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III. Verwertungsverbote

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Allein der Umstand, dass die Durchsuchung rechtswidrig war (Beweiserhebungsverbot) führt noch nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot.[137] Nach herrschender Meinung ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Staates an einer effektiven Strafverfolgung und dem Interesse des Betroffenen an seinen grundrechtlich geschützten Rechten erforderlich („Abwägungslehre“).[138] Ein Beweisverwertungsverbot ist daher nur bei gewichtigen Rechtsverletzungen anzunehmen.[139] Es werden jedoch auch andere Meinungen zu diesem Thema vertreten, die hier jedoch nicht vertieft werden sollen.[140]

Zu prüfen ist, ob das Interesse an der Tataufklärung vor dem Hintergrund des Gewichts der aufzuklärenden Straftat gegenüber dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Privatsphäre zurückzutreten hat.[141] Die Frage, ob auch ein richterlicher Beschluss rechtmäßig hätte erlassen werden können („hypothetischer Ersatzeingriff“), kann hierfür nur ein Indiz sein, da bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt stets sanktionslos bliebe.[142]

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Wird nach einer Durchsuchung aufgrund eines richterlichen Beschlusses die Durchsuchung zunächst beendet, jedoch später fortgesetzt, so liegt, obwohl grundsätzlich ein neuer Beschluss erforderlich gewesen wäre (vgl. Rn 149), kein Beweisverwertungsverbot vor. Begründet wird dies damit, dass eine ordnungsgemäße neue Anordnung hätte ergehen können („hypothetischer Ersatzeingriff“).[143] Ist der zugrunde liegende Durchsuchungsbeschluss mangelhaft, so liegt grundsätzlich ebenfalls kein Verwertungsverbot vor.[144] Auch in diesem Fall wird geprüft, ob der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses rechtlich möglich gewesen wäre und die sichergestellten Gegenstände als solche der Verwertung zugänglich gewesen wären.[145] Gleiches gilt, wenn der Durchsuchung überhaupt kein Beschluss zugrunde lag.

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Wird dem Durchsuchungsbeschluss eine falsche Eingriffsnorm zugrunde gelegt, also § 102 StPO statt § 103 StPO oder umgekehrt, so ist zu differenzieren. Wird eine Durchsuchung nach § 102 StPO durchgeführt statt richtigerweise nach § 103 StPO, so sind die sichergestellten Gegenstände grundsätzlich nicht verwertbar.[146] Auch in diesen Fällen muss jedoch gefragt werden, ob eine rechtmäßige Durchsuchung unter den (strengeren) Voraussetzungen des § 103 StPO möglich gewesen wäre.[147] Der Beschuldigte muss dieses Verwertungsverbot auch, entgegen der „Rechtskreistheorie“, geltend machen können, da es ansonsten vollständig leer liefe.[148] Wird umgekehrt § 103 StPO statt § 102 StPO zugrunde gelegt, so wird ein Verwertungsverbot nicht angenommen werden können. In diesem Fall wären (hypothetisch) die weiteren Voraussetzungen des § 102 StPO gegeben gewesen.[149] Dies kann dann vorkommen, wenn der frühere Zeuge zwischenzeitlich zum Beschuldigten geworden ist.

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Ist der Durchsuchungsbeschluss aufgrund Zeitablaufs (vgl. Rn 147) unwirksam, ist der Fall so zu beurteilen, als läge keine Anordnung vor.[150] Auf die Annahme einer Gefahr im Verzug kann die Durchsuchung nicht gestützt werden, da bereits der lange Zeitablauf zeigt, dass Gefahr im Verzug gerade nicht vorlag.

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Wird eine Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug angeordnet, liegen deren Voraussetzungen jedoch tatsächlich nicht vor, so muss ebenfalls unterschieden werden. Wurde Gefahr im Verzug willkürlich angenommen, so kann hieraus nur ein Verwertungsverbot folgen. Eine solche willkürliche Annahme der Gefahr im Verzug liegt vor, wenn deren Voraussetzungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vorlagen.[151] Auch dann, wenn nicht versucht wurde, eine richterliche Anordnung einzuholen, obwohl hierzu noch Zeit zur Verfügung gestanden hätte und nicht ersichtlich ist, warum die Durchsuchung nicht auch noch nach Erlass der richterlichen Anordnung hätte durchgeführt werden können, ist ein Verwertungsverbot anzunehmen.[152] Von einem Verwertungsverbot muss daher immer dann ausgegangen werden, wenn der Richtervorbehalt bewusst umgangen wurde.[153]

Liegt ein Irrtum seitens der Strafverfolgungsbehörden über den bevorstehenden Beweismittelverlust und damit über das Vorliegen der Voraussetzungen der Gefahr im Verzug, scheidet die Annahme von Willkür aus.[154]

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Wird hingegen Gefahr im Verzug nur unzutreffend bejaht, kann Willkür dagegen nicht festgestellt werden, ist grundsätzlich kein Verwertungsverbot anzunehmen.[155] Letztlich ist wiederum eine Abwägung vorzunehmen.[156] Das BVerfG geht davon aus, ein Beweisverwertungsverbot sei auch bei „schwerem“ Gesetzesverstoß anzunehmen.[157]

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Die Verletzung der Ordnungsvorschriften der § 104 StPO (Durchsuchung zur Nachtzeit), § 105 Abs. 2 S. 1 StPO (Durchsuchungszeugen), § 106 StPO (Anwesenheit des Betroffenen) sowie § 107 StPO (Durchsuchungsverzeichnis) begründet kein Beweisverwertungsverbot.[158]

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Wichtig für den Verteidiger ist es, ein eventuelles Beweisverwertungsverbot nicht erst in der Revision geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des BGH muss in der Hauptverhandlung der Verwertung des Beweismittels widersprochen werden, da eine Geltendmachung des Verwertungsverbots nach Erlass des Urteils nicht mehr möglich sein kann („Widerspruchslösung“).[159] Der BGH weitet den Anwendungsbereich der „Widerspruchslösung“ immer weiter aus. Ein rechtswidriger Durchsuchungsbeschluss, der weder die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat noch die aufzufindenden Beweismittel nennt, ist auch nicht in der Lage, die Verfolgungsverjährung zu unterbrechen.[160] Hierauf sollte der Verteidiger achten.

Kapitel 2 Verteidigung im ErmittlungsverfahrenD. Durchsuchung und Beschlagnahme › IV. Rechtsschutz gegen Durchsuchungsmaßnahmen

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