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2. Zugang zur Ermittlungsakte
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In der Praxis wird das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung häufig dadurch beeinträchtigt, dass sich die Akte noch bei der Polizei befindet und dort ungeachtet der Bestellung eines Verteidigers, der zur Aufnahme seiner Tätigkeiten Akteneinsicht benötigt, zunächst zugewartet wird, bis die beabsichtigten Ermittlungsmaßnahmen zu Ende gebracht sind, bevor die Akte gem. § 163 Abs. 2 S. 1 StPO der Staatsanwaltschaft vorgelegt wird. Auch dann, wenn der Vorgang bereits bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist, die Akten jedoch zur Durchführung weiterer Ermittlungen an die Polizei versandt wurden, erhält der Verteidiger in der Regel von der Staatsanwaltschaft eine – unzulässige[6] – formularmäßige Unentbehrlichkeitsanzeige. Dem Verteidiger wird in diesen Fällen lediglich mitgeteilt, dass die Akten derzeit versandt seien, was für diesen wenig informativ ist.
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Dieser Praxis ist entschieden entgegenzutreten. Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten, welches lediglich vom Verteidiger für diesen ausgeübt wird,[7] stellt eine Konkretisierung des Rechts auf rechtliches Gehör dar.[8] Zudem ist es Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips i.V.m. dem Recht auf ein faires Verfahren. Dazu gehört auch, dass dem Beschuldigten die Akten „so frühzeitig wie möglich“ offen gelegt werden.[9] Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Beschuldigte „ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsergebnissen und auf Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen“ besitzt, „ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte“.[10] Nur auf dieser Grundlage ist ihm eine wirksame Verteidigung möglich und wird er in die Lage versetzt, sich rechtzeitig auf die Verteidigung einzurichten und sich Verteidigungsmittel zu beschaffen.[11]
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Der Verteidiger sollte sich daher unmittelbar nach seiner Beauftragung mit der aktenverwahrenden Stelle in Verbindung setzen und dafür Sorge tragen, dass ihm die Akten schnellstmöglich von der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden. Zu widersprechen ist auch dem vielfach bemühten Argument, die Aktenversendung an den Verteidiger verzögere die Ermittlungen. Unabhängig davon, dass es heutzutage i.d.R. ohne Weiteres möglich ist, die Akten in der Kanzlei an einem Tag vollständig zu fotokopieren und eine unverzügliche Rückgabe der Akten selbstverständlich sein sollte, ist in diesem Fall ein Hinweis auf RiStBV Nr. 12[12] angezeigt. Die Missachtung eingehender Akteneinsichtsgesuche der Verteidigung durch die Polizei unterläuft das Akteneinsichtsrecht aus § 147 StPO und ist daher schlichtweg unzulässig.