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„Lachen Hunde?“: Rhetorik und Darstellung
ОглавлениеDie Erforschung des Lachens – in der Gegenwart wie in der Vergangenheit – hat immer mit literarischen Darstellungsformen, Ausschmückungen, Bildern und Metaphern zu tun. Immer wieder taucht |68|die Frage auf, wo die Grenze zwischen buchstäblichem und metaphorischem Lachen liegt und welche Beziehungen zwischen den beiden bestehen. Manchmal fällt es uns leicht, eine metaphorische Lesart zu verstehen. Wenn ein römischer Dichter zum Beispiel schreibt, das glitzernde Wasser oder ein Meer von Blumen würde „lachen“ („ridere“), dann verstehen wir diesen Ausdruck als Metapher für die strahlende Fröhlichkeit der Szene und benötigen keinen gelehrten Hinweis auf die Etymologie des Wortes oder sein griechisches Pendant.81 Doch selbst einigen dem Anschein nach streng wissenschaftlichen und experimentellen Studien über das Lachen liegt eine metaphorische Verwendung des Wortes zugrunde. Nirgendwo ist das augenfälliger und nirgends häufiger ignoriert worden als bei der alten Frage von Aristoteles, ob Menschen die einzigen Lebewesen seien, die lachen.
Diese Frage war Gegenstand zahlreicher, meist fruchtloser wissenschaftlicher Untersuchungen, nicht zuletzt von Charles Darwin, dem aus leicht durchschaubaren Gründen sehr daran gelegen war, dass Schimpansen lachten, wenn sie gekitzelt werden. Jüngere Wissenschaftler haben einen charakteristischen Gesichtsausdruck, ein „Mund-offen-Gesicht“ oder „Spielgesicht“, bei Primaten identifiziert, die mit unernsten Dingen beschäftigt sind, und bei dieser Gelegenheit behauptet, dass einige Schimpansen und Gorillas Witze und „Wortspiele“ in ihrer rudimentären Zeichensprache verwendeten. Einige Biologen, von Hundebesitzern ganz zu schweigen, haben geschlussfolgert, dass es auch so etwas wie ein Hundelachen gebe, was Mary Douglas zu ihrem berühmten Artikel Do Dogs Laugh? (Lachen Hunde?) bewegt hat, während andere sogar das hohe Piepsen von Ratten, wenn sie gekitzelt werden, als eine Art Protolachen interpretiert haben. Die Nackenkuhle soll eine ihrer kitzligsten Stellen sein, sie piepsen aber auch begeistert bei einem Ganzkörper-Kitzeln.82
Es ist keine Überraschung, dass diese Interpretationen von vielen Seiten kritisiert wurden. Das „Lachen“ von Primaten etwa unterscheide sich hinsichtlich der Artikulation deutlich von dem der Menschen. Das universelle Muster bei Menschen sei ein charakteristisches „Ha-ha-ha“ |69|in einem einzigen Atemstoß, worauf eine Pause für das Atemholen folge. Nicht so bei Primaten. Ihr hechelndes Gelächter werde sowohl beim Ein- als auch beim Ausatmen produziert. Ist das, wie einige meinten, nur eine Variante innerhalb des Spektrums desselben Lachens? Oder zeigt dies, dass wir es mit einem signifikant anderen Reaktionstyp zu tun haben und dass Primaten unserem Verständnis nach gar nicht lachen? Das Piepsen von Ratten, das teilweise sehr hohe, für das menschliche Ohr unhörbare Frequenzen erreicht, bleibt noch umstrittener, wobei viele Wissenschaftler keinerlei Verbindung zum menschlichen Lachen gelten lassen.83 Aber selbst wenn wir einräumen, dass bei all diesen Phänomenen ähnliche Nervenbahnen betroffen sind und dass es zumindest einige evolutionäre Verbindungen zwischen Rattenpiepsen und Menschengekicher gibt, bleibt eine viel drängendere Frage, die häufig übergangen wird: Worum geht es uns eigentlich, wenn wir behaupten, dass Ratten, Affen oder Hunde „lachen“?
Die meisten würden der Ansicht zustimmen, dass ergebene Hundebesitzer von dem Bedürfnis getrieben seien, ihre Haustiere zu vermenschlichen, wenn sie bei ihnen ein Lachen entdecken, und sie in die Welt menschlicher Gemeinschaft zu integrieren, indem sie das typisch menschliche Verhalten des Lachens auf sie projizieren. Mit leicht anderer Betonung hat Roger Scruton festgestellt, dass, wenn wir meinen, etwa Hyänen übereinander „lachen“ zu hören, sich darin eher unsere Belustigung als ihre ausdrücke.84 Aber selbst in der offensichtlich strengsten Abhandlung experimenteller Wissenschaft ist die Unterscheidung zwischen Lachen als Metonymie für Menschheit und Lachen als physikalische oder biologische Reaktion unscharf. Ein weiteres Mal sehen wir, wie die Grenze zwischen Natur und Kultur verwischt. Denn die Behauptung, eine Ratte könne „lachen“, sagt mehr über diese Art im Allgemeinen und unsere Beziehung zu ihr aus als bloß über die Funktionsweise der Neuronen in ihrem Gehirn. Eine Untersuchung über das Lachen kann nicht umhin, die Sprache des Lachens und unsere kulturelle und soziale Ordnung, in der Lachen eine solche Schlüsselrolle spielt, zu hinterfragen.
|70|Das sind lediglich einige Rätsel, die für mich die Beschäftigung mit dem Lachen im Allgemeinen so reizvoll, zugleich bereichernd und frustrierend, erhellend und verwirrend machen. Und wenn wir uns der Untersuchung des Lachens in der Vergangenheit zuwenden – wo alles Kichern und Glucksen schon lange verstummt ist –, werden diese Rätsel noch faszinierender. Wie beeinflussen die umstrittenen Grenzen zwischen Natur und Kultur, zwischen rhetorischen und physischen Erscheinungsformen des Lachens unser Verständnis vom Lachen in der Geschichte? Und was interessiert uns eigentlich genau daran, was Leute zum Lachen brachte? Die sozialen, kulturellen und politischen Effekte des Lachens? Seine Funktion? Oder wie es besprochen, diskutiert und erklärt wurde?