarkes und meine Ansicht, die möglicherweise übermotiviert ein Lachen ausgräbt, das niemals existiert hat, oder Lings Überzeugung, die zwar dem gesunden Menschenverstand Genüge tut, aber an Fantasielosigkeit zu scheitern droht. Diese Opposition erinnert uns an eine weitere zugleich überraschende und faszinierende Schwierigkeit beim Sprechen über das Lachen: All die großen Lachtheorien haben nichts herausgearbeitet, das allein aus sich heraus Menschen zum Lachen brächte, es gibt nichts, das systematisch und unfehlbar Lachen zur Folge hätte, nicht einmal innerhalb der Normen und Konventionen einer einzigen Kultur. Inkongruenz, wie es eine Theorie behauptet, bringt oft zum Lachen, aber nicht jeden und nicht in jeder Form. Ein Witz, der ein Kichern bei einer Hochzeit auslöst, wird das sicher nicht bei einer Beerdigung tun – oder wie wir mit Plutarch bemerkt haben, was in Gesellschaft von Freunden zum Lachen bringt, wird das nicht zwingend in Gegenwart des Vaters oder der Ehefrau tun.
Über oder jenseits aller psychologischen oder evolutionären Faktoren, die Worte, Gesten oder Ereignisse anscheinend zum Gegenstand von Gelächter machen können, steht die jeweilige Kultur als Definitionsmacht. Sie ermutigt ihre Mitglieder, über Gegenstände in bestimmten Zusammenhängen zu lachen, und sie tut dies mittels Vorgängen, die vermutlich im Nachhinein nicht mehr gänzlich nachzuvollziehen sind, die aber dieses Lachen einst als „natürlich“ erscheinen ließen. Ob also das CAVE CANEM bei den römischen Besuchern des Hauses des tragischen Poeten Lachen provoziert hat, hängt davon ab, ob sie gelernt hatten, im Demaskieren eines bildlichen Kunstwerkes etwas Lustiges zu sehen, oder ob sie in dem Bild, wie Ling es möchte, lediglich eine Information über den gefährlichen Hund erkannten, oder inwieweit beides möglich war, je nach Umstand, Laune und Betrachter.
Aus diesen Gründen konzentriert sich dieses Buch – aller möglichen Gefahren zum Trotz, die auch beim Studium des „geschriebenen Lachens“ drohen – auf die erstaunlich zahlreichen Beispiele, in denen römische Literatur explizit Lachen erwähnt, diskutiert und bespricht, |87|und weniger auf Bilder oder Worte, die nur möglicherweise ein Lachen hervorrufen sollten. Was folgt, hat daher weniger mit dem hypothetischen Lachen über Gemälde, Skulpturen oder auch Komödien zu tun, sondern viel mehr mit den Geschichten, welche Römer uns über einzelne Lachanlässe erzählen, und mit ihren Diskussionen über seine Funktionen, Wirkungen und Konsequenzen.