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4.2.5 Abgrenzung von Psychosen

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Zwischen psychodynamischer und biologischer Psychiatrie besteht Dissens über die Bedeutung psychogener Faktoren und ihre Beteiligung am Zustandekommen von Psychosen ( Kap. 13.2). Diese Thematik geht über den Rahmen dieses Lehrbuchs hinaus. Hier kann lediglich die phänomenologische Abgrenzung zwischen dem Borderline-Syndrom und schizophrenen Erkrankungen erwähnt werden:

• Maßgeblich für die Unterscheidung ist die Beurteilung der Fähigkeit zur Realitätsprüfung125. Damit bezeichnet man die Fähigkeit, zwischen Phantasie und äußerer Wirklichkeit mit Hilfe von differenzieller Wahrnehmung, Überzeugung und logischem Denken zu unterscheiden und diese Unterscheidung in Krisen aufrechtzuerhalten. Besonders hervorzuheben ist dabei die Unterscheidung zwischen der eigenen Person und den anderen (Selbst-Objekt-Differenzierung) und die Unterscheidung zwischen Binnen- und Außenwahrnehmungen. Bei Borderline-Störungen ist der Realitätsbezug, wenn überhaupt, nur in Krisen vorübergehend beeinträchtigt, aber nicht dauerhaft gestört. Bei psychotischen Patienten bestehen dagegen anamnestisch und in der aktuellen Untersuchungssituation Ausfälle der Realitätsprüfung, im Extremfall in Gestalt von Verkennungen und Wahnvorstellungen.

• Eine Besonderheit ist in diesem Zusammenhang das Phänomen der Übertragungspsychose, das bei Borderline-Störungen auftreten kann. Es handelt sich dabei um wahnartige Vorstellungen von mäßiger Intensität, die sich im Verlauf einer psychotherapeutischen Behandlung entwickeln können, wenn die Regression besonders stark wird. Sie äußern sich in einem besonders intensiven Beziehungserleben gegenüber dem Behandler. Es bestehen Ideen, ihn zu beeinflussen oder von ihm kontrolliert, beeinflusst oder sogar verfolgt zu werden. Diese Ideen bleiben im Gegensatz zu psychotischen Wahnvorstellungen aber auf den Behandler bezogen und auf die Behandlungssituation begrenzt und betreffen nicht die Erlebnisse im Alltag.

• Ein weiteres Kriterium ist die Beurteilung der Abwehr126: Die Borderline-Abwehr, insbesondere Spaltung, projektive Identifizierung und Verleugnung, schützt die »guten«, d. h. die liebevollen Beziehungen vor dem Hass der »schlechten« Beziehungsanteile. Bei Psychotikern wird dieselbe Abwehr zu einem anderen Zweck eingesetzt: Sie schützt sie vor Verschmelzungserlebnissen in der Beziehung zu anderen und vor dem dadurch drohenden Selbstverlust. Auf Deutungen dieser Abwehr reagieren Borderline-Patienten mit einer Stabilisierung, Psychotiker mit einer Labilisierung ihrer Befindlichkeit in der Untersuchung.

• Weitere differenzialdiagnostische Möglichkeiten bieten testpsychologische Untersuchungen, insbesondere das Rorschach-Verfahren (ein sog. projektiver Test), und natürlich die Verlaufsbeobachtung.

Psychotherapie und Psychosomatik

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