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aa) Zuständigkeit

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Zuständig für die Anordnung der Durchsuchung ist gem. § 105 Abs. 1 StPO der Richter, was sich auch bereits aus der Regelung des Art. 13 Abs. 2 GG ergibt. Bei der Durchsuchung handelt es sich um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, so dass die Interessen des Betroffenen durch die Kontrolle des unabhängigen Richters zu wahren sind. Dies ist im Bereich von Durchsuchungen insbesondere deshalb wichtig, weil vor Beschlusserlass regelmäßig keine Anhörung erfolgen wird.[49] Der Ermittlungsrichter hat eine eigenverantwortliche Prüfung vorzunehmen, was ihn jedoch nicht daran hindert, einen von der Staatsanwaltschaft vorformulierten Antrag zu übernehmen.[50]

Da im Rahmen des Ermittlungsverfahrens funktionell der Ermittlungsrichter zuständig ist, muss in diesem Verfahrensstadium ein Antrag der Staatsanwaltschaft vorliegen. Die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 Abs. 2 GVG) sind zur selbstständigen Antragstellung nicht befugt.[51] Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das mit der Sache befasste Gericht für den Erlass einer entsprechenden Anordnung zuständig (§ 162 StPO). Das Berufungsgericht wird mit Eingang der Akten zuständig; im Revisionsverfahren ist dasjenige Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten wurde.

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Die örtliche Zuständigkeit des Ermittlungsrichters richtet sich nach § 162 Abs. 1 S. 1 StPO. Danach ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die beantragende Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat.[52] Gem. § 20 StPO sind Handlungen eines unzuständigen Gerichts nur dann unwirksam, wenn die Unzuständigkeit des Gerichts so offenkundig ist, dass die Nichtbeachtung der Vorschriften das Gesetz in grober Weise verletzt. Gemeint sind hierbei insbesondere die Fälle von Willkür.[53]

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Bei Gefahr im Verzug dürfen gem. § 105 Abs. 1 StPO auch die Staatsanwaltschaft sowie deren Ermittlungspersonen eine Durchsuchung gem. § 102 StPO anordnen. Dies gilt für die Ermittlungspersonen nicht für Durchsuchungen beim Unverdächtigen gem. § 103 StPO (§ 105 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Anordnung einer Durchsuchung gem. § 103 StPO wegen Gefahr im Verzug ist darüber hinaus auch nur unter den Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 S. 2 StPO überhaupt zulässig. Gefahr im Verzug liegt vor, wenn die Einholung der richterlichen Anordnung aufgrund der erforderlichen Dauer den Zweck der Maßnahme gefährden würde.[54] Gefahr im Verzug muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Die bloße Möglichkeit eines Beweismittelverlusts genügt nicht.[55]

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Der die Durchsuchung anordnende Beamte muss zunächst in jedem Fall den Versuch unternehmen, eine richterliche Anordnung herbeizuführen.[56] Dieses Erfordernis kann nicht dadurch umgangen werden, dass darauf verwiesen wird, es sei „erfahrungsgemäß“ davon auszugehen, dass um eine bestimmte Uhrzeit ein Richter nicht erreichbar sei.[57] Erst wenn dieser Versuch misslingt, kann überhaupt von Gefahr im Verzug gesprochen werden. Der Staatsanwaltschaft sowie deren Ermittlungspersonen steht bei der Beurteilung der Frage, ob Gefahr im Verzug vorliegt, kein Beurteilungsspielraum zu.[58] Dies bedeutet, dass eine spätere gerichtliche Kontrolle der Anordnung in vollem Umfang möglich ist.

Dem Richtervorbehalt ist nur dann Genüge getan, wenn die Landesjustizverwaltung durch organisatorische Maßnahmen zum einen gewährleistet, dass überhaupt ein Richter erreicht werden kann und dieser zum anderen auch über die erforderliche Ausstattung (z.B. Faxgerät; Verfügbarkeit einer Schreibkraft) verfügt, um den Antrag der Staatsanwaltschaft ordnungsgemäß prüfen und bescheiden zu können. Eine Durchsuchung kann deshalb auch dann rechtswidrig sein, wenn dies nicht gewährleistet ist.[59] Jedoch bedeutet auch dies nicht ohne Weiteres ein Verwertungsverbot für aufgefundene Beweismittel (vgl. Rn 173 ff.).

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Unzulässig ist es auch, die Frage der Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses so lange hinauszuzögern, bis eine richterliche Erreichbarkeit nicht mehr gegeben ist, da dies eine willkürliche Herbeiführung der Gefahr im Verzug darstellen würde.[60]

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Lehnt der Ermittlungsrichter den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ohne vorherige Vorlage der Akten ab, so kann dies grundsätzlich nach einer vertretenen Ansicht ebenfalls Gefahr im Verzug begründen[61], wobei nach zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung des BVerfG[62] die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden mit der Befassung des Richters endet. Dieser habe sodann zu entscheiden, ob eine weitere Sachaufklärung erforderlich sei und ob er auf der ihm vorliegenden Grundlage entscheiden könne. Dies gilt auch, wenn er zunächst die Vorlage (einzelner) Unterlagen verlangt. Nur dann, wenn neue Umstände eintreten, kann die Anordnungskompetenz der Ermittlungsbehörden wieder aufleben.[63]

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Weiterhin sind die Umstände, die zu der Annahme der Gefahr im Verzug geführt haben, zeitnah zu der Durchsuchung in der Akte zu dokumentieren.[64] Das BVerfG hat in einer Entscheidung vom 20.2.2001[65] zu den Anforderungen an eine Dokumentation der Umstände, die die Gefahr im Verzug begründen ausgeführt:

„Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung einer nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im Verzug setzt voraus, dass der handelnde Beamte vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsuchung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentiert. Insbesondere muss er, unter Bezeichnung des Tatverdachts und der gesuchten Beweismittel, die Umstände darlegen, auf die er die Gefahr des Beweismittelverlusts stützt. Allgemeine Formulierungen, die etwa bloß die juristische Definition von „Gefahr im Verzug“ wiedergeben, reichen nicht aus. Das Gericht muss über die konkrete Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung des handelnden Beamten informiert sein. Insbesondere muss erkennbar sein, ob der Beamte den Versuch unternommen hat, den Ermittlungsrichter zu erreichen. Eine verspätete Dokumentation des zeitlichen Ablaufs birgt die Gefahr von Ungenauigkeiten oder gar Umgehungen mit der Folge, dass eine Behauptung der Strafverfolgungsbehörden, die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung erfolglos versucht zu haben, nicht mehr nachzuprüfen ist. Zudem führt die Pflicht zur Dokumentation vor oder jedenfalls unmittelbar nach dem Eingriff dazu, dass sich der anordnende Beamte in besonderem Maße der Rechtmäßigkeit seines Handelns vergewissert und dass er überdies im Falle der Nachprüfung dieses Handelns auf dokumentierte Tatsachen wird verweisen können, die sein Handeln erklären.

Auf der Grundlage dieser Dokumentation haben die Strafverfolgungsbehörden ihre Durchsuchungsanordnung in einem späteren gerichtlichen Verfahren zu begründen…. Ihre Ausführungen müssen sich auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) erstrecken. Außerdem müssen sie darlegen, warum eine richterliche Anordnung zu spät gekommen wäre, und gegebenenfalls, warum von dem Versuch abgesehen wurde, eine richterliche Entscheidung zu erlangen. Nur eine vollständige Begründung ermöglicht dem von der Durchsuchung Betroffenen eine sachgerechte Verteidigung seines Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG und dem Gericht die von Verfassungs wegen gebotene effektive Kontrolle der Anordnung …“

Eine Dokumentation ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Gründe für die Annahme einer Gefahr im Verzug evident sind.[66]

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Werden die Voraussetzungen für die Annahme einer Gefahr im Verzug verkannt, führt dies zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsmaßnahme. Dies gilt jedoch zunächst nur für die Frage der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung selbst. Ob hieraus auch ein Verwertungsverbot hinsichtlich beschlagnahmter Gegenstände resultiert, muss gesondert geprüft werden[67] (vgl. Rn 173 ff.).

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