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TIFFANY

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Montag, 19:54 Uhr

Eine Frau verließ das Juweliergeschäft. Sie war jeden Montag dort und kam meist lachend aus dem Laden. Tiffany hatte sie jeden Montag beobachtet, seitdem sie den Entschluss gefasst hatte, die Nummer eins der Liste zu catchen. Von der großen Treppe gegenüber konnte sie Tiffany & Co. bequem beobachten, ohne dass es jemandem auffiel.

Die Frau war etwas altbacken gekleidet, aber extrem chic. Schwarzer Bleistiftrock und helle Bluse. Heute trug sie einen schwarzen Mantel darüber, den sie auch schon im letzten Winter angezogen hatte. Die hohen Pumps passten nicht zur Jahreszeit, aber sicher hatte Tiffany & Co. Kleidervorschriften. Die Frau trug jeden Montag annähernd das Gleiche. Ihre Haare wirkten, als wären sie ganzjährig festbetoniert. Selbst bei dieser klirrenden Kälte setzte sie sich keine Mütze auf. Gleich würde sie um die Ecke biegen und sich auf die Sitzbank setzen, dann in alle Richtungen schauen, ob ihr jemand zusah, und im Anschluss daran ihre High Heels gegen Sneaker tauschen und genüsslich eine Zigarette rauchen. Jede Woche sah sich Tiffany diese Szene an. Aber heute würde sie die Verkäuferin nicht rauchen sehen, sondern währenddessen selbst in den dunklen Laden gehen, in dem diese noch vor wenigen Minuten gearbeitet hatte.

Tiffany war konzentriert und hellwach, mit ganzer Leidenschaft bei der Sache. Ihr Bruder wirkte nervös, aber sie wusste, er würde alles wie geplant durchziehen. Josh Degenhardt huschte noch durch die Gänge. Tiffany hatte auch ihn montags beobachtet und bis zu seiner Haustür verfolgt. Er schien einsam zu sein und gelangweilt. Sein Blick wirkte traurig. Anfangs hatte Tiffany ihn als spießig empfunden. Steif und glattgegelt, ohne besonderes Charisma.

Aber im Lauf des Jahres war er ihr immer mehr ans Herz gewachsen. Er sah sogar recht gut aus. Groß, schlank, kantige Gesichtszüge. Nur der Schlafzimmerblick war gewöhnungsbedürftig. Sie wusste, er war fünfunddreißig Jahre alt und körperlich in Topform. Seinem traurigen Blick nach zu urteilen, hätte er aber auch Mitte vierzig sein können. Irgendetwas musste ihm nachhaltig zugesetzt haben, im Gesichterlesen kannte sich Tiffany aus. Andere hätten sicher gesagt, es sei gefährlich, sich mit den Menschen in dem jeweiligen Shop zu beschäftigen, aber sie hielt es für klug, ein Profil zu erstellen. Schließlich ging es um eine ganze Nacht und die Grauzone. Es kam darauf an, wie Josh Degenhardt diese Nacht empfinden würde, und da war es umso notwendiger, in der Kürze der Zeit eine Beziehung zu ihm aufzubauen.

Winternacht bei Tiffany

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