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„Die drei Theorien über das Lachen“

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Der schiere Umfang der modernen Literatur über das Lachen ist niederschmetternd. Die Universitätsbibliothek in Cambridge verzeichnet allein 150 Werke, die seit dem Jahr 2000 auf Englisch erschienen sind und irgendwo das Wort „laughter“, lachen, im Titel tragen. |54|Lässt man Memoiren, Romane, Gedichtsammlungen und Werke beiseite, die das Lachen nur auf ihre Titelseite gemogelt haben – Love, Laughter and Tears at the World’s Most Famous Cooking School –, dann reichen diese Bücher von Beiträgen der Populär-Psychologie und Ratgeberliteratur über philosophische Betrachtungen zum Humor und die Machart des Witzes bis hin zur Geschichte des Glucksens, Prustens und Kicherns in nahezu allen Epochen und an allen erdenklichen Plätzen, bis hin zu den Höhlen des Urmenschen. Für das Suchwort „Lachen“ weist der Online-Katalog der UB Freiburg gleichfalls mehrere Hundert Titel auf, von Lachen und Lernen über Archaisches Lachen bis zu Lachen erlaubt – Humor in Gesundheitsberufen. Auch Humoristisches findet sich, etwa Zum Lachen in die Küche: Was Kabarettisten in die Pfanne hauen.

Hinter diesen mal schwergewichtigen mal unterhaltsamen Monografien steht ein ganzes Bataillon aus Fachartikeln und Zeitschriftenpublikationen, die jeden Aspekt des Themas bis ins kleinste Detail untersuchen: von der Verwendung des Lachens in Erziehungsfilmen der holländischen Kolonie Java über das Geräusch des Lachens in Romanen von James Joyce bis hin zum spezifischen Lachen bei Telefonumfragen und der klassischen Frage, wann und wie Babys zum ersten Mal lachen oder lächeln.51 Ganz zu schweigen von all den radikal-philosophischen, politischen und feministischen Überhöhungen des Lachens, welche die schlimmsten Befürchtungen des stocksteifen Lord Chesterfield bestätigt hätten. Dieser riet seinem Sohn in den 1740er-Jahren bekanntermaßen, ein Gentleman solle unter keinen Umständen in lautes Lachen ausbrechen.52 Wyndham Lewis und andere Künstler hingegen forderten in ihrem Vortizisten-Manifest 1914 ein Lachen „wie eine Bombe“. Und auch im modernen französischen Feminismus spielte Lachen eine zentrale Rolle, rettete er doch das schlangenhäuptige Ungeheuer, die Gorgo aus der klassischen Mythologie, vor Sigmund Freuds Abscheu, um stattdessen ihre Schönheit und ihr Lachen ins Feld zu führen. So ist Lachen charakteristisch für die komplexe Verbindung von weiblichem Körper und Text, die als „l’écriture |55|feminine“ bekannt und stark vereinfacht mit „weiblichem Schreiben“ übersetzt wurde. Der Text ist „der Rhythmus, der dich lacht“ („le rythme qui te rit“) – wie sich Hélène Cixous eindrücklich, aber etwas nebulös ausdrückte.53

Es ist viel zu viel geschrieben worden – und wird noch geschrieben –, als dass eine einzelne Person das alles überblicken könnte, und es würde sich auch nicht lohnen. Angesichts der Auswürfe einer jahrhundertealten Forschung, die bis zurück zur Antike reicht, drängt sich beinahe die Vermutung auf, weniger das Lachen als der Drang, darüber zu besprechen und zu theoretisieren, zeichne die menschliche Spezies aus.

Eben diese Überfülle an Ansichten und Spekulationen verschiedenster Fachrichtungen hat wohl dazu geführt, dass eine zweite Ebene der Theoriebildung entstanden ist, welche drei Typen von Lachtheorien und ihre jeweiligen Hauptvertreter unterscheidet. Es gibt nur wenige Bücher, die sich nicht, wie auch ich hier, zunächst an einer kurzen Erklärung dieser Theorien darüber versuchen, was Lachen sei, was es bedeute und wie es entstehe. Ich bin skeptischer als die meisten Kommentatoren, weil solche Metatheorien häufig eine zu große Vereinfachung mit sich bringen, aber ich bin doch verblüfft darüber, dass jeder dieser drei Typen – mehr oder weniger deutlich – mit einem antiken Theorieansatz verwandt ist, weshalb ich sie als „jüngere Geschwister“ bezeichnet habe. Unsere Diskussionen über das Lachen verlaufen immer noch sehr ähnlich wie die der alten Griechen und Römer.54

Der erste Theorietyp ist uns bereits bei unserer Besprechung von Aristoteles begegnet. Es handelt sich um die sogenannte Überlegenheits-Theorie, die davon ausgeht, Lachen sei eine Form des Spotts und habe mit anderen Worten immer ein Opfer. Demnach lachen wir immer, mal mehr, mal weniger aggressiv, über den Gegenstand unseres Witzes oder das Objekt unserer Heiterkeit, und durch dieses Verhalten behaupten wir unsere Überlegenheit. Abgesehen von antiken Schriftstellern, einschließlich Quintilian mit seiner griffigen Formulierung, dass Lachen („risus“) immer Verlachen („derisus“) sei, war Thomas |56|Hobbes der wohl bekannteste ihrer Vertreter. „Die Leidenschaft des Lachens“, schreibt er in The Elements of Law, „ist nichts anderes als der plötzliche Stolz, der von der unmittelbaren Vorstellung der Überlegenheit in uns selbst herrührt, wenn wir uns mit den Schwächen der anderen vergleichen.“ Diese Textstelle aus dem 17. Jahrhundert ist oft zitiert worden und selbst jüngste Publikationen zur Geschichte des Lachens beziehen sich auf sie.55 Die Überlegenheits-Theorie ist jedoch nicht nur eine Angelegenheit von Philosophie und Ethik. Auch Evolutionsbiologen stimmen mit ein, wenn sie die Ursprünge des Lachens unter den frühesten Hominiden vermuten und behaupten, es rühre direkt vom „Triumphgeschrei bei einem urzeitlichen Dschungel-Duell“ her oder sei aus einem aggressiven Zähneblecken entstanden.56

Der zweite Typ ist als Inkongruenz-Theorie bekannt und sieht im Lachen einen Reflex auf das Unlogische und Unerwartete. Aristoteles gibt ein sehr einfaches Beispiel dafür: „So kam er daher, und an den Füßen trug er – Frostbeulen.“57 Diese Aussage verursache Lachen, so Aristoteles, weil der Zuhörer das Wort „Sandalen“, nicht „Frostbeulen“ erwarte. Eine ganze Reihe moderner Philosophen und Wissenschaftler kann für diese Theorie ins Feld geführt werden, wenn auch für verschiedene Perspektiven und Schwerpunkte. Immanuel Kant zum Beispiel behauptete: „Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts.“ Henri Bergson wiederum argumentierte, Lachen werde von Lebewesen hervorgerufen, die sich wie Maschinen bewegten – mechanisch, repetitiv und steif. Und um Inkongruenz und ihre Auflösung ging es auch in neuerer Zeit, als sich die Linguisten Salvatore Attardo und Victor Raskin dem Wortwitz zuwandten.58

Experimentelle Wissenschaft spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle. Einer der bekanntesten Laborversuche in der Geschichte des Lachens ist der Gewichtsunterschieds-Test. Die Versuchspersonen erhalten eine Reihe von Objekten, die in Größe und Aussehen ähnlich sind und sich im Gewicht nur geringfügig unterscheiden. Diese sollen die Probanden nach ihrem Gewicht ordnen. Anschließend |57|wird ihnen ein neues Objekt übergeben, das ähnlich aussieht wie die anderen, aber wesentlich schwerer oder leichter ist. Die Versuchspersonen lachen mit schöner Regelmäßigkeit, wenn sie dieses neue Objekt anheben, wegen – so wird vermutet – der Inkongruenz zwischen diesem und den anderen. Tatsächlich wird umso mehr gelacht, je stärker der Unterschied ausfällt, in anderen Worten: je größer die Inkongruenz, umso stärker das Lachen.59

Der letzte Typ in unserem Trio ist die Erleichterungs-Theorie, am besten aus dem Werk von Sigmund Freud bekannt, aber nicht von ihm erfunden. Die einfachste, vorfreudianische Form dieser Theorie sieht im Lachen ein physisches Symptom für das Nachlassen einer nervösen Anspannung oder unterdrückten Emotion. Es sei eine Art emotionales Sicherheitsventil. Wie der Druck in einer Dampfmaschine löse sich etwa die unterdrückte Angst vor dem Tod und werde „abgelassen“, wenn wir über Bestatterwitze lachen.60 Freuds Version dieser Theorie ist erheblich komplizierter: In Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten schreibt er: Jene Energie, die beim Lachen entweiche, sei nicht die Energie der unterdrückten Emotion selbst, wie beim Modell des Sicherheitsventils, sondern die psychische Energie, die nötig gewesen wäre, um Gedanken oder Gefühle weiterhin zu unterdrücken, hätte der Witz sie nicht ins Bewusstsein vorgelassen. Der Witz über einen Bestatter erlaubt uns also, unsere Furcht vor dem Tod auszudrücken, und das Lachen ist das „Ablassen“ der überschüssigen seelischen Energie, die wir sonst dazu verwendet hätten, diese Furcht weiterhin zu unterdrücken. Je mehr Energie dafür erforderlich gewesen wäre, desto größer fällt das Lachen aus.61

Diese drei Theorie-Gruppen können brauchbare Werkzeuge sein. Sie schaffen etwas Ordnung in der komplizierten Geschichte der Spekulationen über das Lachen, und sie stellen einige beeindruckende Ähnlichkeiten heraus, die sich quer durch die Jahrhunderte ziehen. Davon abgesehen aber schaffen sie lauter Probleme – sowohl innerhalb einzelner Theorieansätze als auch was das Forschungsfeld insgesamt und seine Klassifikation betrifft. So behandelt schon mal keine dieser |58|Theorien das Lachen als Ganzes: Sie mögen erklären, warum wir über Witze lachen, aber keine erklärt, warum wir lachen, wenn wir gekitzelt werden. Auch erforschen sie nicht das sozial regulierte, angepasste und domestizierte Lachen, das für die zwischenmenschliche Kommunikation so wichtig ist. Sie interessieren sich vielmehr für das anscheinend Spontane und Unkontrollierbare.62 Oder anders gesagt, sie sind mehr an Dios Lachen als an Gnathos interessiert – und größtenteils nicht einmal am Akt des Lachens selbst.63 Die ersten beiden Theorien erklären nicht, weshalb die Wahrnehmung von Überlegenheit oder Inkongruenz eine physische Reaktion – ein Geräusch, verzerrte Gesichtszüge, ein Heben des Brustkorbs –, die wir als Lachen kennen, hervorruft. Die Erleichterungs-Theorie wiederum nimmt sich dieser Frage zwar direkt an, aber Freuds Annahme, dass jene psychische Energie, die sonst zur Unterdrückung von Emotionen dienen würde, eine solche Körperreaktion hervorbringt, ist in sich selbst hochgradig problematisch.64

In Wahrheit befassen sich all diese Theorieansätze nicht mit dem Lachen, sondern mit nah verwandten Kategorien, die viel leichter zu fassen sind, wie „dem Komischen“, „Witzen“ und „Humor“. Die Titel einiger der berühmtesten Bücher über das Lachen machen diese Zuspitzung klar: Freud schreibt ausdrücklich über den Witz; der volle Titel von Bergson lautet Laughter: An Essay on the Meaning of the Comic (Lachen: Ein Essay über die Bedeutung des Komischen); Simon Critchleys exzellente Studie, die auch viel über das Lachen aussagt, heißt On Humour (Über Humor).

Tatsächlich aber gilt die Regel, dass eine Theorie umso weniger plausibel ist, je mehr Varianten von Lachen sie zu erklären versucht. Keine Behauptung, die mit den Worten „Jedes Lachen …“ beginnt, ist jemals wahr und nicht zugleich banal. Die Überlegenheits-Theorie zum Beispiel ist sehr erhellend für eine bestimmte Kategorie von Witzen und Lachen. Aber je mehr sie versucht, eine umfassende Theorie zu sein, desto weniger aufschlussreich ist sie. Es wäre verzweifelt weit hergeholt, auf der Basis der Überlegenheits-Theorie erklären zu wollen, warum wir über Wortspiele lachen. Könnte es tatsächlich sein, |59|dass unser Spielen mit Wörtern auf die Rangkämpfe des Urmenschen verweist? Oder soll das Wortspiel die Überlegenheit des Menschen über die Sprache selbst herausstellen? Mir will das nicht einleuchten.65

Und was immer wir von Freuds Versuchen halten, den Mechanismus des Gelächters über einen schmutzigen Witz zu beschreiben, wenn wir dieselben Prinzipien darauf anwenden, das Gelächter über die übertriebenen Bewegungen eines Clowns zu erklären, ist das Resultat in jedem Fall lachhaft. Gemäß seiner These, dass das Einsparen von psychischer Energie eine Rolle spiele, behauptet Freud, verglichen wir die Bewegungen des Clowns mit den unseren, die wir aufwenden, um dasselbe Ziel zu erreichen, zum Beispiel um einen Raum zu durchqueren. Wir müssten psychische Energie bereitstellen, um uns vorzustellen, wie wir seine Bewegungen vollführen würden, und je größer die zu imaginierenden Bewegungen sind, desto größer sei die aufzuwendende psychische Energie. Aber wenn sich herausstellt, dass, gemessen am tatsächlichen Bedarf, für unsere eigenen effizienteren Bewegungen zu viel Energie bereitgestellt worden ist, entweiche die Extraenergie in Form von Gelächter.66 Das ist ein wackerer Versuch, eine etwas systematische und wissenschaftliche Konsistenz angesichts sehr unterschiedlicher Formen des Lachens zu etablieren. Aber die mangelnde Plausibilität führt unweigerlich zur Frage, was überhaupt von einer allgemeinen Theorie darüber, wie und warum Leute lachen, zu erwarten wäre. Denn wie Aristoteles sind auch moderne Theoretiker – welche übergeordneten Ziele sie auch verfolgen mögen – fast immer überzeugender und anregender mit ihren Spekulationen, Aperçus und Theorien über Lachen, als sie es mit ihren umfassenderen Theorien des Lachens sind.

Es gibt darüber hinaus noch ein Problem mit der Dreiteilung an sich. Sie mag ein nützliches Gedankengebäude darstellen, ist aber auch eine gefährliche Vereinfachung und verleitet dazu, komplizierte, vielschichtige und nicht immer miteinander vereinbare Überlegungen in ein ordentliches, aber starres Modell zu pressen. Die Wahrheit ist natürlich, dass die theoretische Landschaft auf diesem Gebiet viel |60|unübersichtlicher ist, als es die „Theorie der drei Theorien“ nahelegt. Das ist schon deshalb augenfällig, weil ein und dieselben Theoretiker in synoptischen Darstellungen als Hauptvertreter verschiedener Theorien auftauchen. Bergson zum Beispiel wird beiden Theorien zugeordnet, der Inkongruenz- und der Überlegenheits-Theorie; der Inkongruenz-Theorie, weil er meint, Lachen entstehe bei der Beobachtung menschlicher Wesen, die sich mechanisch bewegen, wenn sich also Menschen wie Maschinen verhielten. Der Überlegenheits-Theorie wird Bergson darüber hinaus zugeordnet, weil für ihn die soziale Funktion des Lachens darin besteht, solche Unbeweglichkeit zu verspotten und dadurch zu entmutigen: „Starrheit ist das Komische und Lachen seine Korrektur.“67 Sogar Aristoteles kann unterschiedlich vereinnahmt werden. Sicher, seine nicht greifbare „Theorie des Lachens“ oder der Komödie wird gewöhnlich als ein klassischer Fall der Überlegenheits-Theorie angesehen, aber er taugt auch als Vertreter der Inkongruenz- und sogar der Erleichterungs-Theorie.68

Tatsächlich sind in der langen Geschichte der Lachstudien die Werke der „Gründerväter“ oft eher ausgeschlachtet als gelesen worden; sie sind selektiv zusammengefasst worden, um verschiedenste Argumente intellektuell zu beglaubigen, eingängige Zitate sind herausgefiltert worden, die selten die unausgereifte, unsichere und manchmal widersprüchliche Komplexität des Originals widerspiegeln. Häufig ist es mehr als überraschend, wieder die Ausgangstexte zur Hand zu nehmen und zu entdecken, was dort genau und in welchem Zusammenhang steht. Das berühmte Zitat von Hobbes, zum Beispiel, dass Lachen durch „den plötzlichen Stolz“ entsteht, „der von der unmittelbaren Vorstellung der Überlegenheit in uns selbst herrührt, wenn wir uns mit den Schwächen der anderen vergleichen“, liest sich ganz anders, wenn wir sehen, dass der Satz mit „oder mit denen, die wir früher selbst hatten“ weitergeht. Damit gehört dieses Zitat immer noch in die Kategorie Überlegenheits-Theorie, umfasst jetzt aber sowohl die Verspottung anderer als auch die Selbstkritik. Auch Quentin Skinner hat betont, wie Hobbes bei seiner nahezu gleichlautenden Besprechung |61|des Lachens im Leviathan nahelegt, dass Lachen ein Gefühl der Unterlegenheit aufseiten des Lachenden anzeigt. Lachen, schreibt Hobbes, „ist vor allem ein Mittel für jene, die sich ihrer eigenen mangelhaften Fähigkeiten bewusst sind und sich dadurch aufwerten wollen, dass sie die Unzulänglichkeiten anderer Leute herausstellen. Daher ist das viele Lachen über die Fehler anderer ein Zeichen von Feigheit.“ Das ist doch eine ganz andere Sicht auf die Ursachen für den „plötzlichen Stolz“, als eine vereinfachte Überlegenheits-Theorie vermuten ließe.69

Die Hunderte von Seiten, die Freud über Witze, Humor und das Komische schrieb, etliche über das Lachen eingeschlossen, sind wahrscheinlich häufiger ausgeschlachtet und tendenziös zitiert worden als jedes andere Werk zu diesem Thema. Freuds „Theorie“ ist eine verwirrende Mischung: So ist sie ein Versuch, einen konsistenten, wissenschaftlichen Ansatz herzustellen, der allerdings an seinen Rändern recht fragwürdig ausfranst, begleitet von einer Reihe von Spekulationen, von welchen einige abseitig und manche schlicht widersprüchlich sind. Freud ist wahrscheinlich das extremste Beispiel dafür, wie Kritiker und Theoretiker ein Werk ausschlachten, um verschiedene zentrale „Thesen“ daraus zu gewinnen und ihre eigenen Argumente zu stützen. So hat ein neuerer Autor zur römischen Satire, im Anschluss an die Erleichterungs-Theorie, Freuds Beobachtung hinsichtlich der komplexen psychosozialen Vorgänge zwischen Erzähler, Zuhörer und Opfer eines Witzes unterstrichen. Ein anderer, der über das Lachen im griechischen Theater schreibt, betont Freuds wiederkehrende Hinweise darauf, dass „wir selten wissen, worüber wir lachen“. Ein dritter, der sich mit der römischen Schimpfrede beschäftigt, bemüht Freuds Unterscheidung zwischen hintersinnigen und unschuldigen Witzen und dessen Auseinandersetzung mit der Rolle von Humor bei der Erniedrigung, und so weiter.70 All diese Aspekte sind vorhanden. Aber es ist heilsam, sich zu fragen, was für eine Rekonstruktion sich aus den verschiedenen Zusammenfassungen und Zitaten ergeben würde, wenn Freuds Buch über den Witz wie das zweite Buch von Aristoteles’ Poetik |62|eines Tages verloren ginge. Meine Vermutung ist, dass uns lediglich ein recht vager Abklatsch vom Original bliebe.

Ein Ziel dieses Buches ist es nun, gerade etwas von der Unordnung in der Lachforschung zu erhalten, sie eher unübersichtlicher zu machen als aufzuräumen. Denn an ihrer Dreifaltigkeit ist viel weniger dran, als man erwarten könnte.

Das Lachen im alten Rom

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