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Römisches Lachen verstehen
ОглавлениеIn diesem Kapitel habe ich drei besondere Momente römischen Lachens genauer betrachtet, schriftlich überliefert von zwei Autoren, die im Abstand von mehreren hundert Jahren gelebt haben. Einer schreibt auf Griechisch, die anderen auf Latein; das eine Lachen stammt von einem Historiker mit ganz eigenem Interesse am verhohlenen Gelächter im Kolosseum, die beiden anderen Stellen schildern und provozieren Lachen in einer Komödie. Diese drei Momente des Lachens dienen als nützlicher Rahmen für das Folgende, denn auch wenn ich einerseits gelegentlich auf Quellen, die nach Dio entstanden sind, und andererseits auf Bildmaterial zurückgreifen werde, werde ich mich doch hauptsächlich auf lateinische und griechische Texte beschränken, die zwischen dem zweiten Jahrhundert v. Chr. und dem zweiten Jahrhundert n. Chr. entstanden sind.
Die bisherigen Beispiele haben für den Gegenstand insgesamt wesentliche Themen eröffnet. Jenseits der Dilemmas von Interpretation und Verständnis, die ich durchgehend beleuchte, führen sie auch zu der unsicheren und umstrittenen Abgrenzung von „falschem“ und „echtem“ Lachen. (Wenn wir über einen Witz lachen, den wir nicht richtig verstehen, geben wir dann zu lachen vor oder lachen wir nur anders?) Die Beispiele haben gezeigt, wie Lachen isolieren oder integrieren kann, wie es freundlich unterstützt oder feindselig verspottet und wie es Hierarchien und Macht sowohl bestärken als auch untergraben kann. Und Thrasos Spruch über den Hasen hat uns letztlich vor allem darauf hingewiesen, dass römische Witze eine verwickelte jahrhundertelange Geschichte haben können. Tatsächlich werden wir |32|in den folgenden Kapiteln noch auf andere stoßen, deren Geschichte sich sogar über Jahrtausende bis hinein in unsere Zeit erstreckt.
Wie ich bereits angedeutet habe, schwebt eine große Frage über dem ganzen Buch: Inwiefern können wir heute überhaupt noch römisches Lachen nachvollziehen? Wie können wir verstehen, was die Römer zum Lachen brachte, ohne in die Falle zu tappen, sie uns anzuverwandeln? Vielleicht haben sich einige Leser schon dabei unwohl gefühlt, wie ich die Passagen aus dem Eunuchus untersucht habe. Nicht nur deshalb, weil dieses Sezieren den Witz über den jungen Rhodier verdirbt, sondern weil ich bei der Analyse davon ausgegangen bin, dass der Witz, wenn wir nur hart genug daran arbeiten, auch für uns sinnvoll wird und wir ihn in für uns verständliche Begriffe übersetzen können. Natürlich muss das manchmal so sein, sonst wäre die Kultur des römischen Lachens für uns verloren und mein Projekt eine Totgeburt. Aber wir sollten nicht in jedem Einzelfall davon ausgehen, dass eine erfolgreiche Übertragung zwischen der römischen Welt und unserer möglich ist. Die Gefahr bei der Frage „Was brachte die Römer zum Lachen?“ besteht darin, sie in „Was glaube ich, hätte mich als Römer zum Lachen gebracht?“ zu verwandeln.
Aufschlussreich ist es, zu fragen, wie und warum ein modernes Publikum bei der Aufführung einer römischen Komödie lacht. Zum Teil ist es so, weil manche Witze tatsächlich über Jahrhunderte hinweg funktionieren. Teilweise aber haben sich Übersetzer, Regisseur und Schauspieler daran abgearbeitet, einen zeitgenössischen Witz hineinzulegen, indem sie Ausdrücke, Nuancen, Sprechweisen, Gestik, Kostüme und Inszenierung so anpassen, dass sie uns zwar zum Lachen reizen, aber nur noch recht wenig mit irgendetwas Römischem zu tun haben. Vor allem aber werden einige Zuschauer bereits wild entschlossen angerückt sein, diese römische Komödie witzig zu finden – weshalb sie sich zugleich ein stückweit über sich selbst amüsieren. Sicher hat auch eine Kombination all dieser Faktoren den Erfolg des Stand-up-Comedians Jim Bowen 2008 begründet, der auf der Bühne aus dem einzigen antiken Witzbuch vortrug, dem Philogelos |33|(dt. „Lachliebhaber“), wahrscheinlich zusammengestellt in der späten römischen Kaiserzeit.55 Einige dieser Witze bringen uns nicht nur heute noch zum Lachen, sondern sie sind direkte Vorfahren zeitgenössischer Versionen. Aber es gibt weitere Gründe für Bowens Erfolg: Er benutzte so eine Übersetzung, die eng an das moderne Idiom und den Rhythmus einer Stand-up-Show angelehnt ist. Das Publikum kam zu seiner Show oder schaltete sich im Internet zu mit der festen Absicht zu lachen. Und Bowen spielte die Absurdität der ganzen Situation so weit aus, dass viele vor allem über sich selbst und ihre Entschlossenheit lachten, diese sehr, sehr alten römischen Witze komisch zu finden.