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Warum lachte Cassius Dio?

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Eine knifflige Frage ist, wie Macht auf den verschiedenen Seiten dieses Lachens wirkte. Die Vorstellung, Dios halb-verhohlener Ausbruch sei ein Akt der Subversion oder des Widerstands gegen Commodus’ Tyrannei gewesen, ist natürlich ein fesselnder Gedanke. Und er würde gut zu den Ansichten vieler moderner Theoretiker und Kritiker passen, die Lachen als „inoffizielle Macht“ oder als einen „volkstümlichen Widerstand gegen Totalitarismus“ ansehen.13 In diesem Sinne war Dios Lachen eine spontane und machtvolle Waffe im Konflikt zwischen einem lasterhaften Autokraten und einem anscheinend hehren Senat, nicht nur, weil es ein Zeichen senatorischer Opposition war, sondern auch, weil es Commodus der Lächerlichkeit preisgegeben und ihn wieder auf Normalmaß gestutzt hat. Bei der Geschichte der Tarentiner lässt sich das Element des Verlachens kaum ausschließen. Eine Person, die uns zum Lachen reizt, ist per definitionem lächerlich oder „lach-bar“, die Doppeldeutigkeit der antiken Begriffe wird uns noch ausgiebig beschäftigen.14

Doch ist das nur ein Bruchstück des Gesamtbildes. Denn Lachen kann in seinen unterschiedlichen Varianten sowohl eine Waffe für als auch gegen die herrschende Macht sein. Bei dieser Geschichte war der Kaiser selbst, wie ich übersetzt habe, am „Grinsen“, als er seinen Kopf schüttelte und das Straußenhaupt vor den verängstigten, verdutzten |16|oder amüsierten Senatoren hin und her schwenkte. Dio verwendet das Wort „sesērōs“ vom Verb „sesērenai“, das wörtlich „die Lippen spalten“ meint, auch für das Klaffen einer Wunde verwendet wird und das sowohl eine freundliche als auch häufiger eine bedrohliche Bedeutung haben kann, so offenbar auch hier.15 Die Geste ist also zweifelsohne etwas anderes als Dios Lachen. Meine Übersetzung versucht, dies zu zeigen, wenngleich sie damit möglicherweise irreführende moderne Assoziationen des Wortes „Grinsen“ mit hereinbringt. Jedenfalls liegt uns hier ein weiteres dieser Wörter zum Bewegen von Lippen und Mund vor, die zum weitläufigen Vokabular des Lachens und verwandter Formen im Altgriechischen gehören.

Römische Machtverhältnisse jeglicher Art wurden mit Lachen ausgetragen, verhandelt, manipuliert oder bekämpft. Jeder Lacher ins Gesicht der Autokratie hatte ein Lachen vonseiten des Mächtigen auf Kosten des Schwachen zur Folge – oder sogar ein Lachen, das der Starke dem Schwachen abnötigte. Das ist jedenfalls die Botschaft von Postumius an die Tarentiner: „Lacht nur, lacht.“ Eine ähnliche findet sich in einer Anekdote über einen der Vorgänger des Commodus, über Caligula: Dieser hatte einen Mann gezwungen, morgens der Hinrichtung seines eigenen Sohnes zuzusehen, ihn am Abend aber zum Essen eingeladen und ihn gezwungen, zu lachen und Witze zu machen.16 Lachen gedieh also auf dem Feld der Ungleichheiten in Roms sozialer und geopolitischer Ordnung.17

Noch kniffliger ist die Frage, worüber Cassius Dio genau gelacht hat. Warum hat die Vorstellung des Kaisers, der den Straußenkopf schwang, den Senator veranlasst, in seinen Kranz zu greifen? Wir haben es ja nicht mit einem Witz zu tun. Auch wenn eine Forschung über das Lachen häufig eine Forschung über Witze ist – im zweiten Teil dieses Kapitels geht es um die Beziehung zwischen römischem Lachen und einigen Wortwitzen im Lateinischen –, so hat doch Lachen in den meisten Kulturen gar nichts mit Witzen zu tun. War also, wie Dio selbst nahelegt, der Anblick des Kaisers im Kostüm eines Gladiators, barfuß und nur mit einer Tunika am Leib, wie er voller Stolz einen |17|Vogelstrauß, ein wenig beeindruckendes Tier mit dem längsten und albernsten Hals, enthauptet, so lächerlich? Lachten die Senatoren trotz der Drohungen, die diese Szene für sie beinhaltete? Lag es daran, dass der Kaiser sich selbst zu einer Parodie auf den mythischen und heroischen Enthaupter Perseus gemacht hatte, der Schwert und Gorgonenhaupt schwingt?18 Oder war das Lachen, wie einige der neuesten Kommentatoren vermuten, von der blanken Angst des Augenblicks hervorgerufen, ein nervöses Lachen, das nichts mit den komischen Aspekten des Vorfalls zu tun hatte?19

Lachen ist selten eindeutig. Die häufigste Reaktion auf einen Lachanfall ist die Frage: „Worüber lachst du/lachen die?“ oder „Warum lachst du/lachen die?“ Denn trotz einiger einflussreicher Theorien, die das Gegenteil behaupten, ist Lachen keineswegs immer ein Lachen über etwas.20 Es gibt natürlich keine definitiven, richtigen Antworten, schon gar nicht vom Lachenden selbst. Tatsächlich ist die Antwort, die gegeben wird, selten eine unabhängige oder objektive Erläuterung, sondern meist ein Teil eben der Debatten, Verleugnungen, Ängste, Paradoxien, Albernheiten, Übertretungen oder Befürchtungen, die das Lachen hervorgerufen haben. Stellen wir uns in diesem Fall vor, Dio hätte es nicht geschafft, Haltung zu bewahren, und wäre von Commodus’ Gefolgsleuten beim Kichern ertappt und mit der Frage konfrontiert worden, warum er lache. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was er gesagt haben würde – irgendetwas von einem Witz, den sein Nachbar ihm ins Ohr geflüstert hat, oder etwas über den Glatzkopf da hinten, aber sicherlich nichts, was mit dem Aufzug des Kaisers zu tun gehabt hätte.21 Es ist auch nicht schwer, sich vorzustellen, wie er die Szene abends in den eigenen vier Wänden erzählt hätte: „Natürlich habe ich über ihn gelacht …“ Denn wenn Lachen politisch ist oder sein kann, dann ist auch alles, was Leute diesbezüglich behaupten, dann sind auch die Gründe, die sie für ihr Lachen angeben, egal ob wahr oder falsch, immer politisch.

Sicherlich wirken einige dieser Faktoren bei Dios Bericht über den Vorfall in seiner Römischen Geschichte. Die Beschreibung ist sehr lebendig, |18|und wir können leicht nachvollziehen, was so sehr nach einem modernen Kampf gegen ein „Kichern“ aussieht, dass wir zu leicht die literarische und politische Kunst dahinter übersehen und einfach glauben, wir wären, wie entfernt auch immer, Augenzeugen eines römischen Lachens. Aber das sind wir natürlich nicht. Dies ist eine sorgfältig ausgearbeitete Analyse, exzerpiert für eine mittelalterliche Fassung (deren Bearbeiter die Stelle zweifelsohne für einen lebhaften und zugespitzten Bericht kaiserlicher Maßlosigkeit hielt), schon ursprünglich erst zwei Jahrzehnte nach den eigentlichen Ereignissen verfasst, zu einem Zeitpunkt, da es jedem Schriftsteller angebracht erschien, sich vom tyrannischen Kaiser Commodus zu distanzieren. Und Cassius Dio distanziert sich gerade, indem er behauptet, nicht aus Angst, sondern wegen der albernen Vorstellung gelacht zu haben: „Doch uns packte eher der Drang zu lachen als das Grausen“, hält er all denen entgegen, die ihm vielleicht ein nervöses Lachen unterstellen wollen. Der Schlüssel zu dieser Darstellung liegt also in der nachträglichen und möglicherweise tendenziösen Interpretation, die sie nahelegt. Zu sagen, „Ich fand das lustig“ oder noch besser „Ich musste mein Lachen verbergen, sonst wäre ich getötet worden“, stellt den Tyrannen bloß und gibt ihn zugleich der Lächerlichkeit preis, während der Schreiber sich als bodenständiger, genialer Beobachter geriert, der sich nicht durch die grausamen Spielchen eines Herrschers beeindrucken lässt.22 Letzteres war ohne Zweifel Dios Absicht.

Das Lachen im alten Rom

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