Читать книгу Winternacht bei Tiffany - Nena Siara - Страница 20

JOSH

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22:30 Uhr

11 Stunden und 30 Minuten bis zur Ladenöffnung

Jeder Schluck Gin tat gut. So konnte Josh vielleicht doch die Nacht bis zum Morgen überstehen.

Die Geschichte der jungen Tiffany war sicher gelogen. Sie war vollkommen unglaubwürdig, und irgendwie hatte er das Gefühl, als wolle sie genau das erreichen. Je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr schien das Ganze hier ohnehin einem Spiel zu ähneln als einer Gewalttat. Vielleicht weniger Monopoly als Schiffe versenken, bei dem man strategisch vorging, um die Positionen des anderen herauszufinden. Aber letzten Endes war doch alles aus Plastik.

Josh war bereit, mitzuspielen. Auch er wollte sich eine gute Lügengeschichte ausdenken. Eine, die Tiffanys ähnelte und ihr gewachsen war. „Mir werden Sie meine Geschichte bestimmt auch nicht glauben. Meine Eltern haben mich hier bei Tiffany zur Welt gebracht.“ Schachmatt! Schiff versenkt!

„Kurz und knackig!“, kommentierte Tiffany und erhob ihr Glas. Es klirrte, als sie anstießen, und Josh und Tiffany lachten. Er schätzte, sie wusste jetzt, dass er ein würdiger Gegner in ihrem Strategiespiel war.

„Wollen wir in die zweite Runde gehen? Die Nacht ist zwar lang, aber ich bezweifle, dass Sie alle Schmuckstücke schaffen werden, wenn wir an diesem Tempo festhalten.“ Josh wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Meinte er das ernst, oder wollte er sie nur in Sicherheit und Vertrauen wiegen, bevor er erneut zur Flucht ansetzte? „Was ist ihr nächstes Outfit?“ Er erhob sich und mit ihm der Lauf der Pistole zu seiner Rechten. Der Dicke hatte sich in den letzten dreißig Minuten nicht gerührt. Mittlerweile war sich Josh nicht mehr so sicher, ob der Typ wirklich so ungefährlich war. Jemand, der die Waffe so lange und konsequent auf sein Ziel richtete, war unheimlich und vielleicht auch unberechenbar.

„Das bunte Kleid!“, erwiderte Tiffany. „Eine Ode an den Frühling, eine Kampfansage an den Schneesturm da draußen.“ Sie deutete mit ihrem Glas auf die Fenster, deren Ränder schon mit Schnee bedeckt waren.

Unglaublich! Seine Kollegin hatte wohl recht! „Gut! Also Frühling! Obwohl es Ihre Großmutter wohl kaum gegeben hätte, wenn damals nicht eine solche Winternacht Ihre Eltern zu ungezügelten Taten verlockt hätte.“ Er lachte und hob anzüglich eine Augenbraue nach oben, während ihm eine Haarsträhne tief ins Gesicht fiel.

„Ach, das waren dann wohl eher vorgeschobene Frühlingsgefühle.“ Tiffany lachte laut auf. Die junge Frau nahm das bunte Kleid, trat hinter die Treppe und kam wenig später wieder hervor. Das Muster auf dem Kleid wirkte skandinavisch, weiß mit unterschiedlichen zarten Blumen darauf. Das war ein klarer Fall!

„Return to Tiffany! Der letzte Schrei für dieses Kleid, das aussieht, als ob es schon alles hat. Folgen Sie mir.“ Den Dicken im Schlepptau und Visier, ließ er den Kerzenlaufsteg hinter sich und lief bis ans Ende des Ganges bis in die Nähe des Fensters. Vielleicht konnte man ihn von hier aus von draußen sehen und jemand wurde auf das verbotene winterliche Treiben bei Tiffany aufmerksam.

Wieder legte er das schwarze Tuch auf die Glasvitrine. „Wir brauchen mehr Licht.“

„Kein Problem“, sagte Tiffany und schaltete auf ihrem Handy die Taschenlampe an. Sie lehnte sie an einen Vergrößerungsspiegel, der auf der Vitrine stand. Der Lichtkegel schien auf den schwarzen Stoff.

„Hier hat Tiffany den Klassiker neu erfunden. 1969 wurde zum ersten Mal der ikonische Schlüsselanhänger eingeführt, der diese Kollektion inspiriert hat. Er betont die feminine Note, die sich in Ihrem Kleid widerspiegelt. Legen Sie Ihre Kollektion ab und reichen mir Ihren linken Arm.“

Die junge Frau nahm sich den Schmuck ab und hielt Josh den Arm hin. Er schloss den aufklappbaren breiten Herzarmreif um ihr Handgelenk. Dann legte er mehrere Armbänder auf das schwarze Tuch und bat Tiffany um ihren rechten Arm. „Jetzt bekommen Sie die üppige Ausführung.“ Er lachte. Mehr über die Tatsache, alles frei anlegen zu dürfen, als darüber, dass auch diese Kollektion dieser Frau gerecht wurde und wie eine zweite Haut wirkte. „Zuerst aus der Return Collection das Armband mit mehreren Herzanhängern, dann das Doppelarmband aus Silber und Rubedo-Metall. Nun der Herzanhänger in Silber mit Emaille-Glasur und das Sahnestückchen: das Love-Armband aus achtzehn Karat Weißgold mit Diamanten.“ Behutsam schloss er ein Armband nach dem anderen. Tiffany ließ sich alles gefallen und sagte kein Wort.

„Was ist Ihre Lieblingszahl?“, fragte Josh.

„Vier!“

„Gut. Dann bekommen Sie nun vier Love-Schloss-Charme-Anhänger an die dazugehörige Kette.“ Er holte die Anhänger aus der Schublade. Da! Der Alarmknopf! Was würde passieren, wenn er ihn nun drückte? Der Dicke würde vielleicht schießen. Hier hinter der Theke kam Josh schlecht raus, aber in wenigen Minuten würde das Wachpersonal eintreffen. Sollte er das riskieren?

„Josh? Du wirst doch nicht darüber nachdenken, den Alarmknopf zu drücken? Bis jetzt läuft es doch richtig gut. Und abgesehen davon, dass du die Nacht über keinen Schlaf bekommen wirst, wird dir nichts passieren. Also sollten wir es dabei belassen.“

Josh spürte ihre Hand auf seiner. Er sah auf, gerade als sich Tiffany über die Glasvitrine zu ihm beugte und ihm erneut ihr Parfum in die Nase stieg. „Nein, mache ich nicht. Langsam gefällt es mir.“ War das überhaupt noch gelogen? Ganz sicher war er da nicht mehr. Und das schon nach nur einer Stunde! „Beugen Sie Ihren Kopf nach vorne, bitte.“ Josh hielt ihr die Kette hin und Tiffany legte die Stirn auf das schwarze Tuch. Jetzt lag ihr Nacken vor ihm und er schloss das Schmuckstück um ihren Hals. Ihre langen Haare streiften seine Hände. Ein Moment, den er in seiner Verkaufszeit oft erlebt hatte, dem er jedoch nie eine vergleichbare Bedeutung beigemessen hatte. Das hier war anders.

Josh räusperte sich. Tiffany hob den Kopf. Nüchtern holte er noch die passenden Mini-Herzohrringe aus achtzehn-karätigem Roségold und hielt sie ihr entgegen. „Auf den Ring müssten Sie verzichten. Das ist zu viel.“

„Du bist der Boss! Zumindest bei der Schmuckauswahl. Wobei …“

Josh sah sie an. Sie stockte und neigte ihren Kopf. „… was hältst du von einem Fußkettchen? Ich liebe Fußschmuck!“

„Durchaus! Sie sollten die Branche wechseln, Tiffany! Mit Ihrem Namen und dem dazugehörigen Geschmack …“

Tiffany hob ihren Fuß auf die Theke, und Josh schluckte verlegen. Auch diese Situation unterschied sich deutlich von seinem Alltag. „Nun möchte ich Sie aber laufen sehen, Tiffany.“

„Gebongt! Let’s go!“

Winternacht bei Tiffany

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