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Entwicklungstraumatisierung und Traumapathologie

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Ein dritter Weg der Erlebnisverarbeitung wird eingeschlagen, wenn Kinder und Jugendliche, deren Persönlichkeit sich in der Entwicklung befindet, traumatischen Erlebnissen ausgesetzt sind. In Abgrenzung von Traumaerfahrungen im Erwachsenenalter trifft dafür die Bezeichnung frühe oder Entwicklungstraumatisierung zu. Dabei handelt es sich um Erlebnisse, die den heranreifenden Menschen in einen Zustand verzweifelter Hilflosigkeit stürzen.

Sie bewirken ein inneres Chaos und den Zusammenbruch der psychischen Abwehrfunktionen. Sie zerstören die Fähigkeit, die Erfahrungen zu integrieren und kognitiv und emotional zu verarbeiten. Beispiele dafür sind makrotraumatische Erfahrungen von sexueller oder aggressiver Gewalt in Kindheit und Jugend. Ebenso wirken Bindungs- und Beziehungstraumatisierungen, womit anhaltende Mikrotraumatisierungen durch Vernachlässigung und Verwahrlosung bezeichnet werden.

Frühe Traumaerfahrungen führen zu einer Unfähigkeit, emotionale Erregung zu verarbeiten. Sie werden nicht mentalisiert und bilden eine Schwachstelle in der späteren Persönlichkeit. Sie bewirkt, dass das frühe traumatische Erleben selbst dissoziiert und wie in einer Kapsel von der übrigen Persönlichkeit getrennt gehalten wird. Es nimmt an der weiteren Entwicklung nicht teil. Auf diese Weise wird eine Überflutung der Persönlichkeit durch Erinnerungen verhindert.

Die frühe traumatische Erfahrung bildet in der Gegenwart eine Insel einer unbewussten Vergangenheit, ein dissoziiertes Introjekt110. Damit ist allerdings die Gefahr verbunden, dass diese Erfahrungen durch emotionale Erlebnisse, die an die ursprüngliche Traumatisierung erinnern, wieder aktiv (»getriggert«) werden. Es besteht also eine Vulnerabilität in Bezug auf emotionale Belastungen und Erregung. Wenn Traumaerinnerungen hervorbrechen, können sie die Persönlichkeit überschwemmen.

Diese labile psychische Organisation wird hier in Abgrenzung von der Entwicklungs- und Konfliktpathologie, als Traumapathologie bezeichnen. Allerdings besteht eine strukturelle Ähnlichkeit mit der Entwicklungspathologie. Sie tritt in ähnlicher Weise auch bei Extremtraumatisierungen im Erwachsenenalter auf ( Kap. 7.4.3).

Psychotherapie und Psychosomatik

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