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b) „Flankierende Verteidigung“ über die Medien bzw. „Litigation-PR“[418]
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Gerade bei solchen Straftaten, die das Interesse der Öffentlichkeit wecken und sich daher in den Medien besonders gut vermarkten lassen, besteht ein großes Interesse der Medien, mit allen Verfahrensbeteiligten, also auch dem Verteidiger des Angeklagten, in Kontakt zu treten. Da die Ton- und Bildberichterstattung aus der Hauptverhandlung heraus untersagt ist, sind neben den Auskünften des Gerichtssprechers, den Erklärungen der Staatsanwaltschaft oder den Schilderungen des (vermeintlich) Geschädigten, insbesondere auch die Aussagen des Verteidigers bzw. seines Mandanten von Interesse, um über das Geschehen vor Gericht anschaulich und damit medienwirksam berichten zu können.
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Diesem Ansinnen sollte der Strafverteidiger zwar zurückhaltend, aber nicht gänzlich verschlossen gegenüberstehen. Denn gerade dann, wenn einseitigen, präjudizierenden Mediendarstellungen durch Presseerklärungen und Auskünfte seitens der Justiz oder Interviews mit dem (vermeintlich) Geschädigten Vorschub geleistet werden, kann eine flankierende Verteidigung über die Medien als Gegenpol dazu durchaus zweckmäßig, ja geradezu notwendig sein, um einer sich ansonsten verselbstständigenden Berichterstattung zu begegnen. Von derart rufschädigenden Medienberichterstattungen können nämlich erhebliche Belastungen für den Mandanten ausgehen.[419] Daneben muss gleichermaßen berücksichtigt werden, dass zumindest eine gewisse Beeinflussung des Strafprozesses aufgrund medialer Berichte festzustellen ist, wenngleich es Unterschiede zwischen Berufs- und Laienrichtern gibt und weniger die Frage des Tatnachweises als vielmehr die Frage der Strafzumessung davon betroffen ist.[420] Eine andere Motivation könnte daraus resultieren, dass man versucht ist, die Informationsquelle „Presse“ abzuschöpfen, etwa weil man noch keine Akteneinsicht erhalten hat, die Presse aber offensichtlich – jedenfalls teilweise – entsprechende Unterlagen oder Informationen besitzt. Diesem Drang gilt es aber in jedem Fall zu widerstehen, da die Presse sicherlich nicht ohne Gegenleistung bereit sein wird, ihre Informationen preiszugeben, also auch eine erhebliche Gegenleistung seitens des Mandanten, meist die umfangreiche Preisgabe von persönlichen Informationen, einfordern wird.
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Tritt der Verteidiger gezielt an die Medien heran, um im Vorfeld von Gerichtprozessen die Kommunikationsprozesse während einer juristischen Auseinandersetzung zu steuern, spricht man neudeutsch von „Litigation-PR“. Eine mediale Zusammenarbeit sollte aber stets von besonderer Zurückhaltung seitens des Verteidigers geprägt sein und sich ausschließlich an seriöse Pressevertreter richten. Zuvor bedarf es aber unbedingt der engen Abstimmung mit dem Mandanten, mit dem insbesondere die möglichen Risiken und Chancen einer flankierenden Verteidigung umfassend erörtert werden müssen. Entsprechendes sollte sodann – auch zum Schutz des Verteidigers – möglichst detailliert schriftlich festgehalten und dokumentiert werden. Grundlage solch einer flankierenden Verteidigung über die Presse sollten jedoch nur sachliche und zutreffende Informationen sein, denn nichts wäre schlimmer und rufschädigender, als die nachträgliche Erkenntnis, vorsätzlich die Presse getäuscht und insoweit instrumentalisiert zu haben – vom damit einhergehenden Vertrauensverlust für zukünftige Mandanten ganz zu schweigen! Völlig untauglich und geradezu kontraproduktiv sind im Übrigen eigene zuvor lancierte Artikel des Verteidigers in Fachzeitschriften, die als „externe Schriftsätze“ das Gericht beeinflussen sollen.[421]
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Da der Umgang mit den Medien ein besonderer ist, es zuvor der engen Abstimmung mit dem Mandanten bedarf und es vorab die zahlreichen Risiken und Chancen abzuschätzen gilt, die mit der Informationsweitergabe an die Presse einhergehen, wird es häufig überlegenswert sein, sich der Unterstützung eines im Umgang mit den Medien versierten Kollegen zu bedienen.
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Ist der Eintritt des beabsichtigten Erfolgs unsicher, sollte indes von einer Kontaktaufnahme mit der Presse abgesehen, zumindest sollte sie aber noch gründlicher überdacht werden. Bei der flankierenden Verteidigung gilt es ausschließlich gewichtige, belastbare und überzeugende Argumente ins Feld zu führen und nicht persönliche Beziehungen zum Pressevertreter. Anderenfalls wird man sich zu Recht schnell dem Vorwurf der unlauteren Einflussnahme auf die Presse ausgesetzt sehen. Schon aus Dokumentationszwecken empfiehlt es sich, sich schriftlich an den Pressevertreter zu wenden. Anderes gilt natürlich für den Fall von Hintergrundgesprächen. Solche Gespräche sollten aus naheliegenden Gründen stets persönlich und nicht am Telefon geführt werden.[422]
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Schließlich ist aber zu berücksichtigen, dass ein zu offenherziger Umgang mit den Medien – nachvollziehbarer Weise – Vorbehalte, Unverständnis und auch Verärgerung beim Gericht verursachen und folglich negative Folgen für das Strafverfahren zur Folge haben kann, denn gerade vor Gericht ist die ruhige und sachliche Atmosphäre von besonderer Bedeutung.[423] Besonders dann, wenn die Hauptverhandlung begonnen hat, richtet „Litigation-PR“ regelmäßig mehr Schaden an als sie zu nutzen vermag, denn in diesem Fall sollten ausschließlich die Verfahrensbeteiligten den Kommunikationsprozess bestimmen und nicht die Medien. Journalisten sind keinesfalls geeignete Sprachrohre, zumal sie eigene Interessen verfolgen. Deshalb hat auch die eigentliche Verteidigung nicht über oder in den Medien zu erfolgen, sondern im Gerichtssaal. Gleiches gilt für die staatsanwaltschaftliche Beurteilung des Prozessgeschehens.[424]