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e) Berichterstattung über Strafverfahren[409]

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In größeren Strafverfahren ist die zumindest vorübergehende Anwesenheit von Pressevertretern üblich. Bei besonderes aufsehenerregenden Prozessen herrscht sogar ein ganz besonders großer Medienandrang, der zum Teil sämtliche freien Sitzplatzkapazitäten sprengt.[410] Die Film- und Tonberichterstattung der Medien über Strafverfahren stellt dabei sicherlich den schwerwiegendsten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar. Daneben ist bei Bild- und Filmaufnahmen zusätzlich aber auch das Recht am eigenen Bild, das nach §§ 22 f. KUG geschützt ist, betroffen.

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Film- und Tonaufnahmen sind gem. § 169 GVG nur während der Hauptverhandlung generell verboten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass entsprechende Aufnahmen außerhalb der eigentlichen Hauptverhandlung, also vor deren Eröffnung und nach Urteilsverkündung sowie in den Sitzungspausen, grundsätzlich möglich sind. In dieser Zeit obliegt jedoch die Entscheidung über die Zulassung von Film- und Tonaufnahmen gem. § 176 GVG dem Vorsitzenden, da es sich insoweit um sitzungspolizeiliche Befugnisse handelt. Die Sitzung beginnt nicht erst wie die Hauptverhandlung mit dem Aufruf der Sache gem. § 243 StPO, sondern bereits mit der Öffnung des Gerichtssaals und dem Eintreffen der Verfahrensbeteiligten, während sich das Gericht selbst im Beratungszimmer einfindet. Die Sitzung endet, wenn nach Urteilsverkündung alle Beteiligten dabei sind, den Saal wieder zu verlassen.[411] In räumlicher Hinsicht erstrecken sich die Befugnisse des Vorsitzenden nicht nur auf den eigentlichen Gerichtssaal, sondern gleichermaßen auf das Beratungszimmer, die Räumlichkeiten, in denen ein Zeuge nach § 247a StPO vernommen werden soll, die angrenzenden Vorräume, Korridore und Flure, in denen etwa Zeugen auf ihre Einvernahme, aber auch der Angeklagte auf den Aufruf der Sache oder das Weiterverhandeln nach einer Unterbrechung warten. Im übrigen Gerichtsgebäude, insbesondere der Eingangshalle oder dem Treppenhaus, und außerhalb des Gebäudes, auf der Zufahrt, den Parkplätzen oder den umgebenden Grünflächen, ist hingegen der Landgerichtspräsident bzw. Amtsgerichtsdirektor als Hausrechtsinhaber zur Entscheidung berufen.[412]

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Das Fotografieren ist übrigens nicht von § 169 GVG erfasst, so dass dies an sich auch während der Hauptverhandlung möglich wäre; ein Umstand, der nicht wenigen Vorsitzenden allem Anschein nach nicht geläufig ist. Gleichwohl kann das Fotografieren jederzeit – und dies ist mit guten Gründen allgemeine Praxis, gilt es doch den störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung sicherzustellen – vom Vorsitzenden nach § 176 GVG untersagt werden. Allerdings bedarf es dafür natürlich einer Anordnung des Vorsitzenden, die sowohl stillschweigend als auch konkludent erfolgen kann. Zumeist wird es aber ohnehin einen generellen Beschluss des Landgerichtspräsidenten/Amtsgerichtsdirektors in Abstimmung mit allen Vorsitzenden Richtern geben, wonach Fotografieren, ebenso wie die Handynutzung, generell in den Gerichtssälen verboten ist.

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Zur Frage, ob Film- und Tonaufnahmen zu gestatten oder nicht zuzulassen sind, ist eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Schutzinteresse der Verfahrensbeteiligten – also nicht nur des Angeklagten, sondern auch etwaiger Zeugen sowie insbesondere des Opfers – auf der einen, sowie der Presse- und Rundfunkfreiheit und dem damit verbundenen Informations- und Berichterstattungsinteresse auf der anderen Seite erforderlich. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Verbreitung von Bild- und Filmaufnahmen weitaus einschneidendere Folgen als andere Formen der Berichterstattung hat, auch deshalb, weil durch die zusätzliche optische Wahrnehmung beim Betrachter eine dauerhaftere Erinnerung im Vergleich zu einem bloß schriftlichen Bericht über das fragliche Geschehen bestehen bleibt. Aus diesem Grund haben die Medien auch das große Verlangen, die Berichte durch O-Ton-Aufnahmen etc. anzureichern, zumal der Bericht damit insgesamt „lebendiger“ wird – mag dies auch zuweilen auf Kosten der inhaltlichen Qualität gehen.

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Bei der notwendigen Güterabwägung gilt es folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:[413] Jedenfalls bei schwersten Straftaten ist dem öffentlichen Interesse an der Berichterstattung der Vorzug zu geben, da solche Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, zu dessen Vermittlung die Medien berufen sind. Gleiches gilt, wenn sich besondere Personen der Zeitgeschichte vor Gericht zu verantworten haben. Bei Letzteren gilt dies jedenfalls dann, wenn ein Zusammenhang zwischen der öffentlichen Rolle und der ihnen vorgeworfenen Straftat besteht. Mit Blick auf den Beschluss des BVerfG vom 30.3.2012[414] ist ferner von Bedeutung, ob bereits ein Geständnis des Täters vorliegt, da hier der Unschuldsvermutung im Rahmen der notwendigen Abwägung nicht mehr das gleiche Gewicht zukommen kann, als wenn keinerlei geständige Angaben vorliegen würden.

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Gegen die Zulassung der Film- und Ton-Berichterstattung ist als sitzungspolizeiliche Maßnahme durch den Vorsitzenden weder die Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO noch mit Blick auf § 181 GVG die Beschwerde nach § 304 StPO zulässig. Gleiches gilt für §§ 23 ff. EGGVG, da die entsprechenden sitzungspolizeilichen Maßnahmen keine Justizverwaltungsakte darstellen. Vor diesem Hintergrund verbleibt allein die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde bzw. einer einstweiligen Anordnung durch das BVerfG.[415] Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter hätte hingegen gem. § 26 Abs. 2 DRiG allenfalls den Vorhalt und eine Ermahnung zur Folge.[416]

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Neben einem Antrag auf Verbot von entsprechenden Aufnahmen außerhalb der Hauptverhandlung bleibt dem Verteidiger der Hinweis an das Gericht, dass kein Betreten des Saales erfolgt, solange fotografiert und gefilmt wird. Eine Anwesenheitspflicht des Angeklagten im Gerichtssaal außerhalb der Hauptverhandlung, also vor dem Aufruf der Sache, besteht nicht. Auch kann es in geeigneten Fällen durchaus denkbar sein, statt des Angeklagten zunächst einen Dritten auf der Anklagebank Platz nehmen zu lassen, bevor dort bei Beginn der Hauptverhandlung der tatsächliche Angeklagte, der sich bis dorthin im Zuschauerraum aufgehalten hat, seinen Platz einnimmt. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn bis dato noch kein Bild des Täters in den Medien zu finden war, weil dieser bis zur Hauptverhandlung gut abgeschirmt werden konnte.

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