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|28|Reaktionen des Publikums

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Wie können wir uns überhaupt dem Lachen des Publikums und nicht nur dem auf der Bühne nähern? Anders als Dio im Kolosseum wurden diejenigen, die sich den Eunuchus ansahen, zum Lachen ermuntert, ja man erwartete es von ihnen – doch worüber und warum?

Natürlich wissen wir nicht mit Sicherheit, wie das Publikum auf eine römische Komödie reagiert hat, ob, wann oder wie begeistert es gelacht hat. Wenn aber antike Theatergänger in dieser Hinsicht den heutigen ähneln, und das ist natürlich eine gewagte Annahme, werden sie dieses Erlebnis miteinander geteilt haben. Viele Leute werden über dieselben Dinge gelacht, sie werden gemeinsam gejubelt, geweint, gekichert und applaudiert haben. Auch dadurch verbindet Theater. Doch zur selben Zeit werden einige Reaktionen persönlicher und individueller gewesen sein. Manche Zuschauer werden über andere Dinge oder über dieselben Dinge, aber aus unterschiedlichen Gründen gelacht haben. Andere wiederum werden überhaupt nicht gelacht haben. Die meisten von uns kennen diese unerfreuliche Situation, im Theater oder auch vor dem Fernseher zu sitzen und allenfalls mit den Mundwinkeln zu zucken, während die Leute um einen herum herzlich lachen. Und je lauter die anderen brüllen, desto mehr vergeht es einem selbst. Im römischen Theater wird es wahrscheinlich ähnlich gewesen sein. Lachen integriert ebenso gut, wie es isoliert, und die Geschichte des Lachens schreiben jene, die einen Witz verstehen, ebenso wie jene, die ihn nicht verstehen oder nicht verstehen wollen.49

Wir haben mittlerweile einige plausible Vermutungen über die Witze im Eunuchus angestellt. Ich selbst habe bereits nahegelegt, dass Thrasos Spruch über den jungen Rhodier Lachen hervorgerufen hat, weil der Soldat versucht – ohne Aussicht auf Erfolg –, einen alten Witz als seinen eigenen Geniestreich zu verkaufen. In etwa so als wolle heute jemand behaupten, ihm sei gerade „Ober, Ober, da ist eine Fliege in meiner Suppe …“ eingefallen. Aber es steckt noch mehr dahinter. Manche Zuschauer haben sich vielleicht geweigert zu lachen oder haben nur halbherzig gelacht, einfach weil sie über olle Kamellen nicht noch mal |29|lachen wollten. Andere wiederum mögen in Lachen ausgebrochen sein, gerade weil ihnen der Spruch so vertraut war. Eine Binsenweisheit lautet, alte Witze seien die Besten, weil sie uns nicht nur deshalb in Gelächter ausbrechen lassen, weil eine Inkongruenz aufgelöst oder jemand verlacht wird (wie viele moderne Theorien nahelegen), sondern weil wir dankbar an all die anderen Gelegenheiten zurückdenken, in denen eben dieser Witz gewirkt hat wie gewünscht. Lachen hat mindestens so viel mit Erinnerung zu tun und damit, wie wir gelernt haben, über bestimmte Dinge zu lachen, wie mit unkontrollierbarer Spontaneität.50

Die Anlässe und Gegenstände von Gelächter sind breiter gefächert, als wir häufig annehmen. Über Thrasos „Spruch“ mögen zum Beispiel Leute gerade deshalb gelacht haben, weil er nicht witzig ist und weil Gnathos offenkundig einstudiertes Lachen in gerade mal drei Silben den Mechanismus der Schmeichelei offenlegt, die Verwundbarkeit des Patrons wie des Klienten und die Anfälligkeit des Lachens als Zeichen. Die Zuschauer lachten, mit anderen Worten, über die Bestandteile, die Gründe und die soziale Dynamik des Lachens selbst. Das Lachen und seine unterschiedlichen Interpretationen und Fehlinterpretationen, Gebräuche und Missbräuche sind in diesen Szenen Teil des Witzes.51

Diese Selbstreflexivität wird durch die einfache Tatsache unterstrichen, dass an den zwei Stellen aus dem Eunuchus Lachen ausdrücklich im Text steht. Sicher gab es jede Menge Gelächter während einer römischen Komödie, auf und vor der Bühne. Moderne Übersetzer von Plautus und Terenz fügen regelmäßig die Regieanweisung „Gelächter“ ein, um die Stücke zum Leben zu erwecken. In Kursiv steht dann da: „lacht schallend“, „mit einem Lachen“, „immer noch lachend“, „unbändig lachend“, „lachend“, „versucht sein Lachen zu verbergen“, „lacht noch mehr“. Doch nichts davon steht im lateinischen Text.52 Umso stärker aufgeladen sind diese beiden Momente, da Terenz auf Gnathos „hahahae“ besteht und das Lachen explizit in den Dialog seines Stückes einbindet. Unmöglich können Figuren, Zuschauer und Leser hier der Frage ausweichen, was es mit diesem Lachen oder mit Lachen allgemein auf sich hat.

|30|Dasselbe gilt für das gute Dutzend anderer Fälle von schriftlich verzeichnetem Lachen in der klassischen lateinischen Literatur. Alle finden sich in Komödien von Plautus oder Terenz – mit einer Ausnahme: einem kurzen und merkwürdigen Fragment von Ennius („Hahae, der Schild ist von selbst heruntergefallen“/„Hahae, ipse clipeus cecidit“), was gleichermaßen aus einer Komödie und einer Tragödie stammen könnte.53 Alle Fälle tragen dazu bei, die Umstände, unter denen römisches Lachen ausbrechen konnte, und die Gefühle, welche es widerspiegelt, besser zu verstehen; denn wie wir schon an den Vorgängen im Amphitheater wie auch bei dem Schlagabtausch zwischen Gnatho und dem Soldaten erkennen konnten, ist die Vorstellung, Lachen werde ausschließlich durch Witze oder durch clevere Pointen hervorgerufen, nur die halbe Wahrheit. Bei einer der Belegstellen können wir zum Beispiel erkennen, wie Lachen durch Selbstzufriedenheit ausgelöst wird: Die Rede ist vom Gelächter Ballios, des Zuhälters in Plautus’ Pseudolus (1052), wenn er sich selbst beglückwünscht, den schlauen Sklaven, nach dem das Stück benannt ist, überlistet zu haben. Anderswo erhaschen wir Gluckser reinen Vergnügens, so in Terenz’ Heauton Timorumenus (Der Selbst-Quäler; 886), wenn sich der ältliche Chremes über die Streiche eines anderen schlauen Sklaven amüsiert.54

Gleichzeitig führen solche Beispiele des komischen Lachens, die explizit im Text erwähnt sind, Zuschauern und Lesern die zahlreichen kniffligen Dilemmas vor Augen, die Lachen mit sich bringt. Können wir exakt festmachen, was jemanden, uns eingeschlossen, zum Lachen bringt? Wie kann Lachen gar nicht oder missverstanden werden? Ist eine lachende Person potenziell genauso verletzlich wie eine verlachte Person? Es wird weder der Aufmerksamkeit des Publikums noch der des Lesers entgangen sein, dass Ballio und Chremes mit ihrem Lachen die Dinge schrecklich falsch verstehen. Ballio mag sich vor Selbstgefälligkeit krümmen, er hat doch keineswegs Pseudolus überlistet, sondern fällt gerade einem Trick zum Opfer, der weitaus schlauer ist, als sich der arme Zuhälter überhaupt vorstellen kann. Auch Chremes |31|profitiert keineswegs, wie er glaubt, von der Raffinesse seines Sklaven, sondern nimmt Schaden an ihr. Es ist, als diente das niedergeschriebene Lachen dazu, Aufmerksamkeit auf die gefährliche Fragilität des Lachens und auf seine vielen Bestandteile und Interpretationsmöglichkeiten zu lenken.

Das Lachen im alten Rom

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