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bb) Journalistische Sorgfalt (1) Mindestbestand an Beweistatsachen
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Damit über einen bestimmten Verdacht zulässigerweise berichtet werden darf, ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen erforderlich, die diesen Verdacht zu begründen vermögen. Nach der Rechtsprechung gelten gesteigerte Sorgfaltsanforderungen bei der journalistischen Arbeit, wenn nicht über feststehende Tatsachen berichtet werden soll, sondern über unsichere Umstände, die ihrerseits wiederum einen bestimmten Verdacht begründen können. Der Maßstab der einzufordernden journalistischen Sorgfalt ist fließend: Je schwerer und nachhaltiger die voraussichtlichen Beeinträchtigungen für den Betroffenen im Fall der Veröffentlichung sein werden, desto höher sind auch die Anforderungen an die Medien bei der Ermittlung der zugrundeliegenden Beweistatsachen. Dabei besteht für die Medien die Verpflichtung zur Eigenrecherche: Die Medien müssen sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ein kritisches Bild über den tatsächlichen Wahrheitsgehalt der im Raume stehenden Behauptungen machen. Bestehen nicht unerhebliche Zweifel, so hat eine Veröffentlichung zu unterbleiben. Die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens reicht für sich allein genommen für die Bejahung eines solchen Mindestbestands an Beweistatsachen nicht aus.
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Erleichterungen bezüglich der erforderlichen journalistischen Sorgfalt gelten dann, wenn die Medien bei ihren Recherchen auf sog. privilegierte Quellen zurückgreifen. Werden solche Quellen genutzt, kann im Einzelfall auf Nachprüfungen verzichtet werden, wenn gegen die Richtigkeit der Nachricht keine vernünftigen Zweifel sprechen. Bei diesen privilegierten Quellen handelt es sich vor allen Dingen um Nachrichtenagenturen sowie amtliche Auskünfte. Darunter fallen auch die Staatsanwaltschaften mit ihren Presseerklärungen sowie andere Verlautbarungen aus Justizkreisen. Beim Rückgriff auf privilegierte Quellen kann es sich jedoch keinesfalls um einen generellen journalistischen Exkulpationsgrund handeln. Allerdings sind hier – im Gegensatz zu sonstigen Quellen – keine weitergehenden und umfangreichen Recherchen zur Richtigkeit der Mitteilung erforderlich, weil sich der Journalist regelmäßig darauf verlassen kann, dass insbes. die amtlichen Stellen um ihre Verantwortung wissen und nicht leichtfertig irgendwelche Äußerungen tätigen, sondern alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung nutzen. Die journalistische Sorgfalt der Medien gebietet aber, auch Nachrichten von privilegierten Quellen nicht blindlings und ohne kritische Überprüfung zu übernehmen, schon gar nicht, wenn die Grenzen der zulässigen Verdachtsberichterstattung bereits durch die privilegierte Quelle selbst tangiert oder gar überschritten wurden.