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|71|Kapitel 3


Die Geschichte des Lachens Gibt es eine Geschichte des Lachens?

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Menschen haben, das können wir mit Bestimmtheit sagen, zu allen Zeiten gelacht. Aber lachten sie in der Vergangenheit anders als wir heute? Und wenn ja, wie lachten sie und – genauso wichtig – wie können wir das wissen? Wir haben bereits in Kapitel 1 einen Eindruck davon bekommen, wie reizvoll, aber auch frustrierend schon das Unterfangen sein kann, nur ein, zwei römische Lachanfälle zu verstehen. Im Folgenden wollen wir das noch nachdrücklicher versuchen und zwar anhand einer größeren Menge römischer Quellen. Wir werden entdecken, wie Gelehrte mit viel Einfallsreichtum den überlieferten Wortlaut römischer Witze umgeschrieben haben, um sie für ihren Geschmack lustiger zu machen. Und wir werden kurz auf die besonders knifflige Frage eingehen, wie Bildquellen zu interpretieren sind. Wie können wir bei einer bildlichen Darstellung wissen, dass es sich um ein lachendes Gesicht handelt? Das ist bei Weitem nicht so einfach, wie man meinen möchte. Und wie können wir wissen, welche Bilder Römer zum Lachen brachten – und welche Römer?

Ich will dazu auch einen Blick über die antike Welt hinaus werfen und generell fragen, wie das Glucksen, Kichern, Prusten und das schallende Gelächter unserer Vorfahren historisch zu fassen ist. Tatsächlich hat die Geschichte des Lachens selbst eine lange Tradition. Schon 1858 meinte Alexander Herzen – was mittlerweile zu einer Art Slogan unter heutigen Forschern geworden ist –, „es wäre äußerst interessant |72|…, eine Geschichte des Lachens zu schreiben.“1 Interessant wäre es sicherlich, nur ist das genaue Forschungsfeld einer solchen Geschichtsschreibung schwer einzugrenzen. Beschäftigt sie sich mit der Theorie über das Lachen samt der dazugehörigen Vorschriften und Regeln, die gebrochen oder befolgt wurden? Oder geht es um die weit schwerer zu überschauende und flüchtige Praxis des Lachens in vergangenen Zeiten? Oder um eine unentwirrbare Mischung von beidem?2

Und was für Veränderungen hoffen wir über die Zeiten hinweg beobachten zu können? In diesem Zusammenhang spielt das Werk eines anderen modernen Analytikers der Lachkultur, des Russen Michail Bachtin, eine Rolle. Bachtin war in vielerlei Hinsicht ähnlich einflussreich und innovativ wie Freud bei der Erforschung des Lachens, hat jedoch das Thema des römischen Lachens mit einigen irreführenden Mythen belegt, welche ich wohl zerstören muss. Aber sein Werk führt auch zu der weiterreichenden Frage, wie wir langfristige Entwicklungen in einem Feld wie diesem beschreiben und verstehen sollen. Was ändert sich genau, wenn wir sagen, das Lachen verändere sich über die Jahrhunderte hinweg? Ich möchte behaupten, dass wir das Scheinwerferlicht der historischen Forschung zwar auf das Lachen richten, es also historisch erforschen können, denn nichts anderes versucht dieses Buch. Eine lineare Geschichte des Lachens aber vermögen wir genauso wenig zu entwerfen wie seine universelle Theorie. Tatsächlich erweisen sich viele der sogenannten Geschichten des Lachens als materialreiche Erzählungen über den Fortschritt des Menschen und über seine Veredelung. Wenn Römer sich Gedanken über das Lachen in der Vergangenheit gemacht haben, und wir gehen da ganz ähnlich vor, war ihnen unter anderem daran gelegen zu zeigen, dass ihre Vorfahren heftiger und hemmungsloser gelacht haben als sie, um so anhand des Lachens von ihrer zunehmenden Kultiviertheit zu erzählen.

Doch wir wollen mit einem berühmten Vortrag vom Dezember 1976 beginnen, den der Historiker Keith Thomas über das Lachen in England zur Zeit der Tudors und Stuarts hielt. Dieser Vortrag, wenngleich |73|lediglich in einem Wochenmagazin publiziert, war programmatisch und beeinflusste die folgenden historischen Untersuchungen über das Lachen vor allem in der englischsprachigen Welt.3

Das Lachen im alten Rom

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